Kontroverse um Sexualkundeunterricht in der Schweiz: Was muss sich ändern?
An der Frage, was Teil des Sexualkundeunterrichts an Schweizer Schulen sein sollte, scheiden sich die Geister. Während die einen einen biologischen Ansatz bevorzugen, fordern andere eine mehr zeitgemässe Herangehensweise. Was denken Sie? Diskutieren Sie mit auf der SRG-Debattenplattform dialog.
Kürzlich in Pfäffikon im Kanton Zürich: Nach einer Barrage von Beschwerden von konservativen Eltern wird ein homosexueller Lehrer entlassenExterner Link. Der Auslöser für die Empörung: der Sexualkundeunterricht.
Kein Einzelfall, wie sich zeigt. Immer wieder machen Eltern Schlagzeilen, wenn es um den Sexualkundeunterricht geht. So wollen etwa konservative Christ:innen den Begriff Klitoris zensieren, Eltern wollen Sexualkunde gesetzlich verbieten und andere zogen bis vor Bundesgericht, um ihre Kinder vom Sexualunterricht dispensieren zu lassen – vergeblich.
Gleichzeitig fordern andere Kreise eine Verbesserung des Sexualkundeunterrichts in den Schulen. So hat zum Beispiel die Juso Luzern eine Petition für einen «zeitgemässen Sexualkundeunterricht» eingereicht.
Was ist Ihre Meinung zum Sexualkundeunterricht in der Schweiz? Beteiligen Sie sich an der mehrsprachigen Debatte auf der SRG-Diskussionsplattform «dialog«:
Das Redaktionsteam des SRG-Projekts «dialog» hat für Sie Inhalte von SRF, RSI, RTS, RTR und SWI swissinfo.ch zum Thema Sexualkundeunterricht in der Schweiz zusammengetragen und in die vier Landessprachen plus Englisch übersetzt.
Entgegengesetzte Standpunkte
Progressive und konservative Ansichten unterscheiden sich beim Thema Sexualkunde deutlich. «Es wäre toll, wenn alle Jugendliche zu Hause über dieses Thema sprechen könnten. Dies ist aber oft nicht möglich. Deshalb ist Sexualkundeunterricht in der Schule sehr wichtig», sagt Zoé Stehlin (SP) gegenüber RTS. Ihrer Meinung nach sollte der Sexualkundeunterricht positiver und inklusiver sein sowie verschiedene Geschlechter und Sexualitäten ansprechen.
«Wir haben nichts gegen Sexualkundeunterricht, vor allem in der Oberstufe. Es sollte aber primär um Biologie gehen», sagte Jérôme Schwyzer, Präsident des Vereins Lehrernetzwerk Schweiz, gegenüber RTS. Schüler:innen sollten einfach Kind sein dürfen und nicht mit einer «abgehobenen Ideologie» belästigt werden, findet Schwyzer. Der Verein kommt aus der Bewegung von Covid-Massnahmenkritiker:innen.
Ein Schultagebuch sorgt für Unmut
Die diesjährige Ausgabe eines Schülerkalenders mit einer Doppelseite zum Thema Geschlechtsidentität hat im Tessin für Aufsehen gesorgt. Aufgrund der entstandenen Diskussion sprach RSI mit Cristiano Corsini, Pädagoge und Professor an der Universität Rom III, über das Thema Geschlechtsidentitäten an Schulen. Er verstehe die Angst der Eltern, sagt Corsini, doch diese Themen würden im Leben junger Menschen zur Sprache kommen «und deshalb ist es vielleicht besser, in der Schule darüber zu sprechen als auf der Strasse.»
Auf die Frage nach dem geeigneten Alter für die Thematisierung von Geschlechtsidentitäten – im Tessin wird der Schülerkalender ab der fünften Klasse verteilt – sagt Corsini, dass Gender-Themen bereits in der Primarschule präsent sind. «Eigentlich sind sie bereits im Vorschulalter vorhanden. Es ist also nicht zu früh, sich bewusst mit ihnen auseinanderzusetzen.»
«Tabus interessieren uns nicht»
Da alle zu wissen scheinen, was für ihre Kinder das Beste ist, hat SRF sich an diejenigen gewandt, die ihren Sexualkundeunterricht noch am meisten präsent haben: junge Menschen selbst. Sofia (25), Vera (23) und Laura (22) sind Teil des Jugendnetzwerks von Sexuelle Gesundheit Schweiz und klären selbst junge Menschen auf. Sie kritisieren, dass sich bis heute gewisse Tabus hartnäckig halten, und wünschen sich mehr Platz für zum Beispiel queere Themen in der Sexualkunde.
Wie stehen Sie ganz grundsätzlich zu Fragen rund um das Thema? In unserem Frage-Tool können Sie sich vergleichen – mit Menschen in der Schweiz sowie mit Schweizer:innen im Ausland.
Übertragung aus dem Englischen: Matthias Hug (SRF)
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