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Schweizer Velos und Know-how für Ghana

Kurze Verschnaufpause beim Beladen des Containers mit ausgedienten Velos, die nach Ghana verschifft werden. swissinfo.ch

Fünf Wochen lang besuchen drei Velomechaniker aus Ghana in Bern eine Weiterbildung. Die Recyclingwerkstätte "Gump- & Drahtesel" hat sie im Rahmen des Projekts "Velos für Afrika" eingeladen. Neben dem Handwerk steht auch Business auf dem Stundenplan.

Die Velomechaniker, fachmännisch gekleidet in Arbeitsoveralls, schrauben und flicken konzentriert in der Werkstatt an drei alten Fahrrädern herum. Charles Ohemeng wechselt das Bremskabel, Bernardus Tang stellt die Gangschaltung ein, und Jonas Dompreh montiert neue Pedale.

In Ghana, ihrem Heimatland, unterrichten und arbeiten sie an der St. Pauls Technical Schools (SPATS), die seit einem Jahr ein Partner von Velos für Afrika ist. Der Schule werden per Container ausgediente Fahrräder aus der Schweiz geschickt, die in der Werkstätte Gump- & Drahtesel repariert wurden.

Heute wird ein Container beladen, dessen Ziel Ghana ist. Zwar gehen die Velos an einen anderen Partner als die SPATS, doch helfen die drei Gäste trotzdem tatkräftig mit beim Laden.

Matthias Maurer vom Projekt Velos für Afrika erklärt den Weg des Containers: «Mit dem Lastwagen fährt der Container, beladen mit etwa 500 Velos, bis nach Basel. Per Schiff wird er nach Antwerpen transportiert und von dort weiter bis nach Tema, dem Hafen von Accra in Ghana. Bis zur Ankunft vergehen etwa sechs Wochen.»

Die Fahrräder werden in der Werkstatt der SPATS durch die Schüler wieder in Stand gesetzt. Durch den Transport sind die Velos oft wieder reparaturbedürftig. Schliesslich werden sie verkauft, womit sich die Schule ein zusätzliches Einkommen erwirtschaftet.

Gefährlich, aber gesund

«In Ghana fahren die Leute fahren zwar Velo, aber es sind nicht so viele wie in der Schweiz. Hier hat man das Gefühl, alle sind am Velo fahren», sagt Charles Ohemeng, Leiter der Abteilung Velomechanik bei der SPATS. «Deshalb versuchen wir, die Leute mit Aktionen dazu zu animieren.»

Ganz ungefährlich sei das Radfahren jedoch nicht: «Es hat viele Autos in Ghana. Wenn man nicht aufpasst, kommt es nicht gut», sagt Ohemeng. Er ist aber überzeugt, dass man sich mit ein wenig Übung daran gewöhne. «Uns geht es nämlich nicht nur darum, die Velos zu verkaufen, sondern auch darum, die Freude am Fahren zu wecken, was auch für unsere Gesundheit besser ist.»

Nicht nur Technik, sondern auch Business

Auch wenn Radfahren gesund ist, lässt sich damit alleine kein Geschäft machen. Deshalb bilden die Ghanesen hier nicht nur ihr handwerkliches Geschick weiter. An ihrer Schule wird ein «Showroom» aufgebaut, wo sie ihre Fahrräder anpreisen und verkaufen wollen. Damit sie Erfolg haben, lernen sie in der Schweiz die Grundlagen für den Verkauf, Vertrieb und das Marketing ihrer Velos.

Das ist auch eine der Grundideen beim Projekt, wie Matthias Maurer erklärt: «Es geht nicht um humanitäre Hilfe. Wir wollen vielmehr, dass unsere Partner lernen, wirtschaftlich zu denken. Sie sollen zum Beispiel die Kosten und die Preisgestaltung für die Velos berechnen können.»

Eine wichtige Erkenntnis für die Gäste sei gewesen, so Maurer, dass es verschiedene Preisklassen für Fahrräder gebe, je nach Qualität und Ausrüstung.

Während ihrem Aufenthalt in der Schweiz drücken die drei Lehrer nicht nur die Schulbank und reparieren Velos in der Werkstatt. Sie haben auch verschiedene Fahrrad-Geschäft besucht.

«Wir haben gesehen, dass in den Geschäften nicht nur Velos verkauft werden, sondern auch spezielle Kleidung, Helme und vieles mehr», sagt Bernardus Tang. «Für unseren Showroom wollen wir diese Prinzipien übernehmen.»

Die Frau aufs Rad bringen

«Der Verkauf von Velos ist in Ghana ein aufstrebender Markt», sagt Matthias Maurer.

Doch die meisten Fahrräder werden von Männerbeinen getreten, wie Charles Ohemeng erklärt: «Man sieht sehr wenige Frauen auf Velos. Das hat kulturelle Gründe», meint der Lehrer.

Dies will die Schule nun ändern: «Wir versuchen, das Interesse bei den Frauen für das Radfahren zu wecken. Deshalb organisieren wir einen Wettbewerb nur für Frauen. Die Siegerin erhält natürlich ein Fahrrad.»

Die Schule will die Frauen jedoch nicht nur zum Fahren motivieren, sondern auch für eine Ausbildung an ihrer Schule. «Wir wollen sie für die Technik begeistern. In unserer Abteilung hat es bereits zwei Frauen», sagt Ohemeng stolz.

Voiturette für gehbehinderte Personen

Beim Projekt Velos für Afrika geht es allerdings auch um die Entwicklung von neuen Ideen und Spezialprodukten. Eines davon ist die so genannte Voiturette, ein dreirädriges Gefährt für gehbehinderte Personen. Sie können in einem Sitz Platz nehmen und müssen sich nicht auf einen Sattel hieven.

Wie ein herkömmliches Fahrrad wird die Voiturette mittels Kette und Pedalen angetrieben, jedoch nicht mit den Füssen, sondern mit den Händen. Ein Prototyp dieser Voiturette wurde in der Schweiz entwickelt.

«Die Voiturette soll ab 2011 vor Ort produziert werden», erklärt Michel Ducommun vom Projekt Velos für Afrika. «Entweder wird der Ingenieur nach Ghana fahren und zeigen, wie die Voiturette gebaut wird, oder zwei, drei Leute kommen wieder in die Schweiz und lernen es hier.»

Sandra Grizelj, swissinfo.ch

1993 wurde das Projekt Velos für Afrika ins Leben gerufen.

Die Recycling-Werkstätte Gump- & Drahtesel sammelt selbst, aber auch in Zusammenarbeit mit Partnerbetrieben, schweizweit nicht mehr genutzte Velos für den Export. Sie werden wieder in Stand gesetzt und nach Afrika verschifft.

Die Fahrräder werden in der sozialen Institution Gump- & Drahtesel von Erwerbslosen repariert, oder von Personen in sozialer oder gesundheitlicher Notlage.

Das Projekt setzt sich dafür ein, dass in den afrikanischen Partnerländern Lehrwerkstätten, Werkstätten und Produktionsstätten für Fahrräder entstehen.

Die Fahrräder werden nach Ghana, Burkina Faso, Zimbabwe, Eritrea und Gambia geliefert.

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