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Abstimmungen vom 22. September: Noch ist alles offen

Zwei rote Stühle auf dem Bundesplatz, das Bundeshaus im Hintergrund
Auch im Bundeshaus sind die Sommerferien vorbei. Keystone / Alessandro Della Valle

Zwei Vorlagen mit Mehrheiten – vorerst: Zu Beginn der Kampagnenphase sehen die ersten Trends Mehrheiten für die Biodiversitätsinitiative und die Pensionskassenreform. Sicher ist allerdings noch nichts.

Die Sommerferien sind vorbei, das politische Leben in der Schweiz erwacht – und die Abstimmungskämpfe für den Urnengang vom 22. SeptemberExterner Link nehmen an Fahrt auf. Mit der Biodiversitätsinitiative kommt ein Anliegen mit Spaltpotenzial entlang der üblichen Linien auf, während die komplexe Vorlage der Pensionskassenreform noch für Diskussionen sorgen wird.

Wäre bereits Anfang August abgestimmt worden, wäre die Biodiversitätsinitiative knapp angenommen worden und die Pensionskassenreform hätte eine relative Mehrheit gefunden. Das ergab die erste SRG-Umfrage, die das Institut gfs.bern durchgeführt hat. Die Hauptphase des Abstimmungskampfes beginnt allerdings erst – und die beiden Siege sind alles andere als sicher.

Für die erste Umfrage im Hinblick auf die eidgenössische Volksabstimmung vom 22. September 2024 hat das Institut gfs.bern zwischen dem 29. Juli und dem 12. August 12’332 Stimmberechtigte befragt. Die statistische Fehlermarge liegt zwischen +/-2,8 Prozentpunkten.

Biodiversitätsinitiative: Ein Ja mit trüben Aussichten

Stand Anfang August wäre die Biodiversitätsinitiative angenommen: Gemäss dem ersten Trend sind 51% der Stimmberechtigten bestimmt oder eher dafür, 43% dagegen. Unentschlossen sind 6%.

Allerdings rechnen von den Befragten knapp drei Viertel mit einer Ablehnung. Initiativen verlieren im Verlauf der Meinungsbildung meist an Zustimmung: Das ursprüngliche Problem rückt in den Hintergrund, mögliche negative Folgen der Vorlagen werden mehr diskutiert.

Das dürfte der Initiative bereits während der Sommermonate an Zustimmung gekostet haben, als das gegnerische Lager den Abstimmungskampf aufgenommen hat. Letztlich wird sich alles daran entscheiden, welche Sicht sich durchsetzen kann: Ist die Biodiversität ein unterschätztes Problem? Oder würde eine Annahme der Initiative zu grosse Landflächen für jegliche Nutzung ausschliessen?

Hier erfahren Sie alles über die Biodiversitätsinitiative:

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Die Lagerbildung erfolgt entlang den üblichen Linien

Die Vorlage zeige ein klares politisches Konfliktmuster, schreibt gfs.bern: Die Unterstützung für die Initiative kommt hauptsächlich von links, den Agglomeration, der Romandie und den Frauen. Dagegen sprechen sich entsprechend vor allem Männer und auf dem Land lebende Personen aus.

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Am klarsten unterstützen die Anhänger:innen der SP und der Grünen die Vorlage, eine deutliche Mehrheit auch bei der GLP. Bei der Mitte hingegen sprechen sich die meisten dagegen aus, bei der Anhängerschaft von FDP und SVP ist die Ablehnung noch deutlicher.

In der französischsprachigen Schweiz sind gemäss Umfrage 57% für die Initiative, viele sind noch “eher” dafür oder unentschlossen. In der italienischsprachigen Schweiz erhält die Initiative 51% Unterstützung, in der deutschsprachigen Schweiz spricht sich nur eine relative Mehrheit von 49% für die Initiative aus.

Unter den Auslandschweizer:innen geniesst das Anliegen mehr Sympathien: Der Anteil jener, die bestimmt oder eher dafür sind, ist höher (60%) – während diejenigen, die bestimmt dagegen sind, deutlich weniger sind (15%).

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Katy Romy

Welche Massnahmen sollten ergriffen werden, um die Biodiversität in Ihrem Land zu erhalten?

Die Biodiversitäts-Initiative: Sie ist für die Gegnerinnen und Gegner zu extrem und für die Befürworterinnen und Befürworter unverzichtbar.

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Rentenreform: Ausgang unbekannt

Knapper sieht es schon jetzt für die Rentenreform aus: Der “Reform der beruflichen Vorsorge BVG” stimmten nur eine relative Mehrheit von 49% zu, 39% sprachen sich dagegen aus.

Auffällig ist, dass vergleichsweise hohe 12% noch gänzlich unentschlossen sind. Die Vorlage gilt als komplex, bei den Befragungen fiel weiter auf, dass die Meinungsbildung noch bei wenigen der Teilnehmenden abgeschlossen war.

Es wird erwartet, dass der Abstimmungskampf hart geführt wird: In letzter Zeit kamen vermehrt sozialpolitische Vorlagen an die Urne, die Verteilkämpfe werden aufgrund knapper finanzieller Reserven des Bundes hitziger geführt.

Dass gehandelt werden muss, da sind sich praktisch alle einig: 87% sind voll oder eher einverstanden, dass die Situation von Teilzeitarbeitenden – insbesondere von Frauen – verbessert werden soll. Dass die Beiträge für ältere Erwerbstätige sinken, finden 54% gut, und 49% pflichten bei, dass der Umwandlungssatz für BVG-Renten nicht zu hoch sein darf.

Das Gegenargument, wonach die Reform ein “Bschiss” sei, zieht allerdings auch: 51% sind davon überzeugt, dass Arbeitnehmende höhere Beiträge zahlen würden und später dann weniger Rente erhielten. Noch mehr (65% voll/eher) sind mit dem Argument einverstanden, dass angesichts der Teuerung und der hohen Zinsen eine Senkung der BVG-Renten für viele nicht verkraftbar ist.

Hier erfahren Sie alles über die BVG-Reform:

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[Symbolic Image, Staged Picture] A taxi driver of retirement age at work in Lucerne, Switzerland, on June 8, 2018. (KEYSTONE/Christof Schuerpf)

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BVG-Reform: Darum geht es bei der Abstimmung

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Mehr BVG-Reform: Darum geht es bei der Abstimmung

Gleiche Stimmabsichten im In- und Ausland

Eindeutig für die Vorlage sprachen sich GLP-, Mitte- und FDP-nahe Wählende aus. Zu einem Ja tendieren zudem Parteiungebundene, sowie Menschen die SVP oder Grüne wählen. Dagegen sprechen sich hauptsächlich Personen, die mit der SP sympathisieren, wenn auch “überraschend knapp”, wie gfs.bern festhält.

Interessant ist die Diskrepanz zwischen Elite und Basis: Bei den Mitteparteien scheint es Einigkeit zu geben, während bei den Polen (also bei SVP, SP und Grünen) die Parolen nur bedingt greifen.

Die Stimmabsichten der befragten Auslandschweizer:innen sind praktisch gleichauf mit denjenigen der Landsleute in der Schweiz.

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Einen Einfluss auf den Abstimmungskampf könnte eine Misskalkulation haben: Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat sich bei der Prognose für die Ausgaben für die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) erheblich verschätzt. Das Versicherungssystem steht somit finanziell besser da als erwartet.

Allerdings wird insbesondere von links die Forderung laut, die Abstimmung zur Erhöhung des Frauenrentenalters zu wiederholen – der Rechenfehler habe das knappe Resultat von 50,5% Ja unredlich beeinflusst.

Lesen Sie hier mehr zum AHV-Streit:

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