Abrüstungsgespräche zwischen Durchbruch und Desaster
Die Gespräche für eine weitere Serie von Abrüstungsverträgen in Genf sind in einer kritischen Phase festgefahren, wie ein Schweizer Diplomat sagte.
Botschafter Jürg Streuli sagte am Donnerstag, dass die Zeit kaum reiche, noch dieses Jahr Fortschritte bei einem Abkommen zu erzielen, das auch die Demilitarisierung des Weltalls regeln soll.
Streuli ist zur Zeit Präsident der Genfer Abrüstungskonferenz. Die Weigerung der drei Länder China, Pakistan und Iran blockiere das Ringen um einen Konsens, wobei China seine Haltung ändern könnte, wie Streuli meint.
Die Konferenz, an der 65 Staaten samt allen bekannten Atommächten teilnehmen, versucht ein Verhandlungsmandat für einen neuen Vertrag zu erreichen, der die Produktion von spaltbarem Material für Nuklearwaffen verbieten soll.
Gleichzeitig sollen Gespräche über nukleare Abrüstung, die Verhinderung eines Rüstungswettlaufs im All und so genannte «negative Sicherheits-Garantien» stattfinden. Das heisst, dass Atommächte Staaten ohne Atomwaffen garantieren, sie nicht anzugreifen.
«Dieses Jahr haben wir beträchtliche Fortschritte erzielt. Noch nie in den vergangenen zehn Jahren waren wir einem Kompromiss so nah. Im Moment blockieren nur gerade die drei genannten Länder die Einigung», sagte Streuli gegenüber swissinfo.
Die dritte und letzte Session der Abrüstungskonferenz 2007 endet am 14. September. Wenn die Mitgliedstaaten bis Ende August keine Einigung erzielen, müssen die Gespräche auf nächstes Jahr verschoben werden.
Spaltbares Material
Seit 1995 versucht die Abrüstungskonferenz ein Verbot von spaltbarem Material wie angereichertes Uran durchzusetzen. Doch das Ende des Kalten Krieges und die weltweit komplexere Situation haben die Fortschritte erschwert.
«In einer bipolaren Welt mit zwei Supermächten war es wohl einfacher zu verhandeln. Heute ist die ganze Situation bezüglich Sicherheit asymmetrisch und die Interessen gehen auseinander», betonte Streuli.
Atommächte mit einem ausreichenden Lager an spaltbarem Material sind für ein Produktionsverbot; diejenigen, die noch dabei sind, solches Material herzustellen, sind dagegen.
Bei der Entmilitarisierung des Alls wollen diejenigen, die in der Weltraum-Technologie voraus sind, kein Abkommen, während die Staaten, die weniger weit sind in der Entwicklung oder denen es an Geld mangelt, dafür plädieren.
«Es ist äusserst schwierig, all diese Interessen unter einen Hut zu bringen», sagte Streuli. «Es ist nicht unmöglich und wir lassen nichts unversucht. Doch diese Fragen sind für gewisse Länder von grösster Bedeutung für die nationale Sicherheit. Sie werden auf höchster Ebene entschieden, und das braucht Zeit.»
Sand im Getriebe
Der Stillstand beim Thema spaltbares Material lässt Zweifel aufkommen, ob die Konferenz fähig ist, multilaterale Abrüstungsgespräche zu führen.
Denn unter den herrschenden Bedingungen braucht es nur ein einziges Land, um Sand ins Getriebe zu streuen und so alles zu blockieren. Das weckt Kritik.
Das letzte Abkommen, das die Abrüstungskonferenz erzielen konnte, war das Atomwaffentest-Verbot von 1996. Doch seither wurde nichts mehr erreicht.
«Totales Desaster»
Rebecca Johnson, Leiterin des Instituts für Abrüstungsdiplomatie in London, meint, dass die Konferenz zum Flaschenhals für multilaterale Abrüstungsgespräche geworden sei.
«Die Abrüstungskonferenz dient als willkommener Sperrmechanismus für diejenigen Staaten, die mit keinem Abrüstungsvertrag vorwärts machen wollen», sagte sie.
Im Gegensatz zu Streuli beurteilte sie dieses Jahr als «totales Desaster» und mahnte, dass es Zeit sei, die Mechanismen der Konferenz gründlich zu überdenken.
«Wenn die Abrüstungskonferenz nicht ihre Regeln und Abläufe ändert, droht sie völlig irrelevant zu werden. Die Staaten werden mit ihrer Geduld bald am Ende sein.»
swissinfo, Adam Beaumont, Genf
(Übertragung aus dem Englischen: Susanne Schanda)
Das Hauptziel der Abrüstungskonferenz ist, Verträge über die Rüstungskontrolle abzuschliessen.
Dazu gehören folgende Themen:
– Ende des Rüstungswettkampfs bei Atomwaffen und nukleare Abrüstung;
– Verhinderung eines Rüstungswettlaufs im All;
– effektive internationale Abkommen, um sicherzustellen, dass Atommächte keine Staaten ohne Atomwaffen angreifen;
– neue Arten von Massenvernichtungswaffen.
Die Abrüstungskonferenz und ihre Vorläufer haben so wichtige multilaterale Abrüstungs-Abkommen erzielt wie den Atomwaffen-Sperrvertrag, Abkommen gegen biologische und chemische Waffen sowie den Vertrag zum Stopp von Atomwaffentests.
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