Nichtrauchende Schulen auf Klassenfahrt
Hundert Schulklassen aus der ganzen Schweiz gehören zu den Gewinnerinnen des Wettbewerbes "Experiment Nichtrauchen". Sie erhielten einen Reisegutschein.
Fast 3500 Klassen der Volksschule nahmen am Wettbewerb teil. Niemand in der Klasse durfte vom 7. November 2005 bis 7. Mai 2006 rauchen.
Dieser Wettbewerb für Schulklassen, welche ein halbes Jahr «clean» sein müssen, ist zwar keine Schweizer Erfindung, aber auch hier eine erfolgreiche Kampagne gegen das Rauchen in jungen Jahren.
Die «rauchfreie Klasse» wurde 1989 in Finnland erfunden. Dort wurde die Kampagne auch ausgewertet und zeigte, dass ein Ziel erreicht wurde: den Einstieg ins regelmässige Rauchen zu verhindern oder wenigstens hinauszuzögern.
«Wer bis zum 19. Altersjahr nicht raucht, hat grosse Chancen, später auch nicht zu rauchen», sagt Karin Erb, Projektmanagerin der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention gegenüber swissinfo. Und je früher jemand mit Rauchen beginne, desto härter sei es, später damit wieder aufzuhören.
Seit Herbst 2000
Der Wettbewerb «Experiment Nichtrauchen» wurde in der Schweiz im Schuljahr 2000/01 erstmals angeboten und geht nun in seine sechste Saison. Am Wettbewerb haben diesmal fast 3500 Klassen teilgenommen.
Eine der hundert Klassen, die gewonnen haben, und demnächst, dank 500 Franken-Reisegutschein, auf Klassenfahrt gehen, ist die 7. Klasse im Schulhaus Reussbühl in Luzern.
«Die Schülerinnen und Schüler waren sofort dabei, als ich vorschlug, beim Nichtraucher-Wettbewerb mitzumachen», sagte Klassenlehrer Roger Stutz gegenüber swissinfo.
Seine 13- und 14-jährigen Schülerinnen und Schüler mussten sich zu absoluten Nichtrauchern für ein halbes Jahr erklären. «Wobei ich nicht weiss, wer überhaupt bereits geraucht hat und wer nicht», so Stutz. «Wichtig war und ist mir, dass sie erst gar nicht damit beginnen oder wieder aufhören».
Deshalb hat Stutz es nicht mit der Teilnahme bewenden lassen, sondern mit der Klasse auch über die Problematik rund um das Rauchen gesprochen.
«Das tun die meisten Lehrer, welche ihre Klassen anmelden», erklärte Karin Erb von der Tabakprävention. Die Arbeitgemeinschaft stellt deshalb den Lehrkräften Unterlagen zur Tabakprävention zur Verfügung.
Keine Tests mehr
Nun ist es noch keine grosse Leistung, sich für ein halbes Jahr zum absoluten Nichtraucher zu erklären, wenn keine Kontrolle stattfindet.
«Früher haben wir Stichproben bei den Schulen gemacht und den Speichel der Schülerinnen und Schüler getestet. Die Resultate waren jedoch wenig aussagekräftig», sagte Erb. «Deshalb lassen wir das heute sein.»
Dafür müssen die Lehrer zwei Mal in den sechs Monaten ein «Ehrlichkeitsformular» einsenden. Da müssen sich diejenigen «outen», – wenn es denn solche hat – die gegen die Nichtraucherregel verstossen haben. «Das ist auch Lebenskunde», betonte Roger Stutz. «Ehrlichkeit gehört zum Leben».
Zweiter Anlauf möglich
So ist also die Meldung über die Wiederaufnahme des Rauchens Ehrensache. Wie aber geht die Klasse mit ehrlichen Mitschülerinnen und -schülern um, die mit ihrem Verhalten die erfolgreiche Teilnahme am Nichtraucher-Wettbewerb verhindert haben?
«Angesichts des hohen Abhängigkeitspotentials der psychoaktiven Substanz Nikotin in den Glimmstängeln wäre die Ausgrenzung eines Schülers oder einer Schülerin, die rückfällig geworden sind, fatal», sagt Karin Erb.
Befragungen dazu haben ergeben, dass – mit Unterstützung der Lehrkräfte – durch die Rückfälle kaum Problem innerhalb der Schulklasse entstanden sind. Die rückfälligen Personen wurden von den Mitschülern in der Regel motiviert, den Ausstieg doch noch anzupacken.
Die Arbeitsgemeinschaft für Tabakprävention empfiehlt als Kompensation, dass
Schulen, Gemeinden, Vereine, Firmen oder Kantone motivierende Anerkennungspreise aussetzten für diejenigen Klassen, die im zweiten Anlauf die Bedingungen der «rauchfreien Klasse» doch noch erfüllen, aber aus dem Wettbewerb ausgeschieden sind.
swissinfo, Urs Maurer
Ziele beim «Experiment Nichtrauchen»:
Die Verantwortlichen hoffen, dass alle Schülerinnen und Schüler der teilnehmenden Klassen lebenslang vom Rauchen Abstand nehmen.
Auch schon das Erlebnis, als Nichtraucher in der Klasse akzeptiert zu sein oder zur Mehrheit zu gehören, kann zu bleibendem Nichtrauchen führen.
Wiederholtes Sprechen in der Schule über die Thematik Rauchen fördert das Bewusstsein, dass Rauchen die Gesundheit gefährdet.
Wer auf den Wettbewerb hin zu rauchen aufgehört hat, bleibt vermutlich dabei.
Wissenstransfer und Schneeballeffekt zu Familie und Freundeskreis wirken positiv.
Anteil der 11- bis 16-Jährigen in der Schweiz, die mindestens 1 Mal pro Tag rauchen:
11-12 Jahre: 2% / 1% (Knaben/Mädchen)
13-14 Jahre: 7% / 4%
15-16 Jahre: 19% / 18%
Quelle: Schweizerische Schülerbefragung, SFA (2002)
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch