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Nicht nur Schulbankdrücken führt zum Erfolg

Zur Zeit haben bereits rund 18% der Lehrabschliessenden auch eine Berufsmaturität im Sack. Keystone

Berufslehre inklusive Berufsmatura: In den letzten zehn Jahren sicherte eine rasch steigende Zahl junger Menschen ihre berufliche Zukunft doppelt ab.

Der Erfolg der Berufsmatura bringt die Fachhochschulen ins Schleudern. Die nächsten Jahre muss der Gürtel enger geschnallt werden.

Bildung ist ein kostbares Gut und der einzige Rohstoff, über den die Schweiz verfügt. Der Anteil junger Menschen, die ihre Schulzeit mit einer Matura abschliessen, einer so genannten Reifeprüfung, vergrösserte sich in den vergangenen Jahren deutlich.

1994 beschloss der Bundesrat, zusätzlich eine Berufsmatura einzuführen. Seither steht der Weg für Absolventinnen und Absolventen einer Berufslehre offen, mit der Berufsmatura an einer Fachhochschule zu studieren.

Die Schweiz scheint sich auf einem guten Weg zu befinden. Die meisten Matura-Abschlüsse werden an den Mittelschulen gemacht. Weshalb braucht es da noch eine Berufsmatura?

Notwendige Ergänzung

Die Berufsmatura wurde in den 90er Jahren geschaffen, als die Berufsbildung in einer Krise steckte und die Anzahl der Maturanden in allen Kantonen stieg.

Man suchte daher damals einen Ausweg aus diesem Dilemma. Aldo Widmer, Generalsekretär der Eidgenössischen Berufsmaturitäts-Kommission, sagt dazu gegenüber swissinfo: «Man wollte die Berufsbildung wieder attraktiver machen – auch für junge Menschen, die motiviert und in der Lage sind, mehr leisten zu wollen und zu können, als in einer Berufsschule verlangt wird.»

Ein Motivationsschub erschien auch dringend nötig: Die in den späten 60er Jahren entstandenen Berufsmittelschulen vermittelten Berufsschülerinnen und –schülern ein zusätzliches Wissenspaket, das mit einem schuleigenen Abschlusszeugnis bestätigt wurde. Für die Auszubildenden ergaben sich daraus jedoch keine sichtbaren Vorteile.

Zweites Hochschulsystem

Die Zubringerstufe zu den Fachhochschulen ist die klassische Berufsbildung. Die Berufsmaturität wurde als Zulassungsbedingung zu den Fachhochschulen konzipiert.

Das System hat sich bewährt. Der Bundesrat hatte 1994, bei der Einführung der Berufsmaturität, geschätzt, dass 10% der Berufschul-Absolventen eine Berufsmatura machen werden.

1994 wurden 241 Berufsmaturitäts-Zeugnisse abgegeben. 2003 wurden gesamtschweizerisch bereits 9011 Zeugnisse ausgestellt. Dies entspricht einem Anteil von 17,8% der Lehrabschlüsse. Die ursprüngliche Zielsetzung des Bundesrates wurde also bereits weit übertroffen.

10% eines Jahrgangs machen eine Berufsmatura, 18% eine gymnasiale Matura. Damit befindet sich die Schweiz in einem Bereich, in dem auch andere europäische Länder liegen.

Berufsmaturität und Föderalismus

Für Aldo Widmer schliessen sich die Berufsmaturität und die unterschiedlichen Bildungssysteme in den Kantonen nicht aus. Der Bund erlässt die Rahmenbestimmungen: Eine Verordnung und Rahmenlehrpläne. «Der Vollzug liegt bei den Kantonen. Die Eidgenössische Berufsmaturitätskommission hat den Auftrag, auf eine einheitliche Anwendung dieser Bundesvorschriften zu achten.»

Für Widmer bedeutet die Berufsmatura kurz: «Der Inhaber hat so viel Allgemeinbildung genossen und eine Berufslehre absolviert, dass er oder sie fähig ist, an einer Fachhochschule weiter zu lernen.»

Dies sei bei der gymnasialen Maturität dasselbe. Auch sie bescheinige lediglich die Studierfähigkeit an einer universitären Hochschule.

Zudem entspricht die Berufsmaturität einem Bedürfnis der Wirtschaft. Dies zeigt sich dadurch, dass viele Absolventen der Fachhochschulen sofort Stellen finden. Aldo Widmer: «Die Berufsmaturanden haben eine Doppelqualifikation, schon bevor sie an die Fachhochschule gehen: Sie sind einerseits qualifizierte Berufsleute und haben ein Freibillet für eine Fachhochschule in der Tasche.»

Gleichlange Spiesse für Uni und Fachhochschule

Die Pforten zwischen den Fachhochschulen und den Universitäten sollen mit Hilfe einer Passerelle durchlässiger werden.

Für Aldo Widmer ist dies die konsequente Weiterführung der auf der Berufsmaturität fussenden Idee: «Bei der Berufsmaturität wurde die Berufsbildung aus einer Art Sackgassensituation herausgeholt. Wer sich mit 16 für eine Berufslehre entscheidet, kann gleichzeitig oder anschliessend die Berufsmaturität machen und hat damit Zugang zur Weiterausbildung auf der Tertiärstufe.»

Die Fachhochschulen schweben nun aber in der Gefahr, wieder zu einer Sackgasse zu werden, da die Berufsmaturität bis heute nur den Zugang zu einer Fachhochschule gewährt.

Dies will man verhindern: Die Passerelle besteht aus einer Ergänzungsprüfung, die ab 2005 eingeführt wird. Damit erhalten Berufsmaturandinnen und -maturanden uneingeschränkten Zugang zu den universitären Hochschulen. Der Berufsmatura-Abschluss mit Ergänzungsprüfung wäre somit der gymnasialen Maturität gleichgestellt.

Seit Inkrafttreten des Fachhochschulgesetzes gibt es bereits die umgekehrte Passerelle. Wer nach einer gymnasialen Matur lieber an einer Fachhochschule studieren möchte, kann in einem einjährigen Praktikum nachholen, was andere in der Berufsausbildung gelernt haben.

Viele junge Menschen, die durchaus fähig wären, ein Gymnasium zu besuchen, möchten nicht nur zur Schule gehen. Praxis-Erfahrungen sind ihnen ebenso wichtig. «Und das sind natürlich auch bei den Lehrbetrieben gefragte Leute», ist Aldo Widmer überzeugt.

swissinfo, Etienne Strebel

Die Berufsmaturität ist eine vertiefte und erweiterte Allgemeinbildung. Sie ergänzt die berufliche Grundbildung. Ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis in einem Lehrberuf ist ein Bestandteil des Berufsmaturitäts-Abschlusses.

Der Berufsmaturitäts-Unterricht umfasst mindestens 1440 Lektionen.

Abgegebene Berufsmatura-Zeugnisse:
1994: 241
1996: 2280
2000: 6478
2002: 8185
2003: 9011

Mit einer Berufsmatura in der Tasche kann jedermann an jeder schweizerischen Fachhochschule ein Studium beginnen.

Die Berufsmatur kann parallel zu einer Berufslehre oder danach, in einem Spezialkurs, erlangt werden.

Heute werden 340 Ausbildungslehrgänge in 200 Schulen angeboten.

Mit einer zusätzlichen Ergänzungsprüfung ist ab 2005 mit der Berufsmatur auch ein Universitäts-Studium möglich.

Die Eidgenössische Berufsmaturitäts-Kommission hat den Auftrag, die Schulen durch das Anerkennungsverfahren zu begleiten. Jede Schule, die einen Berufsmatura-Lehrgang anbieten will, muss sich einem Anerkennungsverfahren unterziehen.

Die Kommission überprüft die Qualifikation der Lehrkräfte bis zur Schulorganisation. Auch die Abschlussprüfungen werden überprüft, ob sie den eidgenössischen Vorgaben entsprechen.

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