Abfuhr für Verteidigungsminister Schmid
Der Nationalrat hat das Rüstungsprogramm 2008 abgelehnt. In der Schlussabstimmung setzte sich eine unheilige Allianz aus Rechtskonservativen und Armeegegnern durch. Trotz dieser Schlappe will Bundesrat Samuel Schmid "zumindest vorläufig" nicht zurücktreten.
Er nehme den Entscheid «zur Kenntnis». Das Geschäft gehe nun halt an den Ständerat zurück, sagte Schmid nach dem Entscheid des Nationalrats. Der Ständerat hat im Juni dem Rüstungsprogramm bereits zugestimmt.
«Ich bin es gewohnt, parlamentarische Auseinandersetzungen zu tragen», so Schmid weiter. Die Frage nach seinem Rücktritt verneinte der Verteidigungsminister.
Er mache sich schon so seine Gedanken darüber, sagte er lediglich. Ein Rücktritt zum jetzigen Zeitpunkt stehe aber nicht zur Debatte.
Dass es für den Verteidigungsminister kein leichtes Unterfangen sein würde, das Rüstungsprogramm 2008 (RP08) im Umfang von 917 Millionen im Nationalrat durchzubringen, hatte sich schon länger abgezeichnet.
So war es keine Überraschung, als sich in der Schlussabstimmung die Stimmen der SVP und von Links-Grün kumulierten und das Programm mit 104 zu 83 Stimmen unterging.
FA-18-Kompromiss abgelehnt
Vor der Gesamtabstimmung verwahrte sich der Präsident der Sozialdemokraten, Christian Levrat, dagegen, eine unheilige Allianz mit der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) eingegangen zu sein.
Seine Partei verfolge konsequent eine kritische Armeepolitik. Die bürgerliche Mitte habe den Kompromissvorschlag «arrogant» abgelehnt, die Modernisierung des FA-18 mit dem Tiger-Ersatz zu verknüpfen.
SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi erklärte, die Armee sei in einem desolaten Zustand, im Verteidigungsdepartement herrschten Missstände. Die SVP-Fraktion lehne das RP08 mehrheitlich ab, weil sie nicht bereit sei, gross zu investieren, ehe nicht Ordnung geschaffen worden sei.
Armee in der Sinnkrise
Für die Grünen ist die Armee in einer Sinnkrise. Ihr 917 Millionen Franken nachzuschiessen, wäre unverantwortlich, sagte Parteipräsident Ueli Leuenberger. Die wahren Probleme der Menschheit seien der Klimawandel, der Hunger und die Ressourcenknappheit. Diese könnten nicht militärisch gelöst werden.
Der Präsident der Christlichdemokraten, Christophe Darbellay und die Fraktionschefin der Freisinnigen, Gabi Huber, warfen SP, SVP und Grünen vor, sich aus der Verantwortung für eine glaubwürdige Armee zu stehlen. Man spiele nicht mit der Sicherheit.
Mit der Linken im Lotterbett
Nach der Debatte sagte der Präsident der Freisinnig-Demokratischen Partei, Fulvio Pelli, die SVP wolle «nur den Kopf von Herrn Schmid». Dieser habe offensichtlich Mühe, seine frühere Partei zu überzeugen, auch wenn dies taktische Spiele und keine seriöse Politik seien.
Die Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP) hat die Ablehnung als unehrliches und untaugliches Manöver gegen ihren Bundesrat verurteilt. Wegen der noch nicht verarbeiteten Abwahl von Christoph Blocher seien bei der SVP offensichtlich auch die Hemmschwellen gefallen, sich mit der Linken ins Lotterbett zu legen.
Enttäuschung und Freude
Die Offiziere und Unteroffiziere der Schweizer Armee zeigten sich enttäuscht. Der Entscheid zeuge von wenig Verständnis für die Aufgaben und Bedürfnisse der Milizarmee, kritisiert die Schweizerische Offiziersgesellschaft.
Der Schweizerische Unteroffiziers-Verband sieht im Nein der grossen Kammer zudem «ein ganz schlechtes Signal» für die Schweizer Rüstungsindustrie.
Freude herrscht hingegen bei der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA). Der Entscheid zeige, dass «das generelle Unverständnis, das in der Bevölkerung gegenüber der Aufrüstung einer Armee herrscht, die in einer tiefen Orientierungslosigkeit rumschwimmt, endlich im Parlament angekommen ist».
swissinfo und Agenturen
Der Ständerat hat das im Nationalrat gescheiterte Rüstungsprogramm 2008 im Juni verabschiedet. Es umfasst Beschaffungen für 917 Millionen Franken.
So sollen die F/A-18-Kampfflugzeuge zwischen 2009 und 2015 an die neuen technologischen Standards angepasst werden. Das Vorhaben ist mit 404 Mio. Franken budgetiert.
Für 396 Millionen will die Armee 220 «Geschützte Mannschafts-Transportfahrzeuge» für die Infanterie anschaffen.
Zwei weitere Vorhaben im Umfang von 117 Mio. Franken sind für Aufklärungs- und Nachweisfahrzeuge für die ABC-Abwehr vorgesehen.
594 Millionen Franken des Rüstungsprogramms sollen direkt oder indirekt der Schweizer Wirtschaft mittels Aufträgen zu Gute kommen.
So genannte unheilige Allianzen kommen in der Schweizer Politik recht häufig vor. Gerade Armeevorlagen werden nicht selten von der SVP wie auch von Links-Grün aus unterschiedlichen Motiven bekämpft.
So versenkten im Herbst 2006 SVP, SP und Grüne die Armeereform «Entwicklungsschritt 2008/2011». Erst nach etlichen Kompromissen konnte eine neue Vorlage unter Dach gebracht werden.
Auch in anderen politischen Fragen kommt es zu seltsamen Zusammenspielen: Weil SVP und SP ihre gegenläufigen Anliegen nicht unterbringen konnten, scheiterte 2004 die Legislaturplanung des Bundesrats.
In aussenpolitischen Fragen «verbünden» sich manchmal isolationistische und links-grüne Kräfte: Der EWR-Beitritt scheiterte 1992 nicht zuletzt an der Gegnerschaft von SVP, Auns und Grünen.
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