Allianz gegen «uniformierte Scheinpolizisten»
Die Sicherheit der Bahnreisenden soll in der Hand der Polizei bleiben. Das fordern die Verbände der Polizei-Beamten und des Bahnpersonals sowie Amnesty International und die Ebenrain-Konferenz.
Die vier Organisationen richten ihren Appell an den Ständerat. Die kleine Kammer wird sich in der laufenden Session nach dem Nationalrat mit der Bahnreform 2 und damit auch mit einer möglichen Privatisierung der Bahnpolizei befassen.
Man beurteile den Beschluss, den die grosse Parlamentskammer diesen Frühling mit der Bahnreform 2 getroffen hat, als absoluten Fehlentscheid, erklärte Heinz Buttauer, Präsident des Verbandes Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB), in Bern. Damit werde der Privatisierung von hoheitlichen Polizeikompetenzen Tür und Tor geöffnet. «Wir wollen keine uniformierten Scheinpolizisten», so Buttauer, der seit 33 Jahren bei der Stadtpolizei Zürich arbeitet.
Hoffnung auf den Ständerat
«Ich glaube nicht, dass wir mit unserer Allianz zu spät sind», sagte Buttauer gegenüber swissinfo. «Seit der Nationalrat diese unsäglichen Entscheide gefällt hat, sind wir immer wieder in Kontakt mit Ständeratsmitgliedern. Ich bin optimistisch, dass die kleine Kammer den Entscheid des Nationalrates umkippen wird.»
Der Chef der Polizeibeamten hofft zumindest, «dass der Ständerat aufgrund unseres Bündnisses nun endlich auch merkt, dass eine geballte Front auf ihn zukommt, wenn da falsche Signale gesetzt werden».
Bundesrat Leuenberger habe schon im Nationalrat eindringlich vor dem Eindringen privater Sicherheitsanbieter gewarnt – «leider ohne Erfolg». Auch Justizministerin Widmer-Schlumpf habe sich jüngst klar und deutlich gegen private Sicherheitsfirmen ausgesprochen. «Ich hoffe, der Ständerat hat das aufgenommen.»
SBB und Polizeidirektoren
Die aktuelle Position der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) zur Frage der Privatisierung der Bahnpolizei kennt Buttauer nicht. Er wisse nur, dass die Transportpolizei wieder dem Chef öffentlicher Verkehr SBB unterstellt und ein neuer Kommandant gewählt worden sei. «Aber wie die SBB und das Bundesamt für Verkehr (BAV) genau Stellung zu dieser Frage nehmen, entzieht sich meiner Kenntnis.»
Was die Position der kantonalen Polizeidirektoren betreffe, sei er als VSPB-Chef nicht der richtige Ansprechpartner. Es gebe sicher verschiedene Ansichten in gewissen Angelegenheiten. «Aber ich glaube, die Justiz- und Polizeidirektoren-Konferenz kann sich nicht dafür einsetzen, dass polizeihoheitliche Tätigkeiten privatisiert werden.
Die Waffen-Frage
Auch Allianz-Partner Amnesty International zeigt sich beunruhigt über die Sicherheit der jährlich über 300 Millionen Bahnreisenden, ist aber klar gegen den Einsatz von Schusswaffen in Schweizer Bahnen.
Wie will der VSPB gegen die zunehmende Gewalt in Zügen vorgehen? Für Heinz Buttauer ist klar: «Die Bahnpolizei kann ihre Tätigkeit nicht unbewaffnet ausüben.»
Man müsse allerdings verschiedene Aspekte ausleuchten: Schusswaffe, Taser, polizeilicher Mehrzweckstock, Gas- und Pfefferspray seien alles Kategorien, die unter dem Überbegriff Waffen liefen. «In den Zügen kann ich mir Schusswaffe oder Taser nicht vorstellen. Dort ist eher Tränengas, Pfefferspray oder der Polizeimehrzweckstock einzusetzen.
In den Bahnhöfen dagegen patrouilliere die Bahnpolizei, die Transportpolizei und repräsentiere die öffentliche Sicherheit. «Dort kann ich mir vorstellen, dass eine Schusswaffe getragen werden kann. In den Bahnhöfen seien heute auch Juweliergeschäfte und Banken angesiedelt. «Da gibt es schnell Alarm, und da muss auch die Transportpolizei aktiv werden können», so Buttauer.
Ungewöhnliche Koalition
Für den Schweizerischen Eisenbahn- und Verkehrspersonal-Verband (SEV) muss die Sicherheit im öffentlichen Verkehr mit einer starken staatlichen Transportpolizei gewährleistet werden. Und die Ebenrain-Konferenz, die grösste Allianz von Arbeitnehmer- und Gewerkschafts-Dachverbänden, lehnt die Privatisierung des Service Public aus Spargründen ab.
Das Zusammengehen von VSPB, SEV, Amnesty International und Ebenrain-Konferenz sei eine etwas ungewöhnliche Koalition, sagte Buttauer. «Aber im Nationalrat gibt es manchmal auch unheilige Allianzen zwischen SVP und SP. Wieso soll dies auf Verbands- oder gewerkschaftlicher Ebene nicht möglich sein, wenn es um ein Sachgeschäft und darum geht, etwas zu bekämpfen oder zum Guten zu wenden?»
swissinfo, Jean-Michel Berthoud
Wirtschaftsverbände werden nicht müde, Privatisierungen und Deregulierungen von öffentlichen Dienstleistungen zu fordern, unter dem Hinweis auf den angeblichen Rückstand der Schweiz zum Liberalisierungsstand in der EU.
Die Ebenrain-Konferenz hat 2006 bei der Konjunktur-Forschungsstelle der ETH Zürich (KOF) eine wissenschaftliche Studie über die Effizienz öffentlicher Dienstleistungen in Auftrag gegeben.
Diese hält fest, dass die Schweiz im internationalen Vergleich sehr gut dasteht und der Service Public auch nicht aufgebläht ist, wie der Vergleich mit anderen Ländern nach Beschäftigten und Kosten zeigt.
Die KOF-Studie kommt sogar zum Schluss, dass öffentliche Dienstleistungen den volkswirtschaftlichen Wohlstand und die Produktivität einer Marktwirtschaft erheblich erhöhen.
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