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Armee zwischen Verteidigung und Friedenssicherung

Keystone

Die Bevölkerung habe lediglich vage Vorstellungen von der neu ausgerichteten, reformierten Schweizer Armee, sagt deren Spitze. Mit den Militärtagen Lugano soll sich das ändern.

Die grosse, materialintensive und spektakuläre Leistungsschau ist bisher kein Publikumsrenner. Das Tessin steht unter Dauerregen.

«Das Volk will die Armee und es will sie sehen!», schreibt Verteidigungsminister Samuel Schmid in seinem Grusswort.

Die Armee ist da. Sie stellt ihre ganze Diversifikation mitsamt Kerngeschäft grossflächig aus. Drinnen und draussen, am Boden, im Wasser und in der Luft.

Wo ist das Volk? – Eine eigens für den Anlass gezimmerte Kinderschaukel bleibt unbenutzt. Kein Kind weit und breit, nur Soldaten im Kampfanzug.

Die Tessiner seien halt nicht so begeistert von der Armee, sagt ein Offizier. Er hat viel mehr Publikum erwartet. «Ich sage das als Thuner. Da ist fast jeder ein Armeefan.» Vor einem Jahr verzeichneten die Heerestage in Thun an nur zwei Tagen rund 120’000 Besucher.

Lugano ist ein bedeutender Finanzplatz, der drittgrösste der Schweiz. Banken und Treuhänder, Handel und Tourismus generieren mehr als 27’000 Arbeitsplätze. Die Stadt hat knapp 50’000 Einwohner.

Entsprechend hoch ist die Bentley- und Maserati-Quote auf den verstopften Strassen. Die Mode-Boutiquen sind edel. Italien ist nicht weit. Die Auslagen der Bijouterien zeigen die glänzende Vielfalt der Schweizer Uhrenmanufakturen im Luxussegment.

Locker und dynamisch

In dieser noblen Umgebung wirkt der FA-18-Kampfbomber in Tarnfarbe. fast ein wenig verschämt. Das Aushängeschild der Lufthoheit liegt auf dem ersten Flugzeugträger der Schweizer Armee, einer Pontonbrücke.

Die Armee zeigt sich in Lugano locker und dynamisch. Keine Exerzier-Übungen, kein Defilee, sondern geduldige Helikopterpiloten, die den Schulklassen Sinn und Zweck von Lufttransporten erklären.

Schüler sitzen begeistert in einem Flugsimulator. Ein Offizier erläutert auf einem Laptop die Überwachung der Lufthoheit, seit dem 11. September 2001 ein Kerngebiet der Luftwaffe.

Fortbildung, nicht Wiederholung

Europaweit ist jedes Flugzeug auf dem Bildschirm identifizierbar und nachverfolgbar. Für das Abfangen verdächtiger Flugobjekte stehen die FA-18 mitsamt Piloten rund um die Uhr auf einem Militärflughafen bereit.

Auch die Inneneinrichtung des schwimmenden Restaurants auf dem See geht mit der Mode. Es ist eine Lounge. Überhaupt werden sich viele aus der Wehrpflicht entlassene Besucher verwundert die Augen reiben.

Der Wiederholungskurs, WK, heisst jetzt Fortbildungsdienst der Truppe, auf dem Stand der Militärmusik steht ein elektrisches Drum-Set und die Frauen können – bei entsprechender Eignung – «alle Funktionen übernehmen».

Nostalgie und Friedenssicherung

Augenfällig sind auch die Stände über die Katastrophenhilfe, die Swisscoy-Truppen im Kosovo, das Kompetenzzentrum für Minenräumung. Die Fliegertruppen erinnern an ihre Einsätze nach dem Tsunami und bei den Waldbränden in Griechenland.

Näher an der traditionellen Landesverteidigung sind die lasergestützten Waffensysteme. Drei Veteranen geraten ins Schwärmen. Zärtlich streicheln sie das kalte Metall des Fliegerabwehrsystems.

Neben der Ausstellung gibt es auch verschiedene Vorführungen. Angriff einer Panzerbrigade. Das Szenario kann in der Nähe des ausserhalb der Stadt gelegenen Stadions Cornaredo besichtigt werden.

Heulende Motoren

Eine Aufklärungsdrohne fliegt über die Kampfzone. Sie überträgt ihre Aufnahmen auf einen Grossbildschirm. Panzergrenadiere nehmen die feindlichen Stellungen ins Visier. Ein Minenräumgerät räumt das Gelände. Die Motoren heulen, die Leo-Kampfpanzer preschen vorbei.

Beim Strandbad inszenieren die verschiedenen Blaulicht-Truppen der Armee ein Erdbebenszenario. Der Zivilschutz ist überfordert. Die Armee setzt schweres Bergungsmaterial ein.

Schwere Baukräne bauen Notbrücken. Helfer bergen «Verletzte» aus eingestürzten Häusern. Seewasser wird mit einer Wasseraufbereitungs-Anlage zu Trinkwasser filtriert. Riesenscheinwerfer beleuchten die Szene.

swissinfo, Andreas Keiser, Lugano

Vom 20. – 25. November stellt sich die Schweizer Armee in Lugano zum ersten Mal in einer Stadt der Öffentlichkeit vor.

Die letzten Armeetage fanden 1998 in Frauenfeld statt.

Seither hat das Schweizer Volk im Mai 2003 das Reformprojekt Armee XXI gutgeheissen.

Neben einer Verkleinerung der Truppenstärke und vermehrter Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern, beinhaltet die Arme XXI auch eine Verlagerung von der Verteidigungsarmee auf die drei Säulen Friedensförderung, Existenzsicherung sowie Raumsicherung und Verteidigung.

Mit einem weiteren Reformpaket soll die Armee vermehrt subsidiäre Sicherungs-Einsätze leisten und infanterielastiger werden. Die Panzertruppen sollen reduziert werden.

Gedacht ist es als Festschrift für den am 1. Januar 2008 abtretenden Chef der Armee. Das Buch «Christophe Keckeis – Die Zukunft der Schweizer Armee».

Herausgeber sind Philippe Zahno, Kommunikationschef der Armee und der Journalist Anton Schaller.

Nach der Veröffentlichung am 16. November, kritisierten Parlamentarier die Tatsache, dass Rüstungsfirmen als Sponsoren an der Finanzierung beteiligt waren und die Absicht der Armee, 5000 Exemplare an Offiziere und Mitarbeitende der Bundesverwaltung zu verteilen.

Die dafür vorgesehenen 100’000 Franken Steuergelder beschäftigten auch die Schweizer Öffentlichkeit.

Am Mittwoch hat Verteidigungsminister Samuel Schmid entschieden, dass für die Festschrift keine öffentlichen Gelder verwendet werden dürfen.

Auf die Verteilung des Buches wird nun verzichtet.

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