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Nawalny: «Die Schweiz ist leider erste Adresse für korrupte Russen»

Die Enthüllungen der "Panama Papers" scheinen ihm Recht zu geben: Alexej Nawalny, der seit längerem die Verbindung korrupter russischer Spitzenfunktionären in die Schweiz denunziert. zVg

Der russische Oppositionelle Alexej Nawalny ist hartnäckiger Korruptionsjäger und einer der schärfsten Kritiker von Präsident Wladimir Putin. Auch der Schweiz stellt er kein gutes Zeugnis aus: Gegenüber swissinfo.ch erklärte er noch vor der Panama-Papers-Affäre, das Interesse der Schweiz an schmutzigen Geldern sei nicht zu übersehen. Aus heutiger Sicht sind seine Aussagen umso brisanter.

swissinfo.ch: In der Schweiz sind die direktdemokratischen Traditionen sehr stark verankert. Was bedeutet direkte Demokratie für Sie?

Alexej Nawalny: Sie ist ein sehr wichtiges Element auf unserer politischen Agenda. Unsere Progress-Partei ist die einzige politische Kraft in Russland, die auf Prinzipien der direkten Demokratie baut. Wenn es beispielweise darum geht, die Parteigremien zu besetzen, aber auch bei der Lösung von Fragen grundsätzlicher Natur.

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Die «Panama Papers» führen zu Putin-Geldern in Zürich

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Von den zehn Finanzinstituten, die weltweit am meisten Offshore-Konstrukte für Kunden verkauft haben, stammen vier aus der Schweiz. Das Ziel von solch hochkomplexen Gebilden: Vermögen zu verschieben, verschleiern und verstecken. Und das alles, damit die Inhaber ihrem Staat keine Steuern abliefern müssen. «Die ‹Panama Papers› sind eine globale Untersuchung, die nicht nur auf den Finanzplatz…

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Innerhalb der russischen politischen Opposition setzen wir uns konsequent dafür ein, transparente Vorwahlen als Instrument des politischen Lebens zu etablieren. In diesem Sinne ist die Schweizer Erfahrung eben gerade das, worauf wir uns berufen, wenn es darum geht, die Ansicht zu überwinden, Volksentscheide seien immer irreführend. Das Volk ist aber nicht dumm.

swissinfo.ch: Sie haben sich die Bekämpfung der Korruption auf die Fahnen geschrieben. Wie ist die Lage in Russland bezüglich der Korruption?

A.N.: Für das System Putin ist sie das Führungsprinzip schlechthin. Man versucht sogar, für die Korruption eine Art philosophische Legitimation zu erfinden. Doch ich bin überzeugt: Die Korruption ist Russlands Staatsfeind Nr. 1. Warum meiden Investoren Russland und warum etablieren sich die normalen Geschäftsstrukturen nicht? Wegen der Korruption.

Der führende russische oppositionelle Aktivist und nationalistische Politiker (39) gründete 2011 die unabhängige Nichtregierungsorganisation «Stiftung zur Korruptionsbekämpfung» (FBK), die sich aus Spenden finanziert.

Ziel der FBK ist es, die staatliche russische Korruption zu dokumentieren und publik zu machen. Im Juli 2013 wurde Nawalny in einem umstrittenen Prozess wegen Unterschlagung zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt.

Im Oktober 2013 wurde diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Im Dezember 2014 folgte ein weiterer von Beobachtern als politisch angesehenen Prozess, in dem Nawalny zu einer weiteren Bewährungs- und sein Bruder zu einer Haftstrafe verurteilt wurden.

Mehr noch: Um die Bevölkerung von der Korruption abzulenken – denn eben sie war der Hauptgrund, warum die Bürger 2010 und 2011 auf die Strasse gingen – hat Putin den Krieg gegen die Ukraine vom Zaun gebrochen.

swissinfo.ch: Auf der ganzen Welt versucht man die Korruption und Geldwäscherei zu bekämpfen, und auch Sie haben bereits viel Erfahrung gesammelt, was die Aufdeckung von «sicheren finanziellen Häfen» angeht. Wie schneidet die Schweiz hier ab?

Ein anderes Bespiel ist Artjom Tschaika, der Sohn des russischen Generalstaatsanwalts Juri Tschaika. Tschaika Junior stand mit einer Verbrecherbande in Verbindung, die im Süden Russlands mehrfach Morde verübte.

Dennoch hat er die Schweizer Aufenthaltsbewilligung erhalten, etwa drei Millionen Franken in Immobilien investiert und führt jetzt zusammen mit einem Schweizer Bürger ein juristisches Unternehmen. Er fühlt sich vollkommen frei und geniesst anscheinend das Wohlwollen Schweizer Behörden, dasjenige der Bundesanwaltschaft inklusive.

swissinfo.ch: Reiche Russen kommen in der Schweiz zu leicht zu Aufenthaltsbewilligungen. Sind die Schweizer Behörden einfach naiv?

A.N.: Mit Naivität hat das nichts zu tun. Diese Leute sind sehr gut bekannt in Russland und sie sind es auch in der Schweiz.

swissinfo.ch: Ist es in der Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern einfacher, nach Informationen zu suchen?

A.N.: Ja, in der Tat. Die Schweizer Handelsregister beispielsweise sind öffentlich zugänglich. Schwieriger gestaltet sich die Suche, wenn es darum geht, gewisse Immobilien ausfindig zu machen. Dennoch gelingt es uns in den meisten Kantonen in der Regel zu finden, wonach wir suchen. Dabei können wir immer auf die Unterstützung von örtlichen Freiwilligen zählen.

Einer der Söhne des russischen Generalstaatsanwalts Juri Tschaika, Artjom Tschaika, soll sich illegal eine staatliche Firma einverleibt haben – mit freundlicher Unterstützung von Staatsanwälten aus dem Umfeld seines Vaters. Zudem gebe es Hinweise auf Mafia-Beziehungen, behauptet Alexej Nawalny.

Direkte Verfehlungen des Generalstaatsanwalts werden zwar nicht nachgewiesen. Aber die furiose Business-Karriere Artjom Tschaikas sowie dessen zweifelhafte Kontakte werfen Fragen auf.

Insgesamt hat Tschaika Junior in den vergangenen Jahren offenbar ein beachtliches Vermögen angehäuft. Laut Nawalny besitzt er zahlreiche Unternehmen in ganz Russland, zudem ein Luxus-Hotel in Griechenland und ein stattliches Haus unweit von Genf. Er verfüge auch über eine Aufenthaltsbewilligung für die Schweiz.

Nawalny vermutet, dass die von Tschaika Jr. in der Schweiz investierten Gelder illegaler Herkunft sind. Deswegen hat er sich an die schweizerische Bundesanwaltschaft sowie die Finanzmarktaufsicht (Finma) gewandt.

Auf Anfrage des Schweizer Fernsehens (SRF) erklärte die Bundesanwaltschaft Anfang Februar 2016, sie kenne diese Vorwürfe, wolle sich inhaltlich aber noch nicht dazu äussern. Auch die Finma wollte damals zum konkreten Fall keine Stellungnahme abgeben.

Quelle: SRF News

swissinfo.ch: Die Zeitung «L’Hebdo» schreibt von einer «Galaxie Suisse de Poutine». Ist diese Schweizer Galaxie von Putin-Freunden in der Schweiz eine Realität?

A.N.: In der Schweiz existieren definitiv Lobbyistengruppen, die sich gezielt für die Sichtweise des Kremls stark machen. Das Interesse an schmutzigen Geldern ist auch nicht zu übersehen. Auf diesem Gebiet ist eine riesige Infrastruktur entstanden, in die sowohl normale Bankangestellte, als auch höhere Beamte involviert sind. Sehen Sie sich nur im Genfer Bankenviertel um.

swissinfo.ch: Wie sieht die Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Bundesanwaltschaft aus?

A.N.: Leider verläuft diese Kooperation ziemlich einseitig. Gleich nachdem wir alle Unterlagen zum Fall Tschaika Junior im Dezember 2015 publik machten, haben wir der Bundesanwaltschaft eine sehr detaillierte Schilderung geschickt, was Artjom Tschaika hier so alles treibt. Seitdem richten wir fast wöchentlich Anfragen an die Schweizer Bundesanwaltschaft mit der Bitte, uns mitzuteilen, was nun der Stand der Ermittlung ist.

Die Behörden aber halten es nicht für nötig, Information mit uns zu teilen. Aber der Fall Artjom Tschaika ist dermassen glasklar, dass ich ehrlich gesagt einfach schockiert bin. Die Schweizer Rechtsbehörden haben anscheinend kein Interesse daran, die eigenen Bürger vor Dieben und Mördern zu schützen.

swissinfo.ch: Was haben Sie bisher mit Ihrer Arbeit erreicht?

A.N.: Wir haben zum Beispiel bei einem russischen Parlamentarier, er heisst Wladimir Pechtin, nicht ordnungsgemäss deklarierte Immobilien gefunden. Daraus wurde ein unglaublicher Skandal, und er musste alle seine Ämter niederlegen.

Doch bereits seit geraumer Zeit weigern sich die Behörden in Russland schlicht, unsere Arbeit zu beachten. Sie unternehmen daher nichts, was in der öffentlichen Wahrnehmung als Reaktion auf unsere Tätigkeit interpretiert werden könnte.

Ziemlich lange Zeit haben wir beispielsweise den Fall des russischen Bahnchefs Wladimir Jakunin verfolgt. Er wurde schlussendlich entlassen, aber erst zwei Jahre nach unseren Recherchen. Man hat seine Entlassung ziemlich lange vor sich hergeschoben, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, dies sei eine logische Konsequenz unserer Ermittlung. Genau dasselbe erwarten wir im Fall Juri Tschaika.

*Das Interview wurde schriftlich geführt.

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