«ETH bleibt Flaggschiff der Wissenschaft in der Schweiz»
Nach dem grossen Lärm, welcher der Rücktritt des ETH-Präsidenten verursacht hat, hat der Rektor die Leitung der Hochschule übernommen. Nun soll rasch nach einem neuen Präsidenten gesucht werden.
Der 64-jährige Rektor Konrad Osterwalder will die Reformen an der ETH vorantreiben, setzt dabei aber laut eigenen Angaben auf die Pflege eines intensiven Dialogs.
«Die ETH ist und bleibt das Flaggschiff von Bildung und Wissenschaft in der Schweiz», erklärte Konrad Osterwalder, Rektor und interimistischer Präsident der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) am Freitag.
Gescheitert ist der bisherige Präsident Ernst Hafen kaum ein Jahr nach Amtsantritt an seinem eigenen Elan und am Widerstand der Professorenschaft. Diese wollte das Reformtempo nicht mittragen und fürchtete um ihren Einfluss. Am Mittwoch hatte er seinen Rücktritt mit sofortiger Wirkung erklärt.
«Wenn wir es fertig bringen, dass die Leute zusammen arbeiten, haben wir eine wunderbare Möglichkeit, die Zukunft zu gestalten», hatte der neu gewählte ETH-Präsident im Januar 2006 im Gespräch mit swissinfo gesagt.
Brillanter Molekularbiologe
Vor seiner Wahl durch die Landesregierung war Ernst Hafen ein brillanter Molekularbiologe und konnte bereits auf eine steile Karriere als Forscher zurückblicken.
Angetreten war der dynamische Hoffnungsträger mit dem Auftrag und der Absicht, das Flaggschiff der Schweizer Hochschulen zu reformieren und an die Weltspitze zu führen.
«ETH 2020» hiess das Reformprojekt. Hafen wollte die 15 Departemente zu grösseren Einheiten mit hauptamtlichen Chefs zusammenführen. Die Schulleitung wollte er gleichzeitig um zwei auf sechs Köpfe aufstocken und zu einer Art Geschäftsleitung umbauen.
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ETHZ/EPFL
CEO statt Rektor
Das heisst: Lehre und Forschung hätten lediglich noch einen statt wie bisher zwei Sitze gehabt. Dafür wollte Hafen die Stelle eines Generaldirektors und eines Finanzchefs einführen und die Stelle des Rektors streichen. Der Rektor ist die einzige Führungsposition an der ETH, deren Besetzung von den Professoren vorgeschlagen wird.
Kurzum: Die Professoren wehrten sich gegen die vorgesehene Entmachtung, den geplanten «internen Verwaltungsapparat» und damit gegen das Reformprojekt. Das Kerngeschäft der ETH sei Lehre und Forschung.
Die neue Organisationsstruktur würde diesem Anspruch nicht gerecht. So lautete der Tenor im vergangenen Juni in den offiziellen Stellungnahmen der Departemente.
Zum Rücktritt aufgefordert
Hafen hielt trotz den negativen Reaktionen am Projekt fest, liess es Ende August von der Schulleitung absegnen und teilte diesen Beschluss den Departementen mit. Das führte innerhalb der Professorenschaft zu einer Flut von Protesten und negativen Reaktionen.
Am 23. Oktober forderten die Professoren und die grosse Mehrheit der Departementchefs Hafen schriftlich zum Rücktritt auf. Sie machten geltend, das Vertrauen sei nicht mehr da. Die Schulleitung stoppte das Reformprojekt.
Auch der ETH-Rat hielt in einem internen Papier fest, das Vertauen sei «unwiederbringlich zerstört» und es müsse eine «schnelle und konsequente Lösung» gefunden werden. Das Papier gelangte durch eine Indiskretion an die Medien.
Reform muss weiter gehen
Für den Präsidenten des ETH-Rates, Alexander Zehnder, ist klar, dass der Reformprozess auch nach dem Rücktritt von Ernst Hafen weiter gehen muss: «Eine Universität vom Format der ETH muss sich laufend reformieren und sich den neusten Gegebenheiten in einem globalisierten Markt anpassen», sagte Zehnder in einem Gespräch mit dem Zürcher Tages Anzeiger.
Dass mit Patrick Aebischer, dem Präsidenten der ETH in Lausanne (EPFL), ein Mann im ETH-Rat sitzt, der in Lausanne gewisse Reformen bereits vollzogen hat, heisse aber nicht, dass man die ETH Zürich – wie von Kritikern behauptet – auf Aebischers Linie trimmen wolle.
Es sei richtig, dass in Lausanne bereits Realität sei, was in Zürich scheiterte: «Zürich sollte aber nicht Lausanne kopieren», so Zehnder.
Couchepin bedauert
«Für mich ist es nur schwer nachvollziehbar, wie es soweit kommen konnte», sagte Heinrich Ursprung, bis 1987 ETH-Präsident, gegenüber swissinfo. «Wir hatten damals auch ein Reformprojekt zu bewältigen und haben das – trotz vielen roten Köpfen – dank vielen Gesprächen von Mann zu Mann auch zu einem guten Ende geführt.»
Der Schweizer Bildungsminister Pascal Couchepin sagte, es mache ihn traurig, dass offenbar keine andere Lösung möglich gewesen sei. Mit seinem Rücktritt als Präsident der ETH Zürich habe Hafen einen schwierigen Entscheid gefällt, aber auch gezeigt, dass er die Interessen der ETH über seine eigenen gestellt habe.
swissinfo, Andreas Keiser
Im Jahr 1855 gründete die Schweizer Regierung die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH).
1969 wurde die EPFL in Lausanne (hervorgegangen aus der 1853 gegründeten Ecole Spéciale) die zweite ETH der Schweiz.
An der ETH Zürich sind 12’000 Studierende eingeschrieben.
Der Anteil der Studentinnen beträgt rund 30%, jener der ausländischen Studierenden 20%.
Im Schnitt kommt auf 35 Studierende eine Professorenstelle.
Ernst Hafen studierte in Basel Molekular- und Zellbiologie, bevor er an der University of California in Berkeley und später am Zoologischen Institut der Universität Zürich arbeitete.
Für seine Studien über Wachstumskontrolle und Stoffwechsel erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Ernst-Jung-, den Friedrich-Miescher- und den Otto-Naegeli-Preis.
Er war ausserdem Mitglied der Forschungskommission des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und verschiedener «Editorial Boards» wichtiger Fachzeitschriften.
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