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Die zehn Harmos-Pionierkantone stehen

Bund und Kantone: Mit Harmos das Wohl der Schulkinder im Auge. Keystone

Nach dem Scheitern des Referendums gegen Harmos im Tessin kann der Startschuss zur Schulharmonisierung fallen. Bis die umstrittene Reform aber in allen Kantonen eingeführt wird, dürfte noch einige Zeit vergehen.

Da waren’s ihrer Zehn: Weil die Junge Schweizerische Volkspartei (SVP) des Tessins die nötige Anzahl von 7000 Unterschriften und damit das Referendum bei weitem verpasste, ist der Weg des Südkantons zum Beitritt des Konkordats zur Schulharmonisierung Harmos frei.

Und weil das Tessin der zehnte Kanton ist, der Harmos grünes Licht erteilt, kann die interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule in den zehn Mitglieds-Kantonen in Kraft treten.

«Dies ist ein erfreulicher Schritt Richtung Einführung von Harmos in der ganzen Schweiz», sagt Isabelle Chassot, Präsidentin der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK), gegenüber swissinfo. Damit kämen die Kantone den Zielen der Bildungsverfassung näher.

Sechsjährige Übergangsfrist

Chassot zeigte sich insbesondere darüber erfreut, dass es der Kanton Tessin ist, der als Kanton Nummer zehn den Startschuss zu Harmos gibt. «Das ist in der mehrsprachigen Schweiz ein schönes Zeichen.»

Als nächster Schritt erfolgt im Mai laut der Bildungsdirektorin des Kantons Freiburg die Festlegung des Einführungsdatums für die Schulharmonisierung. «Ab dann läuft die sechsjährige Einführungsfrist, innerhalb deren die Kantone einheitliche Strukturen schaffen müssen.»

Solch einheitlichere Strukturen sollen etwa helfen, Schulübertritte von einem Kanton in einen anderen für die betroffenen Schüler zu erleichtern.

Die Angleichung erfolgt laut Chassot in erster Linie bei den Lehrplänen und den Bildungsstandards. Aber auch bedarfsgerechte Tagesstrukturen für Schülerinnen und Schüler sollen die Kantone nach einheitlichen Kriterien bereitstellen.

Gut Ding will Weile haben

Chassot ist sich bewusst, dass die landesweite Einführung von Harmos sich nicht auf die Schnelle bewerkstelligen lässt, sondern ein längerfristiges Ziel darstellt. «Bis dahin wird noch viel Wasser die Saane hinunter fliessen», sagt die Freiburgerin.

«Es ist aber wichtig, dass wir uns dem Ziel Schritt für Schritt annähern.» Dass das Ziel erreicht wird, steht für sie nicht in Frage, denn jeder Kanton müsse die Bildungsverfassung umsetzen.

Den Fahrplan lässt Chassot nicht ausser Augen. Sie geht davon aus, dass die Ratifikation des Harmos-Konkordats bis in zwei Jahren in allen Kantonen eingeleitet sein werde. Dazu müssen die Kantonsregierungen Harmos ihren Parlamenten vorlegen.

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EDK

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) ist der Zusammenschluss der 26 kantonalen Regierungsmitglieder, die für Erziehung, Bildung, Kultur und Sport verantwortlich sind. Die EDK ist verantwortlich für die nationale Koordination in sämtlichen Bereichen der Bildungs- und Kulturpolitik.

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SVP-Wahlkampfthema

Dass die Diskussionen hitzig ausfallen werden, dafür will die SVP sorgen. Die Rechtspartei reklamiert nämlich den Kampf gegen das einheitlichere Schulsystem für sich und erklärte das Bodigen von Harmos zu einem ihrer politischen Ziele.

Den Zorn der SVP erregt insbesondere das in Harmos vorgesehene Obligatorium eines zweijährigen Kindergartens. Es sei Sache der Eltern, über den Vorschul-Eintritt ihres Kindes zu entscheiden, so die SVP-Haltung.

Mit ihrer grundsätzlichen Opposition ist die Rechtspartei in einigen Kantonen durchgedrungen. Bisher haben vier Kantone einen Beitritt zu Harmos abgelehnt. Es sind dies Luzern, Graubünden, Thurgau und Nidwalden.

Instrument in der Hinterhand

Offen ist die Situation in Freiburg und Zug, wo noch Referendumsfristen laufen. Im Kanton Bern wiederum findet am kommenden 27. September eine Volksabstimmung statt.

Allerdings hat der Bund ein Instrument in der Schublade, um Harmos für verbindlich zu erklären. Im Bildungsartikel, der im Jahr 2006 in einer Volksabstimmung angenommen wurde, steht: «Kommt auf dem Koordinationsweg keine Harmonisierung des Schulwesens im Bereich des Schuleintrittsalters (…) zustande, so erlässt der Bund die notwendigen Vorschriften.»

Ob in einem solchen Fall das Wettern der SVP gegen den «Bildungsvogt Bern» aufhört, scheint fraglich.

swissinfo, Renat Künzi

Bisher haben sich insgesamt 14 Kantone abschliessend zum Harmos-Konkordat geäussert.

Zehn Kantone haben zugestimmt: SH, GL, VD, JU, NE, VS, SG, ZH, GE und TI (Reihenfolge des Beitritts).

Davon haben drei Kantone den Harmos-Beitritt in Volksabstimmungen angenommen (GL, SG, ZH).

Vier Kantone haben in Volksabstimmungen einen Beitritt abgelehnt (LU, GR, TG, NW).

2003 deckte die Pisa-Studie je nach Kanton Unterschiede beim Bildungsstand der Schweizer Schüler auf.

2006 hiess das Stimmvolk den neuen Bildungsartikel in der Verfassung gut.

Die Vereinbarung zur Harmonisierung der obligatorischen Schule (Harmos), welche die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren 2007 einstimmig verabschiedet hat, wird via Bildungsartikel umgesetzt.

Harmos tritt in Kraft, wenn das Konkordat von 10 Kantonen ratifiziert worden ist.

Die Kantone haben nach ihrem Beitritt sechs Jahre lang Zeit, um die Anpassungen umzusetzen.

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