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Armee: Wegen Hitlergruss nach Hause spediert

Die Schweizer Armee liebt die Rechtsextremisten nicht. Keystone

Vier Angehörige der Grenadier-Rekrutenschule Isone sind am Donnerstag wegen rechtsextremem und rassistischem Benehmen nach Hause geschickt worden.

Die Suspendierungen folgen auf andere Fälle von missbräuchlichem Verhalten in der Armee, die in die Medien gekommen sind.

Zwei Unteroffiziere und zwei Rekruten der Grenadier-RS Isone (Tessin) sind am Donnerstagabend nach Hause geschickt worden. Sie grüssten sich innerhalb einer Gruppe mit Hitlergruss und äusserten sich rassistisch und rechtsextrem.

Die Entlassung sei auf dem administrativem Weg erfolgt, sagte Armeesprecher Felix Endrich am Freitag zu einer Mitteilung des Departements für Bevölkerungsschutz, Verteidigung und Sport (VBS).

Vermehrte Aufmerksamkeit nach dem 1. August

Mitte Woche bereits hatte die Gratiszeitung «20 Minuten» einen makabren Fall thematisiert, bei dem eine Abu-Ghraib-ähnliche «Torturszene» von jungen Soldaten nachgestellt worden war. Das im Mai 2004 gemachte Foto war im Internet publiziert gewesen.

Nach den Störaktionen von Neonazis an der 1.-August-Feier auf dem Rütli, als Verteidigungsminister Samuel Schmid ausgepfiffen und beschimpft wurde, stellte sich in der Öffentlichkeit die Frage, ob solche Rechtsextreme auch Dienst in der Armee leisten, und wie deren Bekämpfung in der Armee verbessert werden könnte.

«Auch Soldaten und andere Truppenangehörige dürften nach dem, was auf dem Rütli vorgefallen ist, sensibler geworden sein», sagt Armeesprecher Felix Endrich gegenüber swissinfo. Sie würden solche Vorfälle nun eher melden.

Laut Endrich ist für die Armee das Überprüfen extremistischer Aktivitäten ohnehin seit drei Jahren «Business as usual». Zuständig dafür sei die «Fachstelle Extremismus».

Weniger als acht Fälle im Jahr

Endrich bestätigt die Schätzungen des Leiters der «Fachstelle Extremismus», Carl Wilhelm Eberli, dass rund 800 Neonazis in der Schweizer Armee Dienst leisten. Das entspreche ungefähr der Hälfte der gemäss der Polizei existierenden Anzahl an Aktiven oder Sympathisanten.

Da es nicht nur um Extremismus in der Armee geht, ist diese Fachstelle jüngst aufgewertet und in das Departement des Inneren (EDI) eingegliedert worden.

Endrich bestätigt gegenüber swissinfo ferner, dass der Fachstelle jährlich weniger als acht Meldungen über mögliche Vorfälle erstattet werden.

Fachstelle auch im jüngsten Fall involviert

Die umgehende Entlassung der vier Grenadiere in Isone stelle laut Endrich kein Präjudiz dar. Die Fachstelle Extremismus nehme nun weitere Abklärungen vor.

Namentlich soll untersucht werden, ob die vier Wehrmänner schon vorher als Rechtsextreme aufgefallen und in der einschlägigen Szene bekannt sind. Allfälligen bereits erfolgten Strafuntersuchungen oder Verurteilungen wird ebenfalls nachgegangen.

Dass die beiden Unteroffiziere in ihrem militärischen Werdegang bisher nicht auffielen, erklärt sich der Armeesprecher mit ihrer möglichen Zurückhaltung.

Meinungsfreiheit oder extremistische Aussagen?

Die Armee gewährleistet die Meinungsfreiheit als Grundrecht. Extremistische Aussagen, Gesten und Aktionen jeglicher Richtung würden aber nicht geduldet, heisst es in der VBS-Mitteilung.

Aufgrund der eingeleiteten Abklärungen wird entschieden, wie es mit den vier Männern weitergeht, sagte Endrich. Die möglichen Sanktionen wegen Verstoss gegen das Dienstreglement reichen von Arrest über Busse bis zu Umteilung, Beförderungs- und Aufgebotsstopp.

Ausschluss als letzte Konsequenz

Bei einer Umteilung würden die Wehrleute einem Pool statt einer Formation zugeteilt. So könnten sie den Dienstbetrieb in der Truppe nicht weiter stören.

Letzte Konsequenz wäre ein Ausschluss aus der Armee. Dazu wäre aber die Verurteilung durch ein Strafgericht wegen eines Verstosses oder eines Verbrechens, die Verurteilung zu Zuchthaus durch ein Militärgericht, eine Bevormundung oder ähnliches die Voraussetzung.

Drei Geständnisse

Vor einer Woche waren die rechtsextremen Umtriebe Kadern und Rekruten aufgefallen. Der Kommandant der Grenadierschule hatte daraufhin eine interne Untersuchung eingeleitet.

Dabei bekannten sich die beiden Rekruten und ein Unteroffizier zu den Hitlergrüssen und Äusserungen. Dem anderen Unteroffizier wurden die Verfehlungen durch Angehörige der Schule nachgewiesen.

swissinfo und Agenturen

Die Schweizer Armee verfügt seit drei Jahren mit der «Fachstelle Extremismus» über ein Instrument, um extremistischen Aktivitäten vorzubeugen und sie zu überwachen.

Pro Jahr werden weniger als acht Fälle gemeldet.

Die Fachstelle schätzt, dass dennoch rund 800 Neonazis Dienst tun. Meistens halten sie sich zurück.

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