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Frühförderung lohnt sich

Je früher die Kinder gefördert werden, desto mehr profitieren sie. Keystone

Die gezielte Förderung von fremdsprachigen, aber auch von benachteiligten Schweizer Kindern noch vor dem Kindergarten, lohnt sich. Dies zeigen Pilotprojekte in Schweizer Gemeinden und Städten.

Das Fundament für den Erfolg in der Schule wird gemäss neueren Forschungsergebnissen schon im Kleinkindalter gelegt. Die ersten drei bis vier Jahre sind für die Entwicklung entscheidend.

Um die schlechteren Startbedingungen von vielen Migrantenkindern und von Kindern aus sozial benachteiligen Schweizer Familien rechtzeitig auszugleichen, wurden spezielle Frühförderungs-Projekte lanciert.

Im Kanton Zürich nehmen einige Gemeinden mit hohem Ausländeranteil am Pilotprojekt «Spielgruppe plus» teil: Unter Anleitung besonders ausgebildeter Spielgruppenleiterinnen lernen mehrheitlich fremdsprachige Zweieinhalb- bis Fünfjährige im Rahmen ganzheitlicher Förderung auf spielerische Art Deutsch.

«Die bisherigen Erfahrungen sind gut», erklärt Ko-Projektleiter Naxhi Selimi. «Die spezielle Frühförderung lohnt sich. Dies zeigen die wissenschaftlichen Zwischenauswertungen und die Rückmeldungen der Eltern.»

«SpiKi» in St. Gallen

Positive Erfahrungen macht auch die Stadt St. Gallen mit ihrem bis 2010 laufenden Pilotprojekt «SpiKi». Eine erste Evaluation hat ergeben, dass mit diesem Frühförderungsprojekt die Erwartungen an die Kinder beim Eintritt in den Kindergarten weitgehend erfüllt werden. Aufgrund der guten Beurteilung wird es vorzeitig auf drei weitere Quartiere ausgedehnt.

«SpiKi» vermittelt Kindern ab drei Jahren ergänzende Sprach- und Sozialkompetenzen. «Es setzt auf den Ausbau bestehender Spielgruppen und auf enge eine Zusammenarbeit mit den Eltern», erläutert Claudia Wiedemann vom Amt für Gesellschaftsfragen.

Hausbesuche in Bern

Für benachteiligte in- und ausländische Kinder von anderthalb bis drei Jahren ist das in den Niederlanden sehr erfolgreiche Programm «Opstapje» gedacht. Es wird zur Zeit – mit anderen Frühfördermassnahmen in Tagesstätten, Spielgruppen und Quartieren – in der Stadt Bern umgesetzt.

Beim Lernprogramm «Opstapje» besuchen geschulte Laienhelferinnen die Eltern zu Hause und zeigen, wie man Kinder mit Spielen umfassend fördern kann. In Bern stosse das Angebot bei tamilischen und albanischen Familien auf «grosses Interesse», sagt Annemarie Tschumper vom Gesundheitsdienst.

Zweiter Durchgang

Diesen Herbst beginnt bereits der zweite Durchgang mit 35 teilnehmenden Familien. Bei dem im November 2007 gestarteten Programm bis April 2009 machen 23 Familien mit. Die Kosten pro Kind und Familie betragen 420 Franken pro Monat und beinhalten Personal, Infrastruktur, Material, und Lizenzgebühren fürs Programm.

«Opstapje» wird derzeit von der Uni Bern, Abteilung Entwicklungs-Psychologie, evaluiert. Eine Bilanz hält der Gesundheitsdienst deshalb für verfrüht. Aufgrund der guten Erfahrungen in den Niederlanden und in Deutschland wird «Opstapje» dieses Jahr auf Winterthur, St. Gallen und Basel ausgeweitet.

Obligatorium in Basel-Stadt

Während die Teilnahme an all diesen Projekten freiwillig ist, will der Kanton Basel-Stadt Kinder mit ungenügenden Deutschkenntnissen ein Jahr vor dem Kindergarten erfassen und zum Besuch einer Sprachspielgruppe in einem privaten Tagesheim oder in einer privaten Spielgruppe verpflichten.

Das Obligatorium soll sicherstellen, dass auch besonders Bedürftige erreicht werden. Rund ein Drittel der Dreijährigen können zu wenig Deutsch. Solche Kinder müssten – frühestens ab 2011 – ein Jahr lang zweimal pro Woche in eine Sprachspielgruppe.

«Die Förderung von Sprachkenntnissen vor dem Kindergarten ist besonders wirksam, weil Kinder in diesem Alter sprachlich sehr lernfähig sind», erklärt Pierre Felder, Leiter Volksschulen im Basler Erziehungsdepartement.

Zudem sei diese Massnahme im Vergleich zur unverzichtbaren Förderung in der Schule mit «verhältnismässig kleinem finanziellen Aufwand» verbunden.

Lohnende Investition

Bildungsökonomen betonen, dass Investitionen in Fördermassnahmen der ganzen Gesellschaft nützten. Am Lohnendsten sei es, bereits Kleinkinder zu fördern, da spätere Investitionen sich weniger auszahlten.

Wie wirksam und langfristig kostensparend Frühförderung ist, zeigt unter anderem die renommierte «Perry Preschool»-Studie: Unterprivilegierte Kinder, die eine gezielte Frühförderung erlebt hatten, besuchten später öfter die Highschool, verdienten mehr und wurden seltener von Sozialhilfe abhängig oder kriminell als Kinder ohne Frühförderung.

So ging jeder Dollar, der in die Frühförderung investiert wurde, fünffach an die Gesellschaft zurück.

swissinfo, Silvia Oberhänsli, InfoSüd

Opstapje unterstützt die Eltern durch Hausbesuche (45 Besuche während 18 Monaten, anfangs wöchentlich, dann alle 14 Tage) und Gruppentreffen der Eltern (25 Treffen in 18 Monaten, erfahrungsgemäss nehmen vor allem die Mütter teil).

Die Hausbesuche dienen zum Vorzeigen und Üben von fördernden Spielaktivitäten, die von den Eltern anschliessend täglich während mindestens 15 Minuten durchgeführt werden müssen.

In den Gruppentreffen wird formell über die gesunde Entwicklung und die Bedeutung der Förderung durch Spiel und andere Angebote informiert sowie der informelle Erfahrungsaustausch zwischen den Müttern gepflegt.

Das Programm beginnt, wenn die Kinder 18 Monate alt sind, und endet im Alter von 3 Jahren. Dann sollten die teilnehmenden Kinder bereits in einer Spielgruppe integriert sein. Die Kinder holen während der Programmzeit Defizite (Sprache, Wahrnehmung, Motorik, Verhalten) auf.

Die Hausbesucherinnen sind Laienfrauen, die selber aus der Zielgruppe stammen und durch eine Fachperson für diese Arbeit ausgebildet und während der Durchführung gecoacht werden.

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