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Abstimmung vom 9. Juni: Knapper Vorsprung für die Prämien-Initiativen

ein Arzt untersucht eine Patientin
Bei den Initiativen zu den Gesundheitskosten öffnet sich ein Graben zwischen den Sprachregionen. Keystone/Michael Buholzer


Für die Prämieninitiative der Sozialdemokraten und jene der Mitte-Partei zeichnet sich laut der ersten SRG-Umfrage zur Abstimmung vom 9. Juni eine knappe Mehrheit ab. Das Stromgesetz steuert auf ein deutliches Ja zu, die Impfinitiative hat keine Chance. Die Ergebnisse im Detail.

Zeigen sich die Schweizer:innen solidarisch mit jenen, die ihre Krankenkassenprämien kaum bezahlen können – oder denkt der besser gestellte Mittelstand ans eigene Portemonnaie? Am 9. Juni geht es unter dem Strich um diese Frage.

Laut der ersten SRG-Umfrage, die Mitte April vom Institut gfs.bern durchgeführt wurde, würde das Volk, wäre es heute an die Urne geladen, die Initiativen der Mitte und der Sozialistischen Partei (SP) beide gutheissen. Aber nur knapp. Es ist gut möglich, dass der Vorsprung des Ja-Lagers noch wegschmilzt.

Die Initiative der SP, welche die Krankenkassenprämien auf 10 Prozent des Einkommens begrenzen will, erhält laut der Umfrage derzeit 56 Prozent Zustimmung. 40% der Befragten sind dagegen, 4% sind noch unentschlossen.

Bei den Auslandschweizer:innen ist die Zustimmung zur Initiative deutlich höher: 67% der im Ausland lebenden Personen unterstützen die Initiative und nur 29% sind dagegen.

«Für im Ausland lebende Personen ist es einfacher, sich mit denjenigen solidarisch zu zeigen, die Schwierigkeiten haben, ihre Gesundheitskosten zu bezahlen, da sie weniger von der Frage betroffen sind, wer von den getroffenen Massnahmen profitieren und wer darunter leiden wird», erklärt Lukas Golder, Politologe bei gfs.bern. Er ergänzt allerdings, dass sich auch in dieser Personengruppe der Trend noch umkehren könnte.

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Die Prämien-Entlastungs-Initiative führt zu einer starken Kluft zwischen links und rechts. Die Wähler:innen der Grünen und der SP sind klar für die Vorlage, während Anhänger:innen der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) und der Grünliberalen Partei (GLP) weitgehend dagegen sind. Die Wählerschaft der Mitte-Partei ist gespalten, mit einem leichten Vorteil für ein Nein.

Wenig überraschend ist, dass Personen mit niedrigem und sehr niedrigem Einkommen die Vorlage massiv unterstützen. Sie sind es auch, die am meisten von der zusätzlichen Unterstützung profitieren würden.

Die Initiative überzeugt auch Haushalte mit mittleren Einkommen, allerdings weniger deutlich. Personen mit hohen Einkommen (von über 11’000 Franken pro Monat) sind mehrheitlich dagegen.  

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Der Graben zwischen den Sprachregionen

Ein Generationenkonflikt wie bei der Abstimmung über die 13. AHV-Rente, die im März vom Volk angenommen wurde, zeigt sich bei den Krankenkassenvorlagen nicht. Alle Altersgruppen befürworten derzeit eher die Plafonierung der Krankenkassenprämien.

Hingegen ist die Kluft zwischen den Sprachregionen gross. Die französisch- und italienischsprachige Bevölkerung würde den Initiativtext aktuell mit über 70-prozentiger Mehrheit annehmen, während in der Deutschschweiz nur 50% ein Ja in die Urne legen würden.

Dass sich etwas ändern muss, wird hingegen breit geteilt. 88% der Befragten sehen dringenden Handlungsbedarf, da sich die Höhe der Krankenkassenprämien innerhalb von 20 Jahren verdoppelt hat. Die Löhne aber konnten nicht mit dieser Kurve Schritt halten. Dies ist das Hauptargument der Befürworter:innen der Initiative. Das Risiko, dass der Staat die Steuern erhöhen muss, um die zusätzlichen Beihilfen zu finanzieren, ist das Argument gegen die Prämien-Entlastungs-Initiative, das am meisten überzeugt.

Die Politolog:innen von gfs.bern erwarten, dass das Nein-Lager im Laufe der Kampagne an Boden gewinnt. «Die Debatten drehen sich derzeit mehr um die Probleme, die die Initiative aufwirft, als um die Vorteile, die sie bringen würde», erklärt Lukas Golder. Aufgrund der Kluft zwischen den Sprachregionen und der Tatsache, dass sich die von den Versicherten gezahlten Beträge von Kanton zu Kanton unterscheiden, könnte die Initiative laut gfs.bern auch die Zustimmung der Mehrheit der Kantone verfehlen – das Ständemehr, das sie für die Gültigkeit benötigt.

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Gemischter Start für die Kostenbremse-Initiative

Der Ansatz der Mitte-Partei zur Entlastung der Versicherten überzeugt derzeit weniger Wähler:inen als jener der Sozialdemokraten. Die Mitte-Partei will die Regierung dazu verpflichten, Massnahmen zu ergreifen, sobald die Gesundheitskosten innerhalb eines Jahres um 20 Prozent stärker steigen als die Löhne.

52% stimmen der Initiative derzeit zu. 41% der Befragten sind gegen die Vorlage und 7% haben sich noch keine Meinung gebildet.

Auch bei den Auslandschweizer:innen ist die Initiative weniger beliebt als jene der SP. 57% befürworten sie, 35% sind dagegen und 9% haben noch keine Meinung.

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Die Mitte wird von der Parteibasis unterstützt: 63% ihrer Mitglieder sind für das Projekt. Die Partei hat jedoch Schwierigkeiten, andere politische Gruppierungen zu überzeugen: Nur die Wählerschaft der Grünen unterstützt die Vorlage knapp.

Beliebt ist die Vorlage hingegen bei Parteilosen und Personen, die der Regierung misstrauen

Wie bei der SP-Initiative gibt es auch hier eine Kluft zwischen der lateinischen und der deutschsprachigen Schweiz. In der Deutschschweiz findet die Initiative keine Mehrheit, während 56% der Westschweizer:innen und 74% der italienischsprachigen Schweiz dafür sind.

63% der Befragten sind der Meinung, dass der Text es ermöglicht, alle Akteur:innen des Gesundheitssystems an einen Tisch zu bringen, um Kosten zu sparen. Dies ist das wirksamste Argument für die Initiative. Stärkstes Gegenargument ist, dass der Gesundheitsbereich nicht von der Wirtschaftslage abhängig gemacht werden sollte.

Auch hier erwarten die Politolog:innen von gfs.bern, dass die Unterstützung im Laufe der Kampagne erodiert. Am Ende dürfte sie abgelehnt werden. Die Expert:innen weisen darauf hin, dass sich die Debatte bereits stärker auf die Mängel der Initiative fokussiert hat.

Grosse Unterstützung für das Stromgesetz

Das Stromgesetz ist hingegen kaum umstritten. 75% der Befragten wollen mit Ja stimmen. Die Reform soll die Entwicklung erneuerbarer Energien im Inland fördern und die Versorgung mit Strom sicherstellen. 19% sind dagegen und 6% sind unentschlossen.

Auch die Auslandschweizer:innen sind mit 70% weitgehend für die Vorlage, 20% sind dagegen und 10% sind noch unentschlossen.

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Mit Ausnahme der SVP, die für ein Nein eintritt, überwiegt bei allen Pareien ein Ja. Und selbst innerhalb der Anhängerschaft der Volkspartei unterstützen 48% die Vorlage.

Die Bevölkerung ist mit grosser Mehrheit der Ansicht, dass das Energiegesetz die lokale Stromproduktion fördert und somit die Abhängigkeit vom Ausland verringern wird. Laut gfs.bern dürfte auch am 9. Juni ein Ja resultieren.

Impfpflicht-Initiative dürfte scheitern

Ebenfalls zeichnet sich bereits ab, dass die Initiative «Stopp Impfpflicht» am 9. Juni abgelehnt wird. 70% der Wähler:innen lehnen die Vorlage aktuell ab. Nur 27% der Befragten heissen sie gut, und 3% sind unentschlossen.

Bei den Auslandschweizer:innen lehnen 63% die Vorlage ab, 34 stimmen zu, und 3% sind noch unentschlossen.

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Einzig die Wählerschaft der SVP unterstützt die Initiative mit einer knappen Mehrheit von 54%. Alle anderen politischen Lager sind dagegen. Die Argumentation der Gegner:innen der Initiative scheint zu verfangen. So sind 80% der Befragten der Ansicht, dass körperliche Unversehrtheit und Freiheit bereits in der Verfassung verankert sind.

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