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Abstimmung vom 9. Juni: Krankenkassen-Initiativen verlieren laut SRG-Umfrage an Boden

Arzt vor einem Ultraschallgerät
Keystone / Gaetan Bally

Die Zustimmung zur Prämien-Entlastungs-Initiative der SP bröckelt. Politolog:innen gehen von einer Ablehnung aus. Ausser ein Szenario trifft ein.

Die Rezepte der Sozialdemokratischen Partei (SP) und der Mitte zur Bekämpfung der steigenden Gesundheitskosten überzeugen die Stimmberechtigten zunehmend weniger. Das ist das Ergebnis der zweiten SRG-Umfrage, die Mitte Mai vom Institut gfs.bern durchgeführt wurde.

Weniger als zwei Wochen vor den eidgenössischen Abstimmungen vom 9. Juni erhält die SP-Initiative, welche die Krankenkassenprämien auf 10% des Einkommens begrenzen will, laut der Meinungsumfrage nur noch 50% Zustimmung. Damit hat das Ja-Lager im Vergleich zur ersten Umfrage sechs Prozentpunkte eingebüsst.

Im Gegensatz dazu legten die Gegner:innen des Textes um 8 Prozentpunkte zu. 48% der Befragten sind nun dagegen, während 2% noch unentschlossen sind.

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Die Auslandschweizer:innen sind immer noch stärker für die Vorlage als die Menschen in der Schweiz: 53% der im Ausland lebenden Schweizer Staatsbürger:innen unterstützen aktuell die Prämienentlastungs-Initiative.

Gleichzeitig ist der Nein-Trend in der Diaspora stärker ausgeprägt: Innerhalb eines Monats stieg der Anteil der Gegner:innen der Vorlage in dieser Personengruppe um 13 Prozentpunkte auf 42%.

Der starke Anstieg der Nein-Stimmen in der Fünften Schweiz ist schwer zu erklären. «Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sind in der Regel nicht in der Schweiz versichert und würden daher nicht von einer Deckelung der Krankenkassenprämien profitieren“, sagt die gfs.bern-Politologin Martina Mousson.

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Um die SP-Initiative zeichnet sich ein klassischer Links-Rechts-Konflikt ab. Besonders attraktiv ist sie in den Reihen der Grünen und der SP, während Personen, die den Parteien der Rechten und der Mitte nahestehen, vehement dagegen sind.

Wenig überraschend sind Personen mit niedrigem und mittlerem Einkommen mehrheitlich für den Initiativtext. Umgekehrt ist der Widerstand von Personen mit einem Monatslohn von über 11’000 Franken besonders ausgeprägt.

Es zeichnet sich überdies ein Graben zwischen der Deutschschweiz und der lateinischen Schweiz ab. Die französisch- (66%) und italienischsprachigen (69%) Teile des Landes unterstützen das Anliegen der SP weitgehend, während es in der Deutschschweiz nur 43% überzeugt.

Trotz wachsendem Widerstand finden die Befürworter:innen mit ihren Argunten immer noch Zustimmung. 87% der Befragten sind insbesondere der Ansicht, dass aufgrund der immer weiter steigenden Gesundheitskosten Handlungsbedarf besteht.

Die Finanzierung der Massnahmen sorgt jedoch für Skepsis bei den Stimmberechtigten: 58% befürchten Steuererhöhungen und zusätzliche Belastungen für Familien.

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Der nächste Prämienanstieg erreicht die Debatte

Da die Unterstützung für Volksinitiativen im Lauf der Kampagne tendenziell abnimmt, wird es die Vorlage der SP schwer haben, den Test an der Urne zu bestehen. Die Politolog:innen von gfs.bern gehen davon aus, dass sie mindestens am Ständemehr scheitern dürfte.

«Die letzte Woche begonnene Debatte um die Prämienerhöhung für 2025 könnte jedoch das Blatt noch wenden», sagt Mousson. Nach Abschluss der Umfrage gab der Online-Vergleichsdienst Comparis bekannt, dass er für 2025 einen durchschnittlichen Prämienanstieg von 6% prognostiziert.

Kostenbremse-Initiative auf Nein-Kurs

Der Ansatz der Mitte-Partei, um den Versicherten zu Hilfe zu eilen, überzeugt noch weniger als jener der SP. Die Vorlage, welche die Regierung verpflichten will, Massnahmen zu ergreifen, sobald die Gesundheitskosten um 20% stärker als die Löhne steigen, vermag eine Mehrheit der Stimmberechtigten nicht zu überzeugen. Ein Scheitern der Initiative zeichnet sich ab.

Laut der Umfrage wollen 54% der Befragten die Vorlage nun ablehnen, während noch 41% dafür eintreten und 5% unentschlossen sind.

Innerhalb eines Monats haben sich die Verhältnisse umgekehrt: Das Ja-Lager hat 11 Prozentpunkte verloren und das Nein-Lager 13 Prozentpunkte gewonnen.

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Bei den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern ist die Zustimmung auf 48% gesunken.

Die Mittepartei allein gegen alle

Der Mittepartei ist es nicht gelungen, über die eigenen Reihen hinaus zu überzeugen. Links wie rechts lehnen die politischen Gruppierungen den Vorschlag ab.

Darüber hinaus lehnen auch fast alle von den Politolog:innen untersuchten Bevölkerungsgruppen die Initiative ab. Die Personen mit den niedrigsten Einkommen, die bis zu 3000 Franken im Monat verdienen, unterstützen ihn noch mit 49%.

Der Röstigraben zeichnet sich weniger deutlich ab als bei der SP-Initiative. Obwohl es auch hier Unterschiede zwischen den Sprachregionen gibt.

Die Vorlage findet in der französischsprachigen Schweiz noch 49% und in der italienischsprachigen Schweiz 55% Unterstützung, gegenüber 38% in der Deutschschweiz.

Für die zweite Umfrage im Hinblick auf die eidgenössische Volksabstimmung vom 9. Juni 2024 hat das Institut gfs.bern zwischen dem 13. und 22. Mai 12’279 Stimmberechtigte befragt. Die statistische Fehlermarge liegt zwischen +/-2,8 Prozentpunkten.

Im Lauf der Kampagne sind die Schwächen der Initiative immer deutlicher hervorgetreten. Die Argumente der Gegner:innen verfangen. So halten es 72% der Befragten für falsch, die Gesundheitsversorgung an die wirtschaftliche Entwicklung zu koppeln.

Die Kernidee der Kostenbremse findet jedoch weiterhin eine Mehrheit: 54% unterstützen das Argument, dass der Mechanismus wirksam ist, weil er alle Beteiligten des Gesundheitssystems an einen Tisch bringt.

Das Stromgesetz ist attraktiv

Breite Zustimmung findet das Stromgesetz. 73% der Befragten rechnen mit einer Zustimmung zu dieser Reform, die den Ausbau der erneuerbaren Energien im Inland stärken und die Stromversorgung sichern will.

24% sind dagegen und 3% sind unentschlossen. Bei den Auslandschweizer:innen beträgt die Zustimmung 71%, 25% sind dagegen, 4% noch unentschlossen.

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Es herrscht ein breiter gesellschaftlicher Konsens über die Reform. Nur die Wählerschaft der rechtskonservativen SVP lehnt die Vorlage ab.

Die Argumente haben im Laufe der Kampagne nichts von ihrer Wirksamkeit verloren. Eine überwältigende Mehrheit der Befragten ist insbesondere der Ansicht, dass das Energiegesetz die lokale Stromproduktion fördert und somit die Abhängigkeit vom Ausland verringern dürfte.

Eine Klatsche für die Impfinitiative

Die Stimmbevölkerung ist auf bestem Weg, eine weitere Initiative jener Kreise zu verwerfen, die mit den während der Pandemie getroffenen Massnahmen unzufrieden waren. Die Opposition gegen die Initiative «Stopp der Zwangsimpfung» hat sich seit der ersten Umfrage sogar noch verstärkt.

75% der Befragten lehnen die Vorlage ab, 22% sind dafür und 3% haben sich noch nicht entschieden. Auch unter den Auslandschweizer:innen ist die Ablehnung der Vorlage stark ausgeprägt.

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Die Initiative überzeugt keine der von gfs.ben untersuchten Bevölkerungsgruppen. Selbst die Wählerschaft der SVP unterstützt sie nicht mehr, obwohl die Partei die Annahme der Initiative empfiehlt.

Editiert von Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Marc Leutenegger

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