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2005: Trauriges Rekordjahr für humanitäre Hilfe

Die Schweiz möchte ein echtes Migrationsgesetz. Keystone

2005 war für die Schweizer humanitäre Hilfe wegen des Tsunami in Südasien und des schweren Erdbebens in Pakistan ein Rekordjahr.

An der Jahrestagung der Humanitären Hilfe in Biel verlangte Aussenministerin Micheline Calmy-Rey am Freitag die Schaffung eines «Migrations-Gesetzes».

Der reiche Norden wird auch künftig ein attraktives Ziel für Menschen auf der Flucht sein. Das sagte Bundesrätin Micheline Calmy-Rey an der Jahreskonferenz der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) in Biel. Das Thema der Tagung lautete «Auf der Flucht».

«Die Schweiz engagiert sich stark mit Rückkehrprogrammen», sagte Calmy-Rey vor den über 800 Gästen. Allerdings sei die Wiederaufbauhilfe in verwüsteten Gebieten notwendige Bedingung für den Erfolg dieser Programme.

Auf der Welt gelten 20 Millionen Menschen als Flüchtlinge, 175 Millionen als Migrantinnen und Migranten. Die Schweiz wolle sich auch auf internationaler Ebene für eine kohärente Migrationspolitik einsetzen, betonte DEZA-Direktor Walter Fust.

Migrations-Gesetz

Ein echtes Migrations-Gesetz würde aber bisher fehlen, sagte Micheline Calmy-Rey in ihrer Rede. Oft würde in diesem Bereich zwar global gedacht, aber nur lokal gehandelt.

«Die Entscheide, die wir fällen, betreffen nur Ausländer, Asyl, Europapolitik oder den Arbeitsmarkt.» Keine staatliche Instanz würde sich gegenwärtig um die verschiedenen Aspekte der Migration kümmern.

«Eine globale Perspektive anzunehmen bedeutet, unsere Aktivitäten nicht nur auf staatliche Massnahmen zu beschränken, die strikt defensiv gegen Migrations-Ströme gerichtet sind», betonte sie.

«Wir müssen die Prävention stärken. Viele flüchten vor Konflikten und Missbrauch der Menschenrechte, oder weil sie in Not leben und vor Ort keine Zukunftsaussichten haben», gab Calmy-Rey zu bedenken.

Scharfe Worte gegen Gesetzesverschärfung

Die Aussenministerin nutzte die Gelegenheit ausserdem dazu, die geplanten Verschärfungen im Ausländer- und im Asylgesetz zu kritisieren: Sie sei nicht sicher, ob diese mit den Menschenrechten, der Menschenwürde und dem Grundsatz der Rechtsgleichheit in Einklang stünden, sagte sie.

Am Donnerstag waren in Bern die Referenden gegen die beiden Vorlagen eingereicht worden.

Migration dürfe nicht nur mit Katastrophen und Kriegen in Verbindung gebracht werden, sagte Fust. Vielmehr leisteten Migrantinnen und Migranten oft einen unschätzbaren Beitrag zum wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung in den Zielgesellschaften.

Rekordjahr für humanitäre Hilfe

Die humanitäre Hilfe der Schweiz habe mit 2005 ein Rekordjahr hinter sich, sagte Toni Frisch, Leiter des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH). Dies wegen der Tsunami-Katastrophe von Ende Dezember 2004 und dem schweren Erdbeben in Pakistan im Oktober.

«50 Prozent unserer Arbeit betraf den Wiederaufbau, 30 Prozent galt der Nothilfe», sagte Frisch. Allein in Sri Lanka müssten nach dem Tsunami 110’000 Häuser wieder aufgebaut werden.

Der Tsunami und das Erdbeben in Pakistan hätten die Probleme in Afrika zu unrecht in den Hintergrund treten lassen, sagte Frisch. In Afrikas Krisenregionen sehe man sich mit einer dreifachen Bedrohung konfrontiert: mit schlechten Regierungen, einer schwierigen Versorgungslage sowie der unkontrollierten Ausbreitung des HI-Virus und den damit verbundenen Erkrankungen an Aids.

Im letzten Jahr leistete das SKH mit gut 96 Vollzeitstellen 34’879 Einsatztage. Dafür standen rund 280 Millionen Franken zur Verfügung. «Die Welt wird immer komplexer», sagte Frisch gegenüber swissinfo. «Die Zahl der Naturkatastrophen nimmt zu, und damit auch die Not.»

swissinfo und Agenturen

Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) ist die Agentur für internationale Kooperation des Bundes und ist dem Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) unterstellt.

Die DEZA ist auf allen fünf Kontinenten vertreten und führt zahlreiche Projekte.

Die Kooperation wird mit 24 Ländern oder Regionen des Südens und 12 Osteuropas intensiv betrieben.

Humanitäre Hilfe leistet die DEZA in acht Haupt-Regionen.

Die Schweiz gab 2005 2,2 Mrd. Fr. für Hilfe und Entwicklung aus.
Dies entspricht 0,44% des Bruttoinland-Produkts (BIP).
280 Mio. Fr. wurden für die humanitäre Hilfe des SKH eingesetzt.
Die DEZA verfügt über ein jährliches Budget von 1,3 Mrd. Fr. und beschäftigt 500 Personen.

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