Am Montag startet die Sommerserie "Leben im Réduit" des Schweizer Fernsehens. 25 Männer leben bis Mitte August wie ein Teil der Soldaten der Schweizer Armee, die sich während des Zweiten Weltkrieges in die Alpenfestung zurückgezogen hatten.
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Während knapp drei Wochen leben 25 Männer in der Artilleriefestung Fürigen bei Stansstad wie zu Zeiten des Aktivdienstes. Das Schweizer Fernsehen (SF) berichtet bis Mitte August täglich über die Erlebnisse der Männer auf ihrer Zeitreise im dunklen Stollen.
Die Teilnehmer, aus 800 Bewerbern ausgewählt, gehen während den drei Wochen dem Soldaten-Alltag des Aktivdienstes in der Alpenfestung in den 1940er-Jahren nach. Sie werden mit Kleidern, Waffen und Werkzeugen jener Zeit ausgestattet.
Im Vordergrund steht laut den Fernsehmachern nicht die militärische Strategie hinter dem Réduit, sondern die Alltagsprobleme: die Trennung von den Liebsten, das rationierte Essen, der tägliche Drill im unwirtlichen Innern des Berges im Kanton Nidwalden.
Im Vorfeld hatte namhafte Schweizer Historiker Kritik am Konzept der Sendung geäussert. Der Historiker Jakob Tanner sprach von einer «Banalisierung eines hoch problematischen Themas».
Das Schweizer Fernsehen habe einen Informationsauftrag, doch der werde «verpasst», weil die Anpassungsstrategie an Nazideutschland ausgeblendet werde, bemängelte Tanner.
Jean-François Bergier, Professor für Wirtschaftsgeschichte und ehemaliger Präsident der «Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg», meinte lapidar: «Man kann die Gefühle von damals nicht wiederholen.»
Angesichts der vollständigen Umschliessung der Schweiz durch Hitler-Deutschland und das Italien Mussolinis hatte General Guisan im Frühjahr 1940 einen Strategiewechsel befohlen. Statt Grenzbesetzung lautete der Befehl an die Soldaten der Schweizer Armee nun Rückzug in die Alpenfestung.
Der Rückzug wurde nach dem Krieg zu einem Mythos der Schweizer Geschichte überhöht: Das Réduit soll einer der zentralen Gründe gewesen sein, weshalb die Schweiz den Krieg unversehrt überstanden habe. Ausgeblendet blieb aber, dass die Zivilbevölkerung einem Angriff schutzlos ausgeliefert gewesen wäre.
In ihrem Schlussbericht bestätigen die Wissenschafter der Bergier-Kommission, was kritische Historiker bereits seit den 1970er-Jahren erklärt hatten: Nicht die abschreckende Wirkung der Schweizer Armee in der Alpenfestung bewahrte die Schweiz vor einem Einmarsch der Wehrmacht, sondern die engen wirtschaftspolitischen Beziehungen zu Hitler-Deutschland.
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