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300 Todesfälle durch Dienstwaffen jedes Jahr

Dienstwaffe spielt grosse Rolle in häuslichen Konflikten. Keystone

Rund 300 Personen sterben in der Schweiz jedes Jahr wegen Verletzungen durch Armeeschusswaffen. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung des Kriminologen Martin Killias.

Die kurz vor der Debatte des Waffengesetzes im Nationalrat veröffentlichte Studie stellt fest, dass diese Waffen bei Familiendramen und Selbstmorden eine zentrale Rolle spielten.

«Das ist sehr viel mehr als ich erwartet habe», sagt Martin Killias in einem am Samstag veröffentlichten Interview mit der Berner Zeitung.

Bei den Suiziden dominierten mit zwei Drittel ganz klar die Ordonnanzwaffen. Bei Familienmorden seien es private (knapp die Hälfte) und Ordonnanzwaffen (36%). Die Untersuchungen hätten zudem gezeigt, dass bei Morden im öffentlichen Raum ganz klar die illegalen Waffen dominieren, sagte Killias.

Er stützt sich dabei auf Zwischenresultate der Studie. Bisher wurden elf Kantone erfasst; das entspricht rund 60% der Schweizer Bevölkerung. Die vollständigen Resultate sollen diesen Sommer vorliegen.

«Zudem mussten wir die beunruhigende Erkenntnis machen, dass der Familienmord in der Schweiz sehr häufig vorkommt. Jedes zweite Tötungsdelikt findet im Familienkreis statt.»

Neben den Tötungen dürfe man aber auch ein weiteres Phänomen nicht ausklammern: Ordonanzwaffen würden oft als Drohmittel eingesetzt.

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Keine Munition zu Hause

Als guten Ansatz bezeichnet Killias den Vorschlag, dass die Armee keine Taschenmunition mehr abgeben soll. «Waffenmissbrauch und Familiendramen könnten sicher minimiert werden, wenn den Soldaten keine Munition mehr nach Hause mitgegeben würde.»

Für die Politik sei es eine Güterabwägung: «Wollen wir weiterhin jährlich fast 300 durch Pistolen und Sturmgewehre und Karabiner getötete Menschen hinnehmen und dafür eine Tradition aufrechterhalten, welche angeblich den Wehrwillen stärkt?», fragt Killias.

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Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweizer Armee beruht auf dem Milizprinzip: Alle Männer im wehrpflichtigen Alter durchlaufen eine Grundausbildung und erweitern das Wissen und Können in periodischen Kursen. Laut Bundesverfassung dient die Armee der Verhinderung von Kriegen und trägt bei zur Erhaltung des Friedens. Sie unterstützt die zivilen Behörden bei der Abwehr von schwerwiegenden Bedrohungen für die innere Sicherheit…

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Revision des Waffengesetzes

Aber auch auf dem Markt müsste der Verkauf von Munition laut dem Kriminologen massiv eingeschränkt und nur unter ganz bestimmten Vorgaben zugelassen werden. Killias ist überzeugt, dass diese Anliegen in einer Volksabstimmung – anders als im Parlament – «satte Mehrheiten erzielen würden».

Der Nationalrat wird in der kommenden Woche erneut die Revision des Waffengesetzes beraten. In der Herbstsession hatte die grosse Kammer mit der Beratung begonnen und Anträge der Linken zur Verschärfung abgelehnt.

swissinfo und Agenturen

Jeder Schweizer Soldat bewahrt zu Hause seine Dienstwaffe (Gewehr oder Pistole) und eine versiegelte Schachtel Munition.

Die Schweizer Armee zählt 220’000 Diensttuende (Aktive und Reservisten). Am Ende ihrer Dienstzeit behalten drei von zehn Soldaten ihr Gewehr zuhause (2005). Die Pistolen werden praktisch alle behalten.

Im letzten September hat die Frauenzeitschrift Annabelle beim Parlament eine Petition mit 17’400 Unterschriften eingereicht, die verlangt, die Dienstwaffen zuhause zu verbieten.

Das Waffengesetz wird zur Zeit im Parlament verhandelt. In der kommenden Woche soll der Nationalrat entscheiden, ob die Soldaten ihre Dienstwaffe weiterhin nach Hause nehmen dürfen.

Die im jüngsten Bulletin des Kriminologischen Instituts der Uni Lausanne publizierten Zahlen sind erst Teilergebnisse der Studie. Die vollständigen Resultate sollen im Sommer 2007 vorliegen.

Die Studie wurde vom prominenten Kriminologen Martin Killias geleitet. Er ist Forscher und Dozent in Zürich und Lausanne und fungiert oft als Experte für den Bundesrat und den Europarat.

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