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Asyl auf dem Prüfstand

Ungewisse Zukunft im Warteraum. Keystone

Die Schweiz soll für Asylsuchende weniger attraktiv werden. Dies will eine Initiative der Schweizerischen Volkspartei.

Das revidierte Asylgesetz gehe zum Teil schon über die Forderungen hinaus, sagen Bundesrat und Parlament. Sie lehnen die Initiative daher ab.

Die Schweiz sei viel zu attraktiv für Asylsuchende, die eigentlich nur hier arbeiten wollten, sagt die Schweizerische Volkspartei (SVP). Seit einigen Jahren versucht sie daher, den so genannten Missbrauch des Asylrechts zu bekämpfen.

Entsprechende Vorstösse im Parlament hätten nicht gefruchtet, deshalb hat die SVP nun zur Initiative gegriffen. “Eine Volksinitiative ist das letzte Mittel, um die politischen Ideen zu verwirklichen”, erklärt Parteipräsident Ueli Maurer gegenüber swissinfo.

“Die Initiative gibt vor, Missbräuche zu bekämpfen. Aber im Grundsatz schafft sie das Asylrecht eigentlich ab”, kritisiert Cécile Bühlmann, Präsidentin der Grünen Fraktion und Vize-Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus.

Knacknuss Drittstaaten-Regelung

“Wir nehmen zu viele Personen unter dem Deckmantel ‘Asylbewerber’ auf, die eigentlich nicht Asyl suchen, sondern Arbeit”, argumentiert Maurer.

Asylsuchende, die über einen so genannten sicheren Drittstaat in die Schweiz eingereist sind, sollen daher zurückgeschickt werden.

Schlicht als “Illusion” bezeichnet die Regierung die Initiative und diesen Vorschlag. 95 Prozent aller Asylsuchenden würden auf dem Landweg in die Schweiz gelangen, und damit zwangsläufig über ein Nachbarland, respektive einen sicheren Drittstaat.

Die Nachbarländer würden wohl kaum alle abgewiesenen Asylsuchenden gleich wieder zurücknehmen. Dieses Verfahren lasse sich gar nicht realisieren.

Dieser Ansicht ist auch Bühlmann: “Wenn man für 95 Prozent aller, die zu uns kommen, die Türe zuschlägt, und ihnen überhaupt verunmöglicht, in dieses strenge Verfahren aufgenommen zu werden, ist es ein radikaler Bruch mit all dem, was die Schweiz bisher in der Asylpolitik gemacht hat.”

Humanitäre Tradition in Gefahr?

Justizministerin Ruth Metzler, betraut mit dem Asylwesen, kritisiert die Initiative als “Scheinlösung”. Die Drittstaatenregelung breche mit der humanitären Tradition der Schweiz.

Ins gleiche Horn stösst auch Cécile Bühlmann, für die schon die derzeitige Asylpolitik des Bundesrates an die Grenzen der Genfer Konvention für die Behandlung von Flüchtlingen geht: ” Die Schweiz würde international ihren Ruf als Land mit einer humanitären Tradition verlieren.”

Ueli Maurer sieht das anders: “Ich bin der Meinung, dass die Schweiz ihre humanitäre Tradition damit stärkt, weil sie endlich wieder Kapazitäten hat, um echt humanitär tätig zu werden, jenen Leuten Asyl und Unterkunft zu geben, die das nötig haben.”

Einschränkungen geplant

Nicht nur im Bereich der Einreise will die Initiative Änderungen bewirken. Auch die Bedingungen für in der Schweiz lebende Asylsuchende sollen verschärft werden. So sollen für sie die freie Arztwahl eingeschränkt und die Fürsorge vereinheitlicht werden.

Zudem sollen Asylsuchenden, die auf eine Rückschaffung warten, die Fürsorgegelder gekürzt und die Arbeitsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Ein “doppelbödiges, durchschaubares Spiel” nennt Bühlmann diese Forderungen.

“Die Leute wären schliesslich genau dort, wo sie die SVP haben will: Sie wären gefährdet, sich mit Kleinkriminalität über Wasser zu halten.”

Dies lässt Maurer nicht gelten. Das Arbeitsverbot “wird vor allem eine abhaltende Wirkung haben. Weil man weiss, dass man in der Schweiz nicht arbeiten kann als Asylbewerber, ist die Schweiz nicht mehr interessant.”

Asylgesetz wird verschärft

Der Bundesrat weist darauf hin, dass einige der SVP-Forderungen bereits in der Revision des Asylgesetzes aufgenommen worden seien.

Laut Metzler soll ein neues Finanzierungsmodell finanzielle Anreize für Kantone vorsehen, welche Wegweisungen schneller vollziehen. Dies sei die bessere Lösung, um Kosten zu sparen.

Die SVP begrüsst die Verschärfungen, doch in der Praxis würden diese immer wieder verwässert. Ueli Maurer: “Wir üben im europäischen Vergleich nach wie vor eine Sogwirkung aus.”

Doch für Cécile Bühlmann ist die Initiative zu einfach für ein dermassen komplexes Problem: “Die Initiative würde keine Probleme lösen, sondern ganz viele neue dazu kreieren.”

Initiativen abgelehnt

Die Initiative gegen Asylrechtsmissbrauch ist die dritte Initiative im Asyl- und Ausländerbereich innerhalb der letzten zehn Jahre. Die letzten beiden Initiativen wurden 1996 und 2000 von Volk und Ständen abgelehnt.

Die vorliegende Initiative wurde in der Zeit des Kosovo-Krieges 1999 lanciert. Damals suchten besonders viele Menschen Schutz in der Schweiz. Nach Ende des Krieges kehrten über 42’000 Vertriebene zurück in ihre Heimat.

Damit sind zur Zeit rund 67’000 Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Menschen in der Schweiz. Im Unterschied zum EU-Durchschnitt hat jedoch die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz seit 2001 wieder leicht zugenommen.

Über die Initiative “gegen Asylrechtsmissbrauch” entscheiden das Volks- und das Ständemehr.

swissinfo, Christian Raaflaub

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