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Heiss begehrt: Lehrstellen

Vor allem Jugendliche ohne höheren Schulabschluss haben mehr Mühe, eine Lehrstelle zu finden. swissinfo.ch

Die angespannte Lage auf dem Lehrstellenmarkt verlangt von Schulabgängern Geduld, Durchhaltevermögen und Flexibilität.

Ein Augenschein bei Schülerinnen und Schülern einer Abschlussklasse in Altstetten, Stadt Zürich.

Der Frühling hat begonnen und zeigt sich von der besten Seite. Auf dem Pausenplatz des Schulhauses Kappeli in der Stadt Zürich weht die Schweizerfahne.

Der Autobahnanschluss nach Bern, Basel ist nah, Industriekomplexe und Wohnblöcke sind eng beieinander.

Der Ernst des Lebens

Drinnen schreiben Schülerinnen und Schüler der 3. Sekundarschule B (Real) ein Diktat. Abschreiben ist nicht möglich, aufgestellte Ordner verhindern den Blick zum Nachbarn.

Noch bis Juli 2003 gehen die 19 Schülerinnen und Schülerin aus acht Nationen ins Kappeli. Nachher beginnt der viel zitierte Ernst des Lebens. Für viele hat er indessen bereits begonnen: auf der Suche nach einem Traumjob, einer Lehrstelle.

Schülerinnen und Schüler, die keine Matura, keinen guten Sekundarschule A- (Sekundar) Abschluss haben, bekommen die aktuelle Wirtschaftslage, die Reform in der Kaufmännischen Ausbildung und die immer höher werdenden Ansprüche besonders zu spüren.

Begleitung ist wichtig

«Je tiefer die Schulbildung, desto schwieriger ist es, eine Lehrstelle zu finden und desto wichtiger wird die Begleitung der Schüler bei der Suche», betont Roman Bächtiger, Klassenlehrer der 3. Sekundarschule B. Und die beginnt bereits anfangs der zweiten Oberstufe.

Es gilt den Wünschen und Neigungen Raum zu geben, Möglichkeiten abzuchecken und seine eigene Situation einschätzen zu lernen. Keine einfache Angelegenheit, wenn man erst 14 Jahre alt ist und oftmals lieber den Tagträumen nachlebt.

So erstellt Bächtiger mit seinen Schülern ein Berufswahl- und Bewerbungsheft, ackert ganze Berufswahlordner durch, ergänzt und erstellt Unterlagen, motiviert und überprüft und ist auch Ansprechpartner für die Eltern.

Am Ende verfügen alle Jugendlichen über ein Bewerbungsdossier, haben zwei Mal in einer Schnupperlehre Arbeitsluft gerochen und bestenfalls eine Lehrstelle. Bestenfalls.

Aufwändige Lehrstellensuche

Iago Gonzales ist einer der glücklichen. «Ich fand es einfach, eine Lehrstelle zu finden. Ich schnupperte zuerst, machte dann die Aufnahmeprüfung und erhielt die Lehrstelle als Automonteur.»

«Eine gute Prüfung, mit hoher Punktzahl», wie Lehrer Bächtiger ergänzt.

Ebenfalls erfolgreich, wenn auch einiges anstrengender, war die Suche von Jenifer Yanez. Sie schrieb 25 Bewerbungen, bis sie ihre Traumstelle als Dentalassistentin fand.

Für Sanel Sabani aus dem Kosovo sieht die Situation nicht so rosig aus: Bisher hat er 45 Bewerbungen für verschiedene Berufe geschrieben und oft nicht mal eine Antwort erhalten.

Autospengler, Polymechaniker, Montageelektriker, Kaufmännischer Angestellter, bis jetzt ist Sanel nirgends untergekommen. Er hat sich nun für das 10. Schuljahr angemeldet und hofft weiterhin.

Handicap Noten

Das 10. Schuljahr ist überhaupt für etliche Jugendliche die beste Lösung. Denn wer heutzutage «bloss» einen Sekundarschule B, also Realabschluss, mitbringt, dazu schlechte Noten und einen ausländisch klingenden Namen hat, tut gut daran, wenigstens sein Notenhandicap auszubessern.

Stichwort Nationalität: Ein Schüler berichtet von einer Firma, die ausdrücklich einen Schweizer Lehrling suchte, andere sagen, dass sie sich nie vorstellen können.

Ob dass an ihren ausländischen Namen liegt, ist nicht bewiesen. Auffällig ist jedoch, dass Jugendliche aus Ex-Jugoslawien häufig einen längeren Atem für die Lehrstellensuche brauchen.

Laut einer Befragung des Laufbahnzentrums der Stadt Zürich (Schulabgänger August 2002 ohne Anschlusslösung) waren beinahe die Hälfte der Betroffenen (47,7%) Schweizerbürger und Schweizerbürgerinnen.

Verschärfte Situation

Konkret waren im Januar 03 in der Stadt Zürich 1150 Jugendliche auf Lehrstellensuche. Im Lehrstellennachweis waren zum gleichen Zeitpunkt 800 Stellen gemeldet.

Rechnet man diejenigen aus dem Vorjahr dazu, kann davon ausgegangen werden, dass sich die Situation nochmals verschärfen wird.

Brückenangebote

Im Kanton Zürich, wie auch in andern Deutschschweizer Kantonen, werden Aufrufe an Betriebe gestartet, (wieder) vermehrt Lehrlinge auszubilden.

Die Kantone sollen genügend Brückenangebote anbieten und mehr Geld zur Verhinderung von Jugendarbeitslosigkeit zur Verfügung stellen.

Je nach politischer Couleur beurteilen Politiker und Gewerkschafter die Lage für Schulabgänger als dramatisch bis knapp akzeptabel.

Einig sind sich alle, dass für jeden Jugendlichen unbedingt das Recht auf eine berufliche Ausbildung gilt. Bloss über das Wie und die Kosten gehen die Meinungen weit auseinander.

Lehrstelleninitiative vors Volk

Am 18. Mai kommt das Volk zum Zug: Dann stimmt der Souverän über die Lehrstellen-Initiative (Lipa) aus den Reihen verschiedener linker Jugendorganisationen ab.

Die Initiative will das Recht der Jugendlichen auf Ausbildung garantieren und dieses in der Bundesverfassung verankern.

Zurück ins Schulhaus Kappeli in Altstetten ins Schulzimmer der 3. Sekundarschule B. Hier sind die meisten der jungen Frauen und Männer (noch) zuversichtlich und realistisch zugleich, was ihre berufliche Zukunft angeht. Aber ohne gewaltige Anstrengung wird keine Lehrstelle gefunden.

Ins Schulzimmer, das einen Hauch Südsee ausstrahlt – das Zimmer ist voller Palmen -, scheint die Sonne. Und die scheint in Altstetten, seiner westlichen Lage wegen, rund drei Minuten länger als in der City.

swissinfo, Brigitta Javurek

Wegen der stockenden Wirtschaftslage fehlen im ganzen Kanton Zürich gegen 1000 Ausbildungsplätze.

Die KV-Reform, die eine Mehrleistung in der Lehrlingsausbildung verlangt, hat viele kleine Betriebe bewogen, keine Lehrlinge mehr einzustellen.

Die Aktion «Mehr Lehrstellen» soll private und öffentliche Arbeitgeber motivieren, zusätzliche Lehrstellen anzubieten. Weiter soll sie das Berufsbildungssystem konjunkturresistenter machen.

18. Mai 2003: Abstimmung über die Lehrstellen-Initiative.

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