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Die neue Matur besteht die Prüfung

Eingangshalle der Universität Zürich. Keystone

Acht Jahre gab man sich mit der Einführung der neuen Maturitätsverordnung. Nun ist es soweit. Es scheint, als ob die Reform ihre ersten Früchte trägt.

Die erste Auswertung wird zum Schulbeginn im Spätsommer dieses Jahres in Form eines 200-seitigen Berichts erwartet.

Zwischen Juni und September sind jährlich für tausende von Schülerinnen und Schülern Abschlussprüfungen angesagt.

Doch die gymnasiale Abschlussprüfung, die Maturität, hat während der letzten Jahrgänge ziemlich ihr Gesicht verändert. 1995 kam die «neue Matur» erstmals auf.

Damals gab man sich acht Jahre, um die Reform umzusetzen, denn das Erziehungswesen in der Schweiz ist extrem komplex: einerseits geografisch zersplittert andererseits auch juristisch und von der Organisation her aufgesplittet.

Heute scheint das Ziel erreicht zu sein. Je nach Kanton verliessen die ersten Jahrgänge mit der «neuen Matura» die Schule zwischen 2001 und 2003.

Aus fünf Maturen mach eine

Als hauptsächliche Neuerung des neuen Systems gilt, dass man von fünf Wahl-Maturas (Naturwissenschaften, Wirtschaft, Neue Sprachen etc.) auf eine einzige reduziert hat. Diese umfasst sieben Basis-Fächer, eine spezifische Schwerpunkt- und eine Ergänzungs-Option.

Somit fällt die Anzahl der für die Maturität benötigten Fächer von 11 auf 9, aber das Spektrum der Wahlfächer hat sich erhöht. Die Reform hat somit die möglichen Maturitätsprofile verbreitert. Dabei kann man sich auf ein Gebiet konzentrieren oder sein Profil möglichst breit fassen. Als allgemein begrüsstes Novum muss vor den Prüfungen eine «Maturaarbeit» verfasst werden.

Ein Erfolg scheint sich abzuzeichnen

Den Reformern ging es dabei um mehr Auswahl und Bewusstseinsförderung des Schülers, Erneuerungen in der Art des Vermittelns der Inhalte («Coaching»), bessere Integration der verschiedenen Fächer und neu vorgeschlagene Fächer.

Und es scheint sich ein Erfolg abzuzeichnen. Um sicherzugehen, haben die Kantone und der Bund eine Studiengruppe auf die Beine gestellt (EVAMAR, Evaluation der Maturitätsreform). Diese hat die Auswertung in zwei Phasen anzugehen.

«Eine Revision des Reglements beziehungsweise der Verordnung über die Anerkennung gymnasialer Maturitätsabschlüsse (MAR) läuft und dauert bis zum Ende der zweiten Auswertungsphase, 2006 bis 2007», sagt Ernst Flammer, Sekretär der Kommission des Bundes für die Maturität.

So könnte es beispielsweise zu einer Mehrgewichtung der Maturaarbeit kommen, sagt Flammer, für die der Schüler und die Schülerin benotet würde.

Es fehlen die Mittel

Die Auswertungsresultate der ersten Phase werden bis nächsten Herbst erwartet. Unter den konstatierten Tendenzen, so einer der Auswertungs-Verantwortlichen, steche das Manko an Mitteln und Zeit heraus.

«Die Evaluation zeigt, dass die Reform gut aufgenommen wird», sagt François Grin. Aber auch dass sie viel Zeit verschlingt. Und unter den heutigen Bedingungen genügten die Ressourcen oft nicht, um die Ziele zu erreichen.

Wobei sich, was dies betrifft, der Westschweizer Lehrkörper leicht kritischer als die Deutschschweizer Kollegen gibt. In den Gymnasien selbst gibt es Stimmen, die bemängeln, dass den Sprachen gegenüber der Naturwissenschaft ein zu grosses Gewicht gegeben wird.

Im Durchschnitt erklären sich 91,5% der Professoren zufrieden mit ihrem Beruf in der Schule.

Die Schülerinnnen und Schüler unterstützen die Reformen ebenfalls, streichen aber den Zeitmangel heraus. Allgemein empfinden sie, gut für die Studien an den Universitäten vorbereitet zu werden.

Was die Wahlfächer betrifft, optieren die Schüler eher für Wirtschaft und Recht, bildnerisches Gestalten oder für das Trio Philosophie / Psychologie / Pädagogie.

Nivellierungsängste haben sich nicht bewahrheitet

Zu Beginn, als man sich über die Reform Gedanken machte, warnten viele Lehrer und Lehrerinnen vor einer «Matura mit variabler Geometrie», die zu sehr auf die Bedürfnisse der Schüler zugeschnitten sei. Dies würde das Niveau senken.

Die Erfahrungen zeigen nun das Gegenteil. Die Durchfallsquote hat sich erhöht. «Es ist jetzt schwieriger als früher, die Matura zu bestehen», sagt Andreas Hirschi, der bei der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) das Maturitäts-Dossier betreut.

Der Maturand muss nun jede negative Note mit zwei positiven neutralisieren. Das nennt sich Prinzip der doppelten Kompensation.

swissinfo, Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle)

Jedes Jahr werden in der Schweiz durchschnittlich 15’000 Maturitäts-Abschlüsse ausgestellt.

18% der Schüler und Schülerinnen eines Jahrgangs entscheiden sich für eine Mittelschule, die zur Maturität führt.

Mehr als 10% der Matura-Abschlüsse wurden ausserhalb der kantonalen Gymnasien vergeben (Eidgenössische Matura, oft bei Privatschulen).

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