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Inklusive Schule: Funktioniert eine Schule für alle?

Schulkiner im Klassenzimmer von hinten aufgenommen.
Inklusive Schule: Funktioniert eine Schule für alle? Keystone/Christian Beutler

Seit Jahren wird in der Schweiz über die inklusive Schule diskutiert. Was halten Sie von diesem Ansatz, bei dem möglichst viele Kinder in Regelklassen inkudiert werden sollen?

Kurz vor den Sommerferien hat die FDP den Politiker:innen Hausaufgaben aufgegeben. In einem neuen Positionspapier schreibt die Partei, dass sich die Schule auf ihre Kernaufgaben – Lesen, Schreiben und Rechnen – konzentrieren solle. Die inklusive Schule erreiche diese Ziele nicht.

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Was ist eine inklusive Schule?

Die inklusive Schule ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Zuge der Bemühungen der Vereinten Nationen für eine bessere Inklusion von Menschen mit Behinderungen entstanden. Ziel ist, einen grossen Teil der Schüler:innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Regelklassen aufzunehmen. Sonderpädagog:innen sind in den Klassen anwesend, um die Schüler:innen zu unterstützen.

 “In unserer Gesellschaft wird Behinderung mit etwas Negativem assoziiert. Sie sollte im Gegenteil als Merkmal betrachtet werden, wie die Augen- oder Haarfarbe”, sagt Marah Rickli gegenüber SWI swissinfo.ch. Die Zürcherin ist Mutter eines neunjährigen Mädchens mit einer Entwicklungsstörung und setzt sich für eine inklusive Schule ein.

Im Gespräch mit SWI swissinfo.ch spricht Marah Rikli über inklusive Schulen, soziale Rollen, Ungerechtigkeit, Vielfalt und Wünsche:

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Schmetterling in einem Klassenzimmer hängend

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“Eine Behinderung ist ein Merkmal wie die Augenfarbe”

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Marah Rikli ist Journalistin, Buchhändlerin, Moderatorin und Mutter eines behinderten Kindes. “Meine Kinder haben mich politisiert”, sagt sie.

Mehr “Eine Behinderung ist ein Merkmal wie die Augenfarbe”

Die inklusive Schule “benachteiligt Kinder mit Lernschwierigkeiten und behindert den Regelunterricht”, sagt andererseits die FDP in ihrem kürzlich verabschiedeten Papier.

Was ist Ihre Meinung zur inklusiven Schule? Diskutieren Sie mit auf “dialog”:

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Starke Spannungen in der Deutschschweiz

Während das Prinzip des inklusiven Unterrichts weitgehend unterstützt wird, unterscheidet sich die Umsetzung von Kanton zu Kanton stark. Besonders in Basel-Stadt regt sich Widerstand. Eine von der Lehrergewerkschaft lancierte Initiative fordert spezielle Auffangklassen für Kinder, die Schwierigkeiten haben, sich in eine Regelklasse zu inkludieren. 

Ein ähnlicher Ansatz wird in Luzern verfolgt. Mit Beginn des neuen Schuljahres im letzten Jahr führte der Kanton vier Sonderklassen ein, die drei Jahre lang versuchsweise geführt werden: für Kinder mit Verhaltensproblemen und Schwierigkeiten bei der sozial-emotionalen Entwicklung, erklärt Martina Krieg, Leiterin der kantonalen Abteilung für Primarschulbildung. Für sie sei dies jedoch kein Bruch mit dem Prinzip der inklusiven Schule.

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Tessin und Wallis als Vorreiter

Für die inklusive Schule wird oft das Tessin als Vorbild angesehen. Dort sei die schulische Inklusion am weitesten, berichtet SWI swissinfo.ch. Der Kanton soll von seiner Nähe zu Italien profitieren, wo Schüler:innen mit Behinderungen seit den 1970er-Jahren in Regelklassen inkludiert werden.

Auch im Wallis scheint die inklusive Schule keine grossen Probleme zu bereiten. Im vergangenen Sommer konnte RTS den Schulbeginn von Audrey in Monthey mitverfolgen. Die 11-Jährige besucht den Regelunterricht mit Unterstützung einer Sonderschullehrerin.

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Auch in der Westschweiz wächst der Unmut

“Man versucht zu inkludieren, wo es möglich ist, aber man kann es nicht in allen Fällen tun. Die Inklusion ist kein Selbstzweck, sondern ein Ziel”, kommentiert der Walliser Staatsrat Christophe Darbellay. Der Vorsteher des Bildungsdepartements stellt fest, dass “wir bei der Individualisierung des Unterrichts sehr weit gegangen sind.”

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Denn auch in der Romandie wächst der Unmut. “Die Unterstützung für die inklusiv ausgerichtete Schule hat nachgelassen”, schrieben die Lehrergewerkschaften der Romandie Ende Mai, gestützt auf eine Umfrage unter mehr als 2500 Lehrkräften. In erster Linie werden der Mangel an Ressourcen und der starke Anstieg der Arbeitsbelastung angeprangert.

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Übertragung aus dem Französischen: Sandro Bucher

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