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AHV-Revision mutiert zur Sparvorlage

11. AHV-Revision bringt vor allem Einsparungen. Keystone

Die Neuauflage der 11. AHV-Revision ist vom Nationalrat knapp gutgeheissen worden. Er lehnte eine soziale Abfederung der Frühpensionierung ab, erhöhte aber das Rentenalter für Frauen.

Linke und Grüne protestieren dagegen: Die Beschlüsse kämen einem Sozialabbau gleich. Sollte auch die kleine Kammer der Vorlage so zustimmen, dürfte es zu einem Referendum kommen.

Die 11. AHV-Revision ist eine reine Sparübung geworden, durch die das Sozialwerk um jährlich 800 Mio. Franken entlastet wird. Am Zuge ist nun der Ständerat. Übersteht die wacklige Reform den Zweitrat und die Schlussabstimmung, ist ihr das Referendum sicher.

Im Übrigen sorgt die Volksinitiative der Gewerkschaften dafür, dass sich der Souverän auch zur Flexibilisierung des Rentenalters äussern kann.

Freuen konnten sich am Ende der achteinhalbstündigen Debatte mit der knappen Kommissionsmehrheit die Schweizerische Volkspartei (SVP) und die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP).

«Knallharter Sozialabbau»

Linke und Grüne hingegen sprachen von «knallhartem Sozialabbau», einem «Schlag ins Gesicht der Frauen» und einer «politischen Totgeburt». Zum zweiten Mal innert fünf Jahren habe die bürgerliche Mehrheit einen Scherbenhaufen angerichtet, sagte der St. Galler Sozialdemokrat Paul Rechsteiner.

Nun bleibe nur noch die Volksinitiative der Gewerkschaften für ein flexibles AHV-Alter.

Auch die Christlich-Demokratische Volkspartei (CVP), die sich für eine Minimallösung zur Flexibilisierung des Rentenalters eingesetzt hatte, mochte die Reform nicht mehr mittragen.

Keine Variante genehm

Beim Thema Frühpensionierung lehnte der Rat nach einer Abstimmungskaskade mit 97 zu 86 Stimmen auch die billigste Variante einer erleichterten Frührente für kleine und mittlere Einkommen ab.

Die anderen Modelle der CVP, der Grünen und der SP, die Kosten zwischen 750 Mio. und 1,4 Mrd. Franken verursacht hätten, waren schon vorher auf der Strecke geblieben.

Zum Schluss beschloss der Rat folgerichtig mit 123 zu 66 Stimmen auch die Nein-Parole zur Gewerkschaftsinitiative. Diese verlangt ungekürzte Renten für jene, die nicht mehr als 119’000 Franken verdienen und mit 62 Jahren die Erwerbstätigkeit aufgeben.

Ab 60 Jahren halbe Rente möglich

Ungehört verhallte der Appell der Linken und der CVP, ein altes Versprechen einzulösen und dafür zu sorgen, dass sich nicht länger nur Gutbetuchte den vorzeitigen Ruhestand leisten können.

Unbestritten blieb nur die Möglichkeit, ab 60 Jahren und bis 70 Jahre eine halbe Rente zu beziehen.

Zu den Siegern gehörte mit der SVP und der FDP auch Sozialminister Pascal Couchepin: Die flächendeckenden Vorschläge der Kommissionsminderheiten seien allesamt «scheinheilig» und «ineffizent».

Überbrückungsrente für unteren Mittelstand

Couchepin trauerte dem Vorschlag des Bundesrates nach, für den unteren Mittelstand im Gesetz über die AHV-Ergänzungsleistungen eine Vorruhestandsleistung einzuführen.

Auf diese Überbrückungsrente für die Jahre zwischen 62 und dem ordentlichen Rentenalter war der Rat überhaupt nicht eingetreten.

Gleichstellung entlastet

Nach dem Entscheid gegen die sozial abgefederte Frühpensionierung trat das links-grüne Lager vergeblich gegen die Erhöhung des Frauen-Rentenalters von 64 auf 65 Jahre an.

Doch die Gleichstellung der Geschlechter beim AHV-Alter, die das Sozialwerk um jährlich 620 Mio. Franken entlastet, wurde mit 120 zu 69 Stimmen beschlossen. «Auch die AHV muss endlich im Zeitalter der Gleichberechtigung ankommen», sagten die Sprecherinnen der FDP und der CVP.

Rentenanpassung der Renten

Mit 130 zu 64 Stimmen schuf der Rat die Möglichkeit, die Anpassung der Renten nach dem Mischindex langsamer anzupassen. Die Anpassung an Löhne und Preise hängt künftig vom Stand des AHV-Fonds ab. Solange der Fonds mindestens 70% einer Jahresausgabe beträgt, soll sie bei einer Teuerung unter 4% alle zwei Jahre und bei einer Teuerung ab 4% jährlich erfolgen.

Bei einem Fondsstand unter 70% gibt es hingegen keinen fixen Anpassungsrhythmus mehr. Massgeblich ist dann ein Anstieg des Konsumentenpreis-Indexes um mindestens 4%. Das links-grüne Lager sagte «Hände weg vom Mischindex», musste sich aber auch hier geschlagen geben.

Weitere – teils technische – Revisionspunkte gaben nichts zu reden. Stillschweigend beschloss der Rat insbesondere die Aufhebung des Freibetrags bei der Beitragspflicht erwerbstätiger Altersrentner, mit der 140 Millionen gespart werden können.

swissinfo und Agenturen

Seit 10 Jahren laborieren Regierung und Parlament an einer Rentenreform herum. Die erste Fassung der 11. AHV-Revision scheiterte 2004 in der Volksabstimmung.

Ausschlaggebend war, dass die Revision keine flexible Regelung für die Frühpensionierung von einkommensschwachen Personen vorsah.

Die zweite Fassung der Revision droht nun den gleichen Weg zu nehmen: Gegen den Willen von Sozialminister Couchepin beschloss der Nationalrat (grosse Kammer), die Vorlage durchzuziehen.

Sollte die kleine Kammer (Ständerat) dieser Ansicht folgen, sind zwei Szenarien denkbar.

Entweder findet sich in der Schlussabstimmung im Parlament doch noch eine knappe Mehrheit gegen die Reform, oder es kommt zu einer Referendumsabstimmung.

Dabei hätten die Gegner der Reform gute Chancen, das Vorhaben zu Fall zu bringen.

Die Zustimmung des Nationalrates zur 11. AHV-Revision hat unterschiedliches Echo ausgelöst.

Der Gewerbeverband bezeichnete den Entscheid als weitsichtig.

Angesichts der düsteren Finanzierungsperspektiven der AHV sei es wichtig, dass die resultierenden Einsparungen ausschliesslich für die Sicherung des Sozialwerks eingesetzt würden.

Die Gewerkschaften hingegen sprachen von einem Affront gegen das Volk und einem Totalschaden.

Ohne Korrektur im Ständerat sei das Referendum beschlossene Sache und das Nein der Stimmbevölkerung so gut wie sicher, teilte Dachverband Travail.Suisse mit.

Mit seiner Ablehnung des sozialen Ausgleichs zementiere der Nationalrat die vorzeitige Pensionierung als Privileg der Gutverdienenden.

swissinfo.ch

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