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«Ökologische Initiativen scheitern oft am Widerstand aus bäuerlichen Kreisen»

Un panneau contre "l'initiative biodiversite" est photographie dans un champ ce lundi 19 aout 2024 a Penthalaz. Le peuple suisse se prononcera le 22 septembre 2024 a l'occasion d'une votation sur l'Initiative populaire "Pour l'avenir de notre nature et de notre paysage (Initiative biodiversite)" dans le but de preserver plus d'espaces pour la nature et d'y consacrer davantage de moyens. (KEYSTONE/Valentin Flauraud)
"Die Kampagne war entscheidend", sagt Urs Bieri zum SIeg der Bauern über die Biodiversitätsinitiative. Keystone / Valentin Flauraud

Was lässt sich aus den Abstimmungsresultaten über die Befindlichkeiten in der Schweiz herauslesen? Eine Einordnung mit Urs Bieri, Politologe bei gfs.bern.

SWI swissinfo.ch: Was sagt das Nein zur Biodiversitätsinitiative über die Macht des Bauernverbands in der Schweiz aus?

Urs Bieri: Der Bauernverband hat eine wirkungsvolle Kampagne gemacht. Das war entscheidend, um das Lager der rechtskonservativen Landschaftsschützer und Heimatschützer gegen die Vorlage zu gewinnen. Entsprechend deutlich fiel das Nein aus.

Die Bedrohung der Biodiversität wird von allen Seiten anerkannt. Aber an der Urne fand diese Vorlage recht wenig Zustimmung. Was war die Schwäche?

Bei Initiativen sind immer zwei Elemente entscheidend. Auf der einen Seite braucht es ein mehrheitsfähiges Problem, das war heute gegeben. Auf der anderen Seite braucht es dann aber auch eine mehrheitsfähige Lösung, diese bot die Initiative nicht. Darum hat man über Schwachstellen diskutiert und darüber, was die negativen Folgen für die Landwirtschaft sind. Diese kritische Sicht auf die Initiative überwog.

Die Biodiversitätsinitiative ist nach der Pestizid-Verbots initiative und der Trinkwasser-Initiative von 2021 nun die dritte Initiative mit ähnlicher Stossrichtung, wurde aber deutlicher abgelehnt als ihre Vorgänger. Sehen Sie einen Trend?

Ja, es ist seit mehreren Jahren schon sichtbar ruhig auf diesem Themenfeld. Die letzte grosse ökologische Initiative, die durchkam, war die Zweitwohnungsinitiative. Alles Nachfolgende wurden abgelehnt. Oft scheiterten sie tatsächlich am Widerstand aus bäuerlichen Kreisen. Die Zweitwohnungsinitiative konnte damals wesentlich auf die Zustimmung von rechtskonservativen Kreisen zählen. Diese fehlte bei ähnlichen Anliegen.

Bald kommt eine nächste Initiative dazu, jene für eine sichere Ernährung, welche die nachhaltige inländische Produktion stärken will. Kann sie Lehren aus den bisherigen Niederlagen ziehen, und welche wären es?

Urs Bieri
Urs Bieri, Co-Leiter von gfs.bern. zvg

Ökologischen Initiativen muss es gelingen, aus dem linksgrünen Lager auszubrechen und weit in die Mitte oder bis nach rechts zu wirken. Wenn dieser Initiative das gelingt, hat sie eine Chance. Sonst wird auch sie an der Diskrepanz zwischen städtischem Ja und ländlichem Nein scheitern.

War es eigentlich ein intensiver Urnengang, oder eher ein durchschnittlicher?

Der Abstimmungskampf war relativ intensiv. Wir haben einmal mehr eine intensive, auch sehr konfliktreiche Diskussion geführt. Der Urnengang selbst war aber durchschnittlich. Es gab keine Protestvotum-Bewegung, wie wir sie beispielsweise bei der Abstimmung zur 13. AHV-Rente hatten.

Die BVG-Reform kassierte für eine Behördenvorlage dennoch ein überdeutliches Nein. Lag es an der Konzeption?  Hätte das Parlament dies verhindern können?

Das Parlament hatte zwar versucht einen Kompromiss zu zimmern, der aber in sich schon zu wenig Zustimmung fand. Letztlich fehlte es aber an einem mehrheitsfähigen Problem. Während der Abstimmungskampagne wuchsen Kritik, Misstrauen und Verunsicherung gegenüber den Behörden, weil der Bund just in dieser Phase einen Fehler in den Berechnungen seiner AHV-Prognose zugeben musste. Plötzlich war unklar, ob wir überhaupt ein Finanzierungsproblem bei den Renten haben.

Wie viele Prozent hat dieser AHV-Verrechner an der Urne gekostet?

Unsere erste Umfrage entstand vor der Kommunikation dieses Fehlers, eine andere unmittelbar danach: Die Zahlen unterscheiden sich stark, um rund 10 Prozent. Wir führen einen wesentlichen Teil davon auf diesen Verrechner zurück.

Für die Gewerkschaften schien es ein leichtes Spiel, die Reform zu bodigen. War die Vorlage so schwach oder waren die Argumente der Gegner so gut?

Tatsächlich gelang es den Gewerkschaften, einen Diskurs mitzunehmen, der seit über einem Jahr läuft und im Umfeld der Wahlen 2023 begonnen hat. Wir haben in der Schweiz die Lebenshaltungskosten diskutiert und über Kaufkraftverluste geredet. Wir haben diskutiert, dass es in der Schweiz schwierig ist, Krankenkassenprämien oder Lebensmittel zu bezahlen.

Dieser Diskurs lebt fort. Er fand einen Höhepunkt bei der Abstimmung zur 13. AHV-Rente im März. Die Gewerkschaften trugen ihn nun bis in die Gegenwart. Das Nein zur BVG-Reform ist also auch die Folge einer sehr guten Kampagne aus linksgewerkschaftlichen Kreisen. Sie konnte bis weit ins rechtskonservative Lager hinein Ablehnung generieren.

An welche Behördenvorlage erinnert Sie diese Abstimmung?

Bezeichnenderweise stimmten wir bereits 2010 über den Umwandlungssatz der zweiten Säule ab, mit einer ähnlich hohen Ablehnung. Immer dann, wenn man Verschlechterungen an Sozialwerken plant, braucht es mehrheitlich anerkannte Ausgleichsmassnahmen. Das war damals nicht der Fall, und entsprechende Massnahmen haben auch heute nicht überzeugt.

Editiert von Samuel Jaberg

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