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Ärzte: Weniger Schusswaffen – weniger Suizide

In der Schweiz bewahren viele Armeeangehörige ihre Waffe daheim auf. Keystone

Die Schweizer Ärzte erachten es als ihre Pflicht, sich an vorderster Front für die Volksinitiative "Für den Schutz vor Waffengewalt" einzusetzen. Für sie ist jedes verlorene Menschenleben eines zu viel. Am 13. Februar kommt das Begehren an die Urnen.

Die Schweizer Ärzteschaft ist nicht gerade dafür bekannt, sich politisch zu engagieren. Doch bei dieser Vorlage ist alles anders. Denn über 90 Prozent aller Toten durch Schusswaffen in der Schweiz sind Suizide.

«Es geht um die öffentliche Gesundheit, es geht um Suizidprävention. Und das ist für die Ärzteschaft ein wichtiges Anliegen», sagt Jacques de Haller, Präsident der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH).

Für die Ärzte gehe es dabei nicht um Politik, betont er: «Das Unterstützungs-Komitee der Initiative ist weit überparteilich.»

An der Delegiertenversammlung der FMH habe man Leute des Initiativkomitees wie auch Gegner der Initiative angehört, diskutiert und dann entschieden: «Es gehört zu den wichtigen Anliegen der Ärzteschaft, Leben zu schützen.»

Somit könne das Engagement der Ärzteschaft auch als Erweiterung des hippokratischen Eides interpretiert werden, der diesen Berufsstand dazu verpflichtet, Menschenleben zu erhalten.

«Es geht um eine ganz grundsätzliche Aktivität der Ärzteschaft, depressive Leute zu heilen, zu begleiten und natürlich den Tod zu vermeiden. Das gehört zu unserem Job», so de Haller.

Schreckliche Erfahrungen

Der Arzt weiss, wovon er spricht. Er hat selber jahrelang in Genf gearbeitet und Erfahrungen mit Schusswaffen-Suiziden gemacht. «Eine meiner ersten Todesbestätigungen als Grundversorger in Genf vor 20 Jahren war ein Suizid mit Waffe.» Die Umstände dieses Falls seien schrecklich gewesen, sagt er.

Das habe ihn aufgerüttelt, und mit ihm viele andere Ärztinnen und Ärzte: «Es ist schrecklich, was da passiert. Wenn man das 100 Mal pro Jahr in der Schweiz vermeiden kann, ist das natürlich unbedingt zu tun.»

Strengere Gesetze – weniger Suizide

Zwar hat sich die Zahl der Suizide und Todesfälle durch Schusswaffen in der Schweiz in den letzten 10 Jahren verringert. Mehr Menschen setzen heute ihrem Leben mit Gift und Medikamenten ein Ende. Aber gerade bei jungen Männern seien Waffen noch immer ein sehr beliebtes Mittel, aus dem Leben zu scheiden, so der FMH-Präsident.

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Die Zahlen zeigten aber auch, dass weniger Waffen weniger Suizide bedeuteten, sagt er: «Was wir von anderen Ländern wie England, Schottland, Australien, Kanada wissen: Wenn die Gesetze betreffend Schusswaffen strenger werden, sinkt die Suizidrate mit Schusswaffen und damit auch die allgemeine Suizidrate.»

Welchen Wert hat ein Menschenleben?

Würden die Waffen (namentlich Armeewaffen) gemäss der Initiative nicht mehr freiwillig, sondern systematisch im Zeughaus deponiert, würde dies die Sicherheit erhöhen, ist Jacques de Haller überzeugt.

«Zwar nicht, was die Kriminalität betrifft – das ist nicht das Thema der Initiative –, aber die Sicherheit betreffend Suizide und Haushaltgewalt wäre viel grösser. Dass dies einiges kostet, ist möglich.»

De Haller nimmt mit dieser Äusserung auch gleich Bezug auf ein Argument der Gegnerschaft: Diese betont, wegen der Einlagerung von Armeewaffen im Zeughaus schaffe die Initiative Mehrkosten in Millionenhöhe. «Wo sind wir, um Dutzende Leben mit einer Million Franken pro Jahr zu vergleichen?», fragt er.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Gegen Affekthandlungen

Auch das Argument, die Initiative sei zu streng mit den Sportschützen, lässt die Schweizer Ärztevereinigung nicht gelten. In der Initiative sei vorgesehen, dass Personen, die Waffen für den Sport oder die Jagd benutzten, diese problemlos behalten könnten.

«Für uns geht es um Suizide von Leuten, die einfach plötzlich entscheiden, ‹jetzt ist es zu viel, jetzt mache ich es›. Wenn die Waffe im Schrank, im Korridor ist, dann tun sie es. Wenn die Waffe nicht da ist, das ist bewiesen, dann tun sie es nicht. Und so werden Leben gerettet.»

Als Beispiel einer erfolgreichen Verhinderung von Suiziden im Affekt nennt de Haller die Münsterplattform in der Altstadt von Bern. An dieser wurden 1998 Netze angebracht, um Suizide zu erschweren.

«Die Kirchenfeldbrücke ist etwas über 100 Meter entfernt vom Münster. Doch die Leute sind nicht zur Kirchenfeldbrücke gegangen, um zu springen. Es beweist, dass die Leute nicht einfach eine andere Methode benutzen.»

(Dieser Artikel ist Teil einer Serie zu den Eidgenössischen Abstimmungen vom 13.2.2011. Die Sicht der Gegner der Initiative wird in einem anderen Artikel vorgestellt.)

2008 sind gemäss Bundesamt für Statistik 259 Menschen durch Schusswaffen umgekommen, 239 davon waren Suizide.

Die meisten Schusswaffentoten waren Männer. Lediglich 13 Frauen waren unter den Opfern.

Seit 1998 hat die Zahl der Toten durch Schusswaffen um knapp die Hälfte abgenommen. Damals waren es noch 466 Personen, 413 davon waren Suizide.

Dafür hat sich im gleichen Zeitraum die Anzahl Suizide mit Gift und Medikamenten fast verdoppelt: 2008 haben sich 395 Menschen auf diese Art selber getötet.

2008 haben sich insgesamt 1313 Menschen das Leben genommen.

Die Delegierten der FMH haben sich 2009 klar für die Unterstützung der Initiative ausgesprochen.

Nicht alle Mitglieder unterstützen allerdings dieses Engagement.

So sind die Antworten auf eine E-Mail, in der die FMH ihre Mitglieder kürzlich zur Unterstützung der Initiative aufgerufen hat, zu zwei Dritteln negativ ausgefallen, wie Präsident de Haller gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung sagte.

De Haller ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei (SP) und kandidiert bei den nächsten Nationalratswahlen für die SP Bern.

FMH-Vizepräsident Ignazio Cassis hingegen, Nationalrat der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP.Die Liberalen), sitzt gar im Co-Präsidium des Komitees gegen die Volksinitiative.

– Bedarfs- und Fähigkeitsnachweis für den Umgang mit Waffen.

– Ein Verbot jeglichen privaten Erwerbs von Seriefeuerwaffen und so genannten «Pump Actions».

– Ordonnanzwaffen sollen im Zeughaus und nicht zu Hause aufbewahrt werden.

– Ein zentrales Registrierungs-System für Feuerwaffen.

Verteidigungsminister Ueli Maurer von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) hat die Debatte um die Waffeninitiative zum Jahresbeginn um ein weiteres Argument ergänzt, mit dem er postwendend für eine Kontroverse sorgte.

Zur Frage, warum Frauen die Initiative eher unterstützten, erklärte er gegenüber dem Landboten: «Sie kennen die Waffe nicht.»

Die ehemalige Justizministerin des Kantons Bern, die freisinnige Dora Andres, kommentierte im Bund, Frauen hätten zwar weniger Erfahrung mit Schusswaffen, könnten dafür aber «sehr gut mit Messern umgehen».

Beide Votanten sorgten mit ihren Äusserungen bei Befürwortern und sogar bei einigen Gegnern der Initiative für Kopfschütteln.

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