Asylinitiative: Abstimmungs-Ausgang wieder offen
Die zweite repräsentative Umfrage ergab: 43% der Schweizerinnen und Schweizer würden heute für die SVP-Initiative stimmen.
Der Ausgang der Abstimmung über die Asylinitiative der SVP erscheint wieder offen.
Die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger werden sich am 24. November 2002 für oder gegen eine restriktivere Asylpolitik entscheiden. Das GfS-Forschungsinstitut befragte im Auftrag der SRG SSR idée suisse zum zweiten Mal knapp 1’300 Personen zur Asylinitiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP).
Nein-Seite stärker geworden
Hätte die Abstimmung in der Woche vom 4. bis 9. November stattgefunden, wären 43% der Stimmbürger für die Initiative gewesen, 37% dagegen und 20% ohne Meinung.
Gegenüber der ersten Repräsentativ-Befragung im Oktober bedeutet dies, dass der Abstimmungsausgang bei der Asylinitiative wieder offener ist. Die Nein-Seite ist um 13 Prozentpunkte stärker geworden, während die Zustimmung um 14 Prozentpunkte abgenommen hat. Nur ein Teil davon erklärt sich aber durch einen eigentlichen Meinungswandel.
Steigende Beteiligungsabsichten
Vielmehr stieg die Beteiligungs-Bereitschaft von 42 auf 51% an. Dabei hat sich die Zusammensetzung der wahrscheinlich Abstimmenden verändert. Die Gegnerschaft der Initiative ist heute besser mobilisiert als die Befürworter. Mehr Personen, die der Volksinitiative kritisch gegenüber stehen, wollen sich heute an der Abstimmung beteiligen.
Klare Geschlechter-Unterschiede
Die Positionen gegenüber der Asylinitiative unterscheiden sich weiterhin im Bezug auf das Bildungsniveau der Befragten, sind aber geringer geworden. Absolventinnen und Absolventen einer universitären Ausbildung sind heute noch deutlicher im Nein. Bei Personen mit Berufsschul- oder Grundschulabschluss ist der Vorsprung der Befürworter kleiner geworden.
Ebenso klar unterscheidet sich die Ausrichtung der Stimmabsichten nach dem Alter: Zu den Befürwortern gehören die Rentnergeneration, zu den Gegnern die jüngeren Bürger.
Neu gibt es auch einen signifikanten Unterschied zwischen den Geschlechtern. Frauen sind weniger stark für die Initiative als Männer. Sie bleiben aber auch stärker unschlüssig, was sie stimmen wollen.
Ungebrochene Kritik am Asylwesen
Kaum geändert hat sich die Kritik am Asylwesen. 74% (-2%) der Stimmbürger finden, die Kosten für das Asylwesen seien hoch. Ausserdem glauben 71% (-3%), die Behörden hätten die Einreise Asylsuchender nicht im Griff. Auch die Ausschaffung abgelehnter Asylsuchender wird laut 69% (+3%) der Befragten zu wenig konsequent betrieben.
Klareres Profil bei Nein-Argumenten
Verändert haben sich dafür die Haltungen zu den ablehnenden Argumenten. Deutlicher noch als vor einem Monat wird betont, dass die Initiative der humanitären Tradition der Schweiz widerspreche. 50% teilen diese Auffassung, was 6% mehr sind als vor einem Monat.
Vermehrt geteilt wird auch die Ansicht, dass die Initiative der Schweiz Umsetzungs-Probleme bringen würde. 36% (+6%) sind heute dieser Auffassung. Wenig glaubwürdig bleibt dagegen der Gegenvorschlag des Bundesrates: Nur 33% (-6%) der Befragten meinen, einige Forderungen der SVP seien bereits in der Asylgesetzrevision berücksichtigt.
Humanitäre Tradition polarisiert
Gewichtet man alle Argumente, ergibt sich eine erhebliche Verlagerung der relevanten Streitfelder. Am meisten polarisiert sind die beiden Lager heute durch die Frage der humanitären Tradition.
An zweiter Stelle steht bereits die Ablehnung der Initiative wegen der Art und Weise, wie die Kampagne dafür geführt wird: 50% sind der Ansicht, die SVP übertreibe mit ihrer Kampagne.
Und als drittes relevantes Thema folgen die Probleme mit der Umsetzung. Erst an vierter bis sechster Stelle kommen die generellen Vorwürfe an das Asylwesen, wobei die zu wenig restriktive Praxis bei der Einreise noch am stärksten die beiden Lager teilt. Die geringste meinungsbildende Wirkung geht vom Gegenvorschlag der Behörden aus.
Noch vor einem Monat bildeten sich die Meinungen fast umgekehrt. In erster Linie reflektierten sie, wie die Bevölkerung über das Asylwesen denkt. Die zweite Umfrage belegt, dass sich die Meinungsbildung unter dem Eindruck der fortschreitenden Kampagne differenziert hat.
swissinfo
Abstimmung am 24.11.2002
Stichprobe: 1300 Personen
43% der Stimmbürger für die Initiative
37% dagegen
20% ohne Meinung
51% wollen sich an der Abstimmung beteiligen
Bei der 1. Umfrage waren 57% der Stimmbürger für die SVP-Initiative und 24% dagegen
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