Modell F fördert Frauenkarrieren
In der Schweiz sind Managerinnen rar. Ein Grund: Nur etwa 5% aller Frauen im erwerbsfähigen Alter verfügen über eine höhere Berufsausbildung.
Mit einem neuen Modell wird die Weiterbildung flexibler gestaltet. Aus der Frage Kind oder Karriere soll Kind und Karriere werden.
In der Schweiz basiert die nicht-universitäre Berufsausbildung auf dem dualen System: Die Praxis im Lehrbetrieb, die Theorie in der Berufsschule. Die Berufsausbildung erfolgt kontinuierlich. Ein Unterbruch würde auch Lehrabbruch bedeuten.
Dieses System wird weitgehend auch in der höheren beruflichen Weiterbildung fortgeführt. Was dazu führt, dass vor allem Frauen von der Karriereleiter fallen, denn eine berufliche Weiterbildung – und damit der Erwerb von zusätzlichen Qualifikationen und Diplomen – ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Karriere.
Verzicht auf Kinder
Generell, so die Erwachsenenbildnerin Rebekka Risi gegenüber swissinfo, fehlten deshalb Frauen in den mittleren und hohen Kadern der Schweizer Wirtschaft fast gänzlich.
Dies lasse die Schweiz im internationalen Vergleich schlecht aussehen. 90% würden zwar eine Erstausbildung erfolgreich abschliessen. Den Abschluss einer höheren Berufsbildung oder Fachhochschule besitzen noch 5%.
Rebekka Risi: «Die jungen Frauen in der Schweiz sind sich dieser Situation bewusst und verzichten zunehmend auf Kinder. Denn diese werden als Handicap für die berufliche Laufbahn gesehen, und das für rund 15 Jahre.»
Abhilfe schaffen
Für die Schweizer Frauenorganisationen ist deshalb seit langer Zeit klar, dass die Weiterbildung in der Schweiz flexibler gestaltet werden muss, damit sie in eine Familienplanung einbezogen werden kann.
«Mit dem Modell F wird es nun in der Schweiz endlich für alle Menschen mit Betreuungsaufgaben möglich, die berufliche Weiterbildung mit ihrer Lebensituation zu vereinbaren», sagt Risi.
Konkret gibt es ab August 2005 Weiterbildungs-Lehrgänge, die in flexibler und standardisierter Form angeboten werden. Ein Lehrgang kann jederzeit unterbrochen und später wieder aufgenommen werden und führt so etappenweise zu Diplomen oder anderen Fachausweisen.
Auch für Männer
Mit dem Modell F soll Kind und Karriere möglich sein. Mehr Frauen und Männer mit Betreuungsaufgaben wäre es damit möglich, sich beruflich weiterzubilden.
Das Modell fusst nicht auf einem neuen Gesetz. Es ist ein Leitfaden für Schulleitungen, ihre Angebote flexibel zu gestalten.
Für Rebekka Risi ist es auch ein Marketinginstrument für die Schulen, um das «Kundensegment Frau» vermehrt anzusprechen.
«Die Anbieter von Weiterbildung sollen bedenken, dass heute nur 5% der Frauen sich weiterbilden. 95% sind demnach potentielle Kundinnen», sagt Risi.
Interessant sei eine flexible Weiterbildung auch für junge Menschen mit berufsbedingten Auslandaufenthalten und Armee-Einsätzen, für Sportlerinnen und Sportler mit Trainings- und Wettkampfphasen. Die Perspektiven dieser Menschen seien nämlich auf dem Arbeitsmarkt schlecht.
Initiative kam von den Banken
Zwar wird Modell F von alliance F – dem Bund der Schweizer Frauenorganisationen – lanciert, der Anstoss dazu kam jedoch von den Banken und Versicherungen.
Ihnen macht die Tatsache, dass nun die geburtenschwachen Jahrgänge in die Volksschule kommen Kopfzerbrechen. Längerfristig fürchten sie, könnten Kaderpositionen nicht mehr besetzt werden, wenn nicht vermehrt Frauen gefördert werden.
Deshalb sagt Rebekka Risi, habe vor allem die Kaufmännische Branche das Modell F bereits zu Teilen umgesetzt. Die KV Zürich Business School, die Höhere Fachschule für Tourismus Samedan und die Fachhochschule Nordwestschweiz im Aargau (dort gibt es gar eine Kinderkrippe) starten ab August 2005 mit den ersten Lehrgängen nach Modell F.
In einer zweiten Phase werden die Branchen Gastronomie und Gartenbau dazu stossen. Ziel ist, dass die gesamte Berufsbildung in der Schweiz nachzieht. Die Bestrebungen werden unterstützt vom Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BTT).
Universitäten fehlen
Auch die Schweizer Universitäten kennen das Problem, dass nur wenige Frauen ihre Studien weiterziehen, doch ist hier das BTT nicht zuständig. Die Unis sind auch nicht dem neuen (Januar 2004) Berufsbildungsgesetz unterstellt.
Dieses Gesetz schaffe die rechtliche Grundlage und die Rahmenbedingungen für das Modell F erst. Bei den Universitäten fehle dieser gesetzliche Rahmen, sagt Rebekka Risi.
Anfragen seitens der Universitäten seien zwar da, jedoch würden diese noch abwarten. Nach einigen Jahren sollen die Erfahrungen von Modell F in einem Leitfaden veröffentlicht werden, der dann auch den Universitäten zur Verfügung gestellt werde.
swissinfo, Urs Maurer
Das Modell F will insbesondere den Frauen eine berufliche Weiterbildung und höherere Fachabschlüsse ermöglichen.
Die Angebote werden neu in herkömmlicher und flexibler Form angeboten.
Weiterbildung kann somit unterbrochen werden.
Ab August 2005 startet die kaufmännische und touristische Branche mit dem Modell.
Die gesamte Weiterbildung soll in naher Zukunft flexibilisiert werden.
Federführend ist die «alliance F».
2003 wurden rund 170’000 Lehrverträge abgeschlossen
davon Männer: 60%
In der Verwaltung: 34’000 Verträge
65% Frauen
Total Berufsmatur 2003: 9027
davon 60% Männer
Berufsmatur in Verwaltung: 4852
davon 57% Frauen
Berufsmatur technische Richtungen: 3291
davon 88% Männer.
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch