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20 Jahre und noch immer grün

Der Gründung der Partei waren heftige Debatten vorausgegangen. Keystone Archive

Die Grüne Partei der Schweiz feiert ihren 20. Geburtstag. Heute sind die Grünen die fünftstärkste Partei im Bundesparlament.

Neben den grünen «Ur-Anliegen» beschäftigen die Partei zunehmend auch Themen wie Sozialfragen, Drogen, Globalisierung, Europa und Migration.

Am Anfang der grünen Bewegung in der Schweiz stand der Widerstand gegen eine Autobahn: Schon 12 Jahre vor dem 28. Mai 1983, dem offiziellen Gründungstag, an dem sich lokale und regionale Gruppen auf nationaler Ebene zusammenrauften, war in Neuenburg eine erste grüne Gruppierung entstanden.

Heute links-grün, in den Anfängen gemässigt liberal

In den Anfängen der Bewegung in den 70er Jahren lautete der Slogan: «Nicht links, nicht rechts, dafür Resultate», sagt der heutige Lausanner Stadtpräsident Daniel Brélaz, ein Grüner der ersten Stunde, gegenüber swissinfo.

Heute sind die Grünen nach Ansicht von Politologen im Parteiengefüge links der Sozialdemokratischen Partei einzustufen, auch wenn sie noch immer eine heterogene Gruppe sind. Während sie in Kantonen und Gemeinden in der Exekutive integriert sind, bleibt ihnen dies auf Bundesebene wohl verwehrt. Nicht zuletzt wegen der starren Zauberformel, die seit rund 40 Jahren die Zusammensetzung des Bundesrates vorgibt.

«Dennoch haben sie auf nationaler Ebene eine wichtige Rolle zu spielen», erklärt der Politologe Emanuel von Erlach gegenüber swissinfo. Denn die Grünen seien für linke Wähler und Wählerinnen die einzige Alternative zu den Sozialdemokraten. «Zumindest symbolisch ist dies wichtig.»

Anfänge in der Westschweiz

Ausgerechnet in der Westschweiz, von der es im Volksmund oft heisst, ökologische Anliegen seien ihr eher lästig, nahm die erste grüne Welle ihren Anfang.

Nach Neuenburg (1971) wurde 1973 die zweite grüne Gruppierung im Kanton Waadt gegründet. Auch hier hatten Autobahn-Baupläne den Ausschlag gegeben. Mit Daniel Brélaz stellten die Waadtländer Grünen nach den Wahlen von 1979 den weltweit ersten gewählten Abgeordneten in einem nationalen Parlament.

Die erste Gruppe in der Deutschschweiz wurde 1976 in Bern gegründet, 1978 folgte Zürich.

Zweite Welle – die «68er» stossen dazu

Es dauerte jedoch noch einige Jahre, bevor sich 1983 die nun weit im Land verbreiteten grünen Bewegungen, zu denen unterdessen viele «68er» gehörten, zusammenrauften und eine landesweite Organisationsstruktur erhielten.

Auch in Deutschland sprach man in den späten 70er und frühen 80er Jahren immer mehr von den Grünen, die heute – nach dem Zusammenschluss mit Bündnis90 – als Juniorpartner in der Regierung von Gerhard Schröder (SPD) sitzen. So ist denn auch der weltweit wohl bekannteste Grüne ein Deutscher: Der Aussenminister Joschka Fischer.

Ein weiterer deutscher Grüner, der über Landesgrenzen hinweg politisiert und damit Karriere machte, ist Daniel Cohn-Bendit, der lange Zeit in Frankreich lebte und zwischen den beiden Staaten hin- und herpendelt. In der Schweiz kennt man ihn heute vor allem als Moderator einer Literatursendung von Schweizer Fernsehen DRS.

Gurken gewinnen Oberhand über Melonen

Die Richtungskämpfe, die in Deutschland unter den Begriffen «Realos und Fundis» Schlagzeilen machten, prägen auch die Geschichte der Grünen in der Schweiz. Doch sprach man hierzulande von «Gurken» (durch und durch grün) und «Melonen» (innen rot).

Bei der Gründung der Förderation der Schweizer Grünen am 28. Mai 1983 erlangten nach ausufernden Debatten über den politischen Kurs die gemässigten Kreise um den heutigen Lausanner Stadtpräsidenten Daniel Brélaz, den Genfer Laurent Rebaud und den Zürcher Hans Beat Schaffner, Oberhand.

Die links-radikalen und alternativen Kräfte, die in der Föderation nicht mitmachen wollten, schlossen sich kurz darauf in der Grünen Alternative Schweiz (GRAS) zusammen. Diese ging dann bei den Wahlen im Herbst 1983 leer aus, während die Föderation mit drei Sitzen im Bundesparlament einzog.

Bergauf – bergab

Von da an ging es recht steil bergauf mit der Grünen Partei. Ökologische Themen prägten den politischen Diskurs, Katastrophen wie Tschernobyl und der Chemie-Brand von Schweizerhalle bei Basel trugen dazu bei. Zudem stiessen neben klassischen «Umweltschützern» Atomkraft-Gegner, Pazifisten und Vertreterinnen der Frauenbewegung zu den Grünen.

1986 wurde die Föderation umbenannt in Grüne Partei Schweiz. Bei den Wahlen von 1991 erlangten die Grünen ihren bisher höchsten Wähleranteil von 6,1%, was ihnen 14 Sitze im Nationalrat brachte.

Vier Jahre später, als die Umweltproblematik immer mehr von andern Themen überschattet wurde, kamen die Grünen, die sich gegen den EWR-Beitritt, gegen das NEAT-Projekt und gegen den Beitritt zu IWF und Weltbank ausgesprochen hatten, wieder nur noch auf 10 Sitze. Bei den letzten Wahlen 1999 holte die Partei noch 9 Sitze. Für die Wahlen vom Herbst 2003 hofft die Parteileitung wieder auf eine Zunahme.

Wohin geht die Reise?

Die Grünen werden heute zumeist wahrgenommen als Partei, die links der Sozialdemokraten politisiert. Dies sieht auch Ruth Genner so. Die Zürcherin steht seit Herbst 2001 mit dem Genfer Patrice Mugny an der Parteispitze.

Auch wenn die Richtungskämpfe heute vorbei seien, blieben die Grünen eine heterogene Gruppe. Um das Konzept der Nachhaltigkeit umzusetzen, müsse man auch an die nächste Generation denken und für Chancengleichheit kämpfen. «Darin liegt der soziale Ansatz grünen Politisierens», sagt Genner.

Selber bezeichnen sich die Grünen heute als ökologisch radikal, sozial engagiert und global solidarisch – und damit potenziell für eine nächste Generation von Wählern und Wählerinnen attraktiv. Dies zeigt auch das Manifest vom August 2002 mit dem Titel «Eine andere Welt ist möglich». Der Slogan stammt vom Weltsozialforum in Porto Alegre.

Weltweit vernetzt

Auf virtueller Ebene sind die Grünen übrigens dicht vernetzt mit ihren Schwesterparteien in der übrigen Welt. So stösst man beim Surfen im Angebot der deutschen Grünen etwa auf einen Link zu den Schweizern, über den man zu den andern grünen Partien im Internet gelangen kann.

Wie mancher Grüne hätte sich in den 80er Jahren so etwas vorstellen können? Damals gab es hitzige politische Debatten um den Einsatz von Computern, die praktisch als «Klassenfeind» bekämpft wurden.

swissinfo, Rita Emch

Die Grünen sind die fünftstärkste Partei im Nationalrat, 9 Sitze

Sechs der neun Abgeordneten sind Frauen

Co-Präsidium: Ruth Genner, Patrice Mugny

Generalsekretär: Herbert Zurkinden

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