Schuljahr 2005/2006 beginnt mit Neuerungen
Der Beginn des neuen Schuljahres in der Schweiz ist durch einige Neuordnungen geprägt. Zudem gibt es Bemühungen für eine bessere Harmonisierung.
Zu den Neuerungen gehören: Die neue deutsche Rechtschreibung, ein für die ganze Romandie gültiges Mathematikbuch und Englisch als erste Fremdsprache in einigen Kantonen.
In 15 Schweizer Kantonen beginnt am Montag das neue Schuljahr. Die Einführung der neuen deutschen Rechtschreibung bringt den Deutschschweizer Kantonen, mit Ausnahme des Kantons Bern, formell eine Neuerung.
Nach der siebenjährigen Übergangsfrist ist die neue Regelung seit dem 1. August verbindlich. Nur noch wenige strittige Schreibweisen werden im Unterricht nicht als Fehler angerechnet.
Für Lehrerschaft und Schulkinder ändert sich jedoch laut Anton Strittmatter, Leiter der Pädagogischen Arbeitsstelle des Dachverbands Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH), nicht viel: «Die Einführung der neuen Rechtschreibung ist schon lange erfolgt. Nur die Toleranzen verschwinden.»
Kanton Bern im Alleingang
Einzig im Kanton Bern beschlossen die Behörden eine Aufschiebung der definitiven Regelung. Sie sei «nicht praxistauglich» und schaffe weitere Verunsicherung bei Lehrerschaft und Schülern, sagte Johannes Kipfer, Vorsteher der Abteilung Volkschule in der bernischen Erziehungsdirektion.
«Wir finden das Ausscheren des Kantons Bern nicht gut, es macht die ganze Reform wieder ein bisschen komplizierter», sagt LCH-Präsident Beat W. Zemp. «Es ist für Schülerinnen und Schüler nicht hilfreich, wenn es unterschiedliche Rechtschreibregeln innerhalb und ausserhalb der Schule gibt.»
Stadt Zürich beginnt mit Frühenglisch
Nicht nur die neue deutsche Rechtschreibung, auch die Einführung einer Fremdsprache auf der Primarstufe sorgte in letzter Zeit für Gesprächsstoff. Im Kanton Zürich starten dieses Schuljahr rund 100 Gemeinden mit Frühenglisch, darunter die Stadt Zürich.
Bereits letztes Jahr wurde Englisch in 16 Zürcher Gemeinden ab der 2. Primarklasse unterrichtet. Die ersten Rückmeldungen seien positiv, sagte Ruedi Gysi, Sektionsleiter Unterricht im Kanton Zürich.
Ebenfalls mit Frühenglisch begonnen wird im neuen Schuljahr in fünf Zentralschweizer Kantonen, die den Unterricht in einer Woche wieder aufnehmen. In Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug wird an allen 3. Klassen Englisch unterrichtet.
Pisa deckt Chancenungleichheit auf
Die im vergangenen Mai publizierten kantonalen Ergebnisse der Pisa-Studie sorgten in den Kantonen für Veränderungen. «In der Folge von Pisa ist endlich die stossende Chancenungleichheit für grosse Gruppen von Schulkindern ins öffentliche Bewusstsein gerückt», sagt Strittmatter. Bereits nach Bekanntgabe der Ergebnisse kündigten einige Kantone Massnahmen an.
So beginnt in diesem Schuljahr der Kanton Aargau zum Niveauvergleich aller 5. Primarklassen mit dem jährlichen Leistungstest «Check 5». Als erste kurzfristige Massnahme wurde im Aargau Deutsch in allen Schulen als Standardsprache vorgeschrieben.
Auch im Kanton St. Gallen hatte man im Mai Handlungsbedarf im Lesen geortet. Dort gelten für das neue Schuljahr offizielle Weisungen zum vermehrten Gebrauch der Muttersprache.
Kein Lehrermangel
Der Markt für Lehrerstellen hat sich entkrampft. Eine angespannte Stellenlage herrscht nur noch bei den Realschulen sowie in naturwissenschaftlichen Fächern auf der Sekundarstufe II (nachobligatorische Schulstufe).
26 Kantone – 26 verschiedene Schulsysteme
In mehreren Projekte im ganzen Land wird versucht, die kantonalen Unterschiede im obligatorischen Schulunterricht zu verringern. Die Westschweizer Kantone kommen am besten voran.
In der Westschweiz soll der Unterricht schon bald in allen Kantonen nach den selben Grundsätzen erfolgen. Ratifizieren die Kantonsparlamente 2008 das Vorhaben der Westschweizer Erziehungsdirektoren, könnte das Projekt 2011 realisiert werden.
Basis für die Harmonisierung in der Westschweiz bildet der neue Rahmenlehrplan PECARO. Trotz der weiterhin bestehenden kantonalen Unterschiede wird mit PECARO (plan d’etudes cadre romand)versucht, eine Reihe von gemeinsamen Eckwerten zu finden. Dazu gehört auch die Einführung eines gemeinsamen, einheitlichen Mathematikbuchs für die ganze Westschweiz.
Weiter wird die obligatorische Schulzeit in einheitliche Lernzyklen von jeweils drei bis vier Jahren eingeteilt.
Deutschschweiz hinkt hintendrein
Auch die Nordwestschweizer Kantone (BS, BL, SO, AG) haben einen Schritt in Richtung Vereinheitlichung ihrer Schulsysteme gemacht. Die vier kantonalen Erziehungsdirektoren unterzeichneten eine gemeinsame Absichtserklärung; ihre Bestrebungen sollen zur gesamtschweizerischen Schulkoordination passen.
Auf nationaler Ebene arbeitet die Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) derzeit das Projekt HarmoS (Harmonisierung der obligatorischen Schule) aus. Bis 2007 sollen für das ganze Land verbindliche Bildungsstandards für die obligatorische Schule festgelegt werden.
Weiter werden Einschulungsalter oder Dauer der obligatorischen Schulzeit landesweit angepasst. Ausserdem sind in jeder Sprachregion gemeinsame Lehrpläne geplant.
swissinfo und Agenturen
Die Neuheiten des Schuljahres 2005/06:
Ein einheitliches Mathematikbuch für die ganze Westschweiz
Die Einführung der neuen deutschen Rechtschreibung
Die Einführung von Englisch als 1. Fremdsprache vom 3. Schuljahr an in der Zentralschweiz und vom 2. Schuljahr an in einigen Zürcher Gemeinden.
In der Schweiz weisen die Lehrpläne unter den Kantonen grosse Differenzen auf.
In der französischen Schweiz versucht das Projekt PECARO die Lehrpläne zu harmonisieren, indem Programme und gemeinsame Zielsetzungen für jedes Schulfach fixiert werden.
Auf nationalem Niveau ist das Harmonisierungs-Projekt der Eidgenössischen Erziehungsdirektoren-Konferenz (EDK) weniger ehrgeizig und auch weniger weit fortgeschritten. Unter dem Titel HarmoS definiert es nationale Standards für 4 Basisdisziplinen.
Ein neuer Verfassungsartikel zur Koordinierung der Schulsysteme sollte noch diesen Herbst vom eidgenössischen Parlament beraten werden.
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