300 Jahre New Bern: Eine Stadt feiert ihre Geschichte
Gegründet 1710 vom Bernburger Christophe de Graffenried, feiert die US-Kleinstadt New Bern in diesem Jahr ihre 300 Jahre Geschichte. An diesem Wochenende ging die grosse Jubiläumsfeier im Beisein hoher Gäste aus North Carolina und der Mutterstadt Bern über die Bühne.
In den Strassen hörte man neben Englisch immer wieder Berndeutsch.
Unter anderem wegen der Präsenz von zwei Gruppen aus der Schweiz: Der Village Street Band aus Münchenbuchsee, die am Ball aufspielte – sowie einer Reisegruppe des Verbands der Schützenveteranen, zu der unter anderem einer der besten ehemaligen Schweizer Eishockeyaner gehörte, die SCB-Legende Peter Stammbach.
Grosse Begeisterung
Die Begeisterung der Menschen war spürbar, es herrschte eine sehr frohe Stimmung, jung und alt flanierten durch die Strassen. Trotz des grossen Publikumsaufmarsches und der hohen Gäste war die Polizei- und Sicherheitspräsenz sehr dezent – und auch der Wettergott machte mit.
Von nah und fern angereist waren die vielen hohen Gäste, seien es amerikanische Nachfahren des Stadtgründers von Graffenried, eine Delegation der Familie von Graffenried aus Bern oder Beverly Perdue, die erste Gouverneurin North Carolinas, die selber aus New Bern kommt.
Die Ehre gaben sich auch Urs Ziswiler, der scheidende Schweizer Botschafter in den USA, Berns Stadtpräsident Alexander Tschäppät und seine Stellvertreterin Barbara Hayoz oder der Botschafter Ghanas, um nur einige zu nennen.
Tschäppät und Hayoz hatten ihre Anreise wegen der Budgetdebatte im Berner Stadtrat um einen Tag verschieben müssen und waren erst am Freitagabend eingetroffen. Zur grossen Erleichterung des Festkomitees gerade noch rechtzeitig zum Gala-Dinner.
Grosse Emotionen
Die Stellung der Mutterstadt gehalten hatten zuvor Christine, Aloys und Franz von Graffenried. Bei der Eröffnung der Ausstellung «300 Jahre New Bern», die bis Mai 2010 im Historischen Museum Bern zu sehen gewesen war, wurden sie sehr herzlich willkommen geheissen.
«Wir erlebten hier in den letzten Tagen viele grossartige Momente», erklärt Christine von Graffenried am Samstag gegenüber swissinfo.ch. «Die Identifikation der Menschen mit ihrer Stadt und deren Verbindung zu Bern ist sehr beeindruckend.»
Ihr Bruder Aloys pflichtet ihr bei, beide heben den Unterschied zum «alten» Bern hervor. «Die Herzlichkeit, das Gefühl einer ‹grande famille›, das ist einfach anders als in Bern, wo die Menschen viel kühler sind.»
Auf viel Freude stiess eine impulsive Geste am Gala-Dinner: Dort wurde ein Bild versteigert, dass nur Stunden zuvor während einem Konzert der North Carolina Symphonie gemalt worden war. Aloys und Christine ersteigerten das Bild – und schenkten es der Stadt.
Der Tag hatte für das Geschwisterpaar eine besondere Bedeutung. Ihr verstorbener Vater, der die Verbindung der Familie zu New Bern stark geprägt hatte und dort bis heute sehr geschätzt wird, wäre an dem Tag 97 Jahre alt geworden.
Fantastische Parade
Ein Höhepunkt, der an keinem amerikanischen Fest fehlen darf, war die Parade, mit der wichtige Momente der 300jährigen Geschichte New Berns in Erinnerung gerufen wurden. Schon Stunden vor dem Umzug hatten sich die Menschen entlang der Route einen Platz gesucht.
Pferde und Reiter, Pferdekutschen, Oldtimer, Feuerwehr, Marsch- und andere Musikkappellen, Frauengruppen, Militäreinheiten, Tanzgruppen, Persönlichkeiten wie Christophe von Graffenried, historische Politiker, Szenen aus der Geschichte der schwarzen Bevölkerung New Berns und andere mehr. «Es war eine ausserordentliche Parade», erklärte auch der Schweizer Botschafter Ziswiler.
Zweimal war die Parade zum Stillstand gekommen: Einmal, als der Berner Stadtpräsident in einer Kutsche vorbeifuhr und zwei seiner Freunde aus Bern darauf zurannten, um den «Stapi» zu begrüssen. Und etwas später, als drei Alphornbläser vorbeizogen und auf Rufe des Botschafters von der Tribüne aus einen Halt einlegten und ihre Hörner bliesen.
Am Vorabend hatte der Botschafter in seiner Rede auf die vielen Gemeinsamkeiten zwischen der Schweiz und den USA verwiesen, darauf, dass sich die beiden Staaten als «Schwesterrepubliken» verstehen, die gegenseitig viel voneinander gelernt hätten. Und dass man trotz der Probleme der letzten Jahre – Stichworte UBS, Polanski, Minarett-Abstimmung – sehr gute Beziehungen habe, die man allerdings nicht überstrapazieren dürfe.
Und zu Bern und New Bern erklärte Ziswiler:»Das alte Bern hat einen Fluss und die Alpen, New Bern zwei Flüsse und das nahe Meer. Man könnte sagen, zusammen würden sie die perfekte Stadt ergeben.» Dass sein Vorname Urs vom lateinischen Wort für Bär abstammt, gab seiner Präsenz einen zusätzlichen Twist.
Tschäppäts Botschaft
Spät war er gekommen, Berns Stadtpräsident Tschäppät, doch mit seiner geselligen Persönlichkeit hatte er keine Probleme, in die Festlaune einzutauchen.
Als Beispiel gelten kann die Äusserung von seinem Amtskollegen Lee Bettis: «Er hat eine etwas zurückhaltende Natur, nicht wahr,» scherzte er.
Bettis hofft, dass die Beziehung zwischen den beiden Bern andauern wird. Und um beim Thema Mutter-Tochter zu bleiben, meint er: «Es ist wie sonst im Leben, unsere Kinder können von uns lernen, und wir von ihnen. Es ist eine Wechselbeziehung, die beide Seiten voranbringt.»
Und welches Fazit zieht der Berner Stadtpräsident aus seinem Besuch in der Tochterstadt? «Wenn man diese Freude sieht, das Engagement dieser Leute für ihre Stadt und ihre Liebe zum ‹alten› Bern, das ist eine Freundschaft, die man hoch einschätzen muss und die hoffentlich weitergehen wird,» erklärt Tschäppät gegenüber swissinfo.ch.
«Die Menschen hier lieben die Schweiz, lieben Bern, lieben die Bären, pflegen das. Das ist eine Botschaft auch an uns. Sie sind stolz auf ihre Stadt. Wir Berner und Bernerinnen könnten uns ein Stück von diesem Enthusiasmus abschneiden und, merken, in was für einem Paradies wir eigentlich leben.»
Bundesbezirksgericht
Während die Schweizer Wurzeln der Stadt New Bern ihren Namen gaben, kann sie auf eine reiche Geschichte zurückschauen, die mit der Schweiz keinen direkten Zusammenhang mehr hat, die Stadt in ihrem Selbstverständnis aber ebenfalls stark prägt.
Ein erster Schwerpunkt des Jubiläums-Wochenendes war denn auch die Wiedereinweihung eines Bundesgerichtsgebäudes, das mit Geldern aus dem Antikrisen-Programm der Regierung Obama renoviert worden war.
Dass die Kleinstadt einen Bundesbezirksgerichtshof hat, erklärt unter anderem auch, wieso man in New Bern auf so viele Anwälte trifft.
Vor 300 Jahren gründet der Berner Christophe de Graffenried mit einer Gruppe von Auswanderern an der Ostküste der USA im heutigen North Carolina die Siedlung New Bern.
Zu der Gruppe hatten neben rund 100 Auswanderern aus Bern auch 650 Deutsche aus der Pfalz gehört, von denen nach einem sehr harten Trek nach Carolina nur etwa 250 überlebt hatten.
Von Graffenried und die Auswanderer aus der Schweiz folgten ein paar Monate später. Ihre Überfahrt war gut verlaufen, wie auch die erste Zeit der Ansiedlung.
Doch im Jahr darauf folgten Probleme und Kämpfe mit dem Volk der Tuscarora. Von Graffenried geriet in Gefangenschaft und kam nur knapp mit dem Leben davon.
Nach einem Angriff der Tuscarora, bei dem neben etwa 80 Briten auch etwa 70 Siedler aus der Gruppe um von Graffenried getötet wurden, führten englische Truppen einen Vernichtungskrieg gegen die Angreifer und versklavten die Überlebenden.
Von Graffenried verliess New Bern 1713 enttäuscht wieder und kehrte 1714 in die Schweiz zurück. Die weiteren 296 Jahre der Geschichte New Berns sollten von anderen geschrieben werden, geblieben ist der Name.
Schliesslich waren es vor allem englische Siedler, die sich in New Bern niederliessen und dort einen Hafen einrichteten. Ab 1766 hatte der britische Gouverneur William Tryon in New Bern seinen Sitz.
An der amerikanischen Revolution waren Vertreter New Berns aktiv beteiligt. 1776 unterzeichnet North Carolina die Unabhängigkeits-Erklärung, New Bern wird erste Hauptstadt des unabhängigen Staats North Carolina, Tryons Palast zum Staats-Kapitol.
Später wird die Hauptstadt ins zentraler gelegene Raleigh im Landesinnern verlegt.
Im Sezessionskrieg 1861-1865 stand North Carolina auf Seite der Konföderierten. 1862 nahmen Nordstaaten-Truppen das strategisch wichtige New Bern ein.
Heute ist New Bern eine Kleinstadt mit rund 28’000 Einwohnern, die als Tourismusdestination auf ihr historisches Erbe setzt und sich nach einer wirtschaftlich schwierigen Zeit in den 60er- und 70er-Jahren wieder aufrappeln konnte.
Das alte Stadtzentrum wurde saniert, die Flussufer mit Hotels, einem Konferenzzentrum und einem Jachthafen erschlossen.
Zudem wurde ein modernes Zentrum gebaut, in dem die Geschichte North Carolinas auf moderne Art und Weise einem weiten Publikum vermittelt werden soll.
In Betrieb genommen wird das Geschichtszentrum offiziell im Oktober, doch auf das Jubiläumswochenende hin fand die Ausstellung «300 Jahre New Bern» hier schon mal einen Platz.
Der Verein «300 Jahre New Bern» hatte das Jubiläum der ältesten Schweizer Siedlung in den USA mit einer Ausstellung im Historischen Museum der Schweizer Hauptstadt Bern gewürdigt. Die Schau dauerte von Dezember 2009 bis Mai 2010.
Seit dem 16. September ist sie nun in der Tochterstadt New Bern zu sehen.
Die Eröffnung der Schau, die bis Mitte 2011 dauern wird, fand im Rahmen des grossen Jubiläums-Wochenendes statt.
In der Ausstellung wird die Geschichte von New Bern gezeigt. Themen sind die bernische Auswanderung im frühen 18. Jahrhundert und das Leben des Stadtgründers Christophe de Graffenried.
Da die Ausstellung in New Bern weniger Raum zur Verfügung hat, wurde sie etwas redimensioniert, dafür aber für das Publikum in Amerika durch Aspekte der Mutterstadt Bern von heute ergänzt.
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