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Abstimmung: Zustimmung bröckelt

Umfrageresultat: Das Stimmvolk unterstützt die Vorlagen, doch die Opposition macht Terrain wett. swissinfo.ch

Die Vorlagen zu Bürgerrechten und Mutterschaft bei den Volksabstimmungen vom 26. September haben immer noch gute Chancen. Doch die Opposition ist deutlich gewachsen.

Dies zeigt die letzte Umfrage des Instituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR idée suisse.

In zehn Tagen stimmt die Schweiz über vier Vorlagen ab: Zwei bezüglich Bürgerrecht, die Volksinitiative «Postdienste für alle» und die Mutterschaftsentschädigung.

Die zweite Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern konzentrierte sich auf die drei Behörden-Vorlagen. Das Stimmverhalten zur Post-Initiative wurde nicht untersucht.

Würde heute schon abgestimmt, würden alle drei Vorlagen immer noch angenommen, allerdings viel weniger deutlich, als dies bei der ersten Umfrage von Mitte August noch der Fall war.

Vorsprung für Regierung schwindet

Mit 64% (-11%) am meisten Zustimmung erhielte der Bürgerrechtserwerb für Ausländerinnen und Ausländer der dritten Generation, 29% (+10%) wären dagegen, 7% sind noch unentschlossen.

Bei der erleichterten Einbürgerung der zweiten Generation wäre das Verhältnis nun 53% Ja (-15%) zu 37% Nein (+13%) bei 10% Unentschlossenen.

Immer noch gut im Rennen liegt der Erwerbsersatz bei Mutterschaft: Den 59% Ja-Stimmen (-10%) stünden 32% Nein-Stimmen (+14%) gegenüber. 9% zeigten sich noch unentschlossen.

Der Gegnerschaft sei es gelungen, die anfänglich breite Zustimmungs-Bereitschaft zu den drei Vorlagen zu reduzieren. «Das heisst nichts anderes, als dass die ersten Zustimmungs-Tendenzen nur labil vorbestimmte Entscheidungs-Absichten waren und die Ja-Seite generell zu defensiv agiert», analysiert das Institut.

Bürgerrechte: Unterschiedliche Zustimmung

Die erste Vorlage, die erleichterte Einbürgerung junger Ausländerinnen und Ausländer der zweiten Generation, dürfte es laut der Umfrage wohl am Schwersten haben. Falls sich der Trend von Ja zu Nein bis zum Abstimmungstag fortsetze, sei der Ausgang dieser Entscheidung «ungewiss».

Auf rund 10% mehr Ja-Stimmen kann die zweite Vorlage hoffen, der Bürgerrechtserwerb für die dritte Generation. Doch auch bei dieser Vorlage ist der gleiche Trend zu beobachten.

Der Meinungswandel gehe dabei klar vom doppelten Ja zur doppelten Ablehnung. 46% der teilnahmewilligen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger wollen beiden Vorlagen zustimmen (-14%), 24% sind gegen beide (+14%).

Von den Personen, die einmal Ja und einmal Nein einlegen wollen, würden zwei Drittel den Bürgerrechtserwerb vorziehen. Dabei hat die Umfrage eine parteipolitische Polarisierung gemäss den offiziellen Parolen festgestellt.

Mutterschaftsentschädigung noch gut im Rennen

Der Erwerbsersatz bei Mutterschaft, die Entschädigung für erwerbstätige Mütter während 14 Wochen nach der Geburt eines Kindes, würde heute mit 59%.

Die 10% weniger Zustimmung seien bei einer Referendumsabstimmung zu erwarten gewesen, heisst es. Doch sei es dem Nein-Lager zusätzlich gelungen, einen Teil der ursprünglichen Befürworterinnen und Befürworter umzustimmen.

Am deutlichsten sei dies bei der Schweizerischen Volkspartei (SVP) zu beobachten: Während sich Mitte August die Ja- und Nein-Stimmen aus diesem Lager mit je 43% noch die Waagschale hielten, seien es nun 68% Nein zu 24% Ja.

Bei den beiden bürgerlichen Parteien FDP (Freisinnig-Demokratische Partei) und CVP (Christlichdemokratische Volkspartei) zeigt sich eine gegenteilige Tendenz: Innerhalb ihrer Wählerschaft hat die Zustimmungs-Bereitschaft deutlich zugenommen.

Ebenfalls verringert habe sich die Unschlüssigkeit. «Hier scheinen die parteispezifischen Kampagnen zugunsten des Mutterschaftsurlaubes zu greifen», so die Umfrage.

Doch neben der Parteiorientierung spiele bei der Entscheidung auch die Sprachregion eine Rolle. Klar höher als in der Deutschschweiz ist die Zustimmungs-Bereitschaft in der Romandie und im Tessin. Einen weiteren Unterschied hat die Umfrage zwischen Stadt (starke Zustimmung) und Land (geringere Zustimmung) ausgemacht.

Interessiertes Stimmvolk

Das Interesse an den Abstimmungen hat laut der Umfrage zugenommen. Während sich vor Monatsfrist noch 44% der Befragten an den Abstimmungen beteiligen wollten, sind es nun bereits 55%. Zusätzliche 21% wollen «eher teilnehmen».

Die Umfrage kommt zum Schluss, der Nein-Seite sei es nicht nur gelungen, «unentschiedene Bürger und Bürgerinnen für sich zu gewinnen, sondern auch anfänglich Zustimmende zu einem Meinungswandel zu bewegen».

Das vorliegende Ergebnis zeige allerdings nur den Stand der Meinungsbildung und die Trends auf, schreibt das Institut gfs.bern. Es sei nicht als Prognose zum Abstimmungsausgang zu werten.

swissinfo, Christian Raaflaub

Die Parolen der Regierungs-Parteien:

Christlichdemokratische Volkspartei (CVP):
2. Generation: Ja
3. Generation: Ja
Post-Initiative: Nein
Mutterschaft: Ja

Freisinnig-Demokratische Partei (FDP):
2. Generation: Ja
3. Generation: Ja
Post-Initiative: Nein
Mutterschaft: Ja

Schweizerische Volkspartei (SVP):
2. Generation: Nein
3. Generation: Nein
Post-Initiative: Nein
Mutterschaft: Nein

Sozialdemokratische Partei (SP):
2. Generation: Ja
3. Generation: Ja
Post-Initiative: Ja
Mutterschaft: Ja

Erleichterte Einbürgerung 2. Generation: 53% Ja (-15%), 37% Nein (+13%).
Bürgerrechtserwerb 3. Generation: 64% Ja (-11%), 29% Nein (+10%).
Mutterschafts-Entschädigung: 59% Ja (-10%), 32% Nein (+14%).
Befragt wurden zwischen 6. und 11. September 1214 Stimmberechtigte in allen Landesteilen.

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