Asylrecht vor weiterer Verschärfung
Der Ständerat diskutiert ab Donnerstag die Teilrevision des Asylgesetzes. Die Vorlage ist äusserst umstritten.
Die vorberatende Kommission wünscht eine Verdoppelung der Haftdauer für heimzuschaffende Flüchtlinge sowie einen Sozialhilfestopp für abgewiesene Asylbewerber.
Das Asylwesen gehört in der Schweiz zu den heissen politischen Eisen. Es gibt kaum ein anderes Thema, über das so intensiv debattiert wird. Die politische Rechte vertritt dabei besonders radikale Forderungen. Wiederholt war die Asylpolitik Gegenstand von Volksabstimmungen.
Die jüngsten Vorschläge zur Revision des Asylgesetzes haben die alte Diskussion neu entfacht. Es handelt sich um brisante Anträge der staatspolitischen Kommission des Ständerats (SPK-SR), die ab Donnerstag im Plenum diskutiert werden.
Aufnahme aus humanitären Gründen
Die Teilrevision des Asylgesetzes war noch unter der inzwischen abgewählten Bundesrätin Ruth Metzler im Jahr 2001entstanden.
Das damalige Projekt sah eine Verschärfung vor, aber gleichzeitig auch Verbesserungen für Personen, die aus humanitären Gründen vorübergehend in der Schweiz Aufnahme finden. Der Zugang zum Arbeitsmarkt und die Familienzusammenführung sollten vereinfacht werden.
Die Einführung der «Aufnahme aus humanitären Gründen» führte dazu, dass im Mai 2004 bei der Debatte im Nationalrat ein guter Teil der Linken trotz starker Vorbehalte die Gesetzesrevision befürwortete.
Schraube erneut angezogen
Doch die von Ruth Metzler eingeleitete Reform und die ergänzenden Massnahmen des Nationalrates erschienen dem neuen Justizminister Christoph Blocher, dem Leader des rechten SVP-Flügels, als unzureichend.
«Ein Anfang ist gemacht, aber wir können nicht versprechen, dass die Massnahmen den Missbrauch des Asylrechts wirklich verhindern», erklärte Bundesrat Blocher bereits während der Nationalratsdebatte. Er kündigte an, dem Ständerat als Zweitkammer einige Korrekturen zu unterbreiten.
Blochers Vorstoss erhielt den fast bedingungslosen Rückhalt des Bundesrates. Konkret wurde vorgeschlagen, papierlose Asylbewerber vom Antragsverfahren auszuschliessen und die Haftdauer für Asylbewerber, die auf ihre Heimschaffung warten, aber ihre Identität nicht preisgeben, von 9 auf 18 Monate zu verdoppeln.
Weiterhin hatte der Bundesrat vorgeschlagen, alle abgewiesenen Asylbewerber vom Recht auf Sozialhilfe auszuschliessen. Diese Massnahme ist im vergangenen April bereits für Asylbewerber in Kraft getreten, auf deren Verfahren die Behörden nicht eingetreten sind.
Kommission geht noch weiter
Bereits die bundesrätlichen Vorschläge sind von den Befürwortern einer humanitären Schweizer Asylpolitik kritisiert worden. Gleichwohl hat die staatspolitische Kommission des Ständerats (SPK) im Februar die Schraube noch weiter angezogen.
Die SKP segnete nicht nur alle Ergänzungen des Bundesrats ab, sondern griff auchdie Idee Blochers wieder auf, eine spezielle Beugehaft für illegale Flüchtlinge einzuführen, die nicht mit den Behörden zusammenarbeiten. Der Bundesrat hatte diesen Vorschlag abgelehnt.
Die «Aufnahme aus humanitären Gründen» soll laut SPK wieder in eine «provisorische Aufnahme» umgewandelt werden, mit einer genauen Präzisierung der Kriterien. Die Zuständigkeit für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis wird demnach den Kantonen anvertraut und eine Familienzusammenführung frühestens nach drei Jahren möglich.
«Die Verwässerung der humanitären Aufnahme geht so weit, dass wir uns fragen, ob das am Ende noch irgendjemanden nützt», sagt Jürg Schertenleib, Sprecher der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (SFH).
Gemäss dem Verfassungsrechtler Jörg Paul Müller, der im Auftrag der SFH die neuen Vorschläge begutachtete, verletzen diese sogar die Bundesverfassung, insbesondere Artikel 12 (Recht auf Hilfe in Notlagen).
Ein Chor von Protesten
Der SPK-Entscheid hat nicht nur Flüchtlingsorganisationen alarmiert. Kritik kam auch von den Kirchen, vom Schweizerischen Gemeinde- und Städteverband, von der Sozialdirektorenkonferenz der Kantone und der Eidgenössischen Kommission für Flüchtlingsfragen.
Gemäss «Sonntags Zeitung» zirkuliert sogar im Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) ein Rundschreiben, wonach einige Normen des neuen Asylgesetzes internationales Recht verletzten.
Der Ball liegt nun beim Ständerat. Danach geht die Vorlage wieder zurück in den Nationalrat. Damit ist sicher: Die Debatte wird so schnell nicht beendet sein.
swissinfo, Andrea Tognina
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
14’250: Asylgesuche im Jahr 2004
32% Rückgang der Gesuche gegenüber 2003
1550 gutgeheissene Gesuche 2004 (1640 im Jahr 2003)
Ablehnende Entscheide in 10’080 Fällen
Die Staatspolitische Kommission des Stände-Rats hat im Februar neuen Massnahmen zur Verschärfung des Asylgesetzes zugestimmt.
Ab Donnerstag wird die Vorlage im Ständerat behandelt.
Die umstrittensten Massnahmen:
Verdoppelung von 9 auf 18 Monaten maximale Haftdauer für Asylbewerber in Ausschaffungshaft.
Spezialhaft für illegale Flüchtlinge, die nicht mit den Behörden zusammen-arbeiten.
Nichteintretens-Entscheid für Asylbewerber ohne Papiere.
Ausschluss von der Sozialhilfe für abgewiesene Asylbewerber.
Einschränkungen der Nothilfe
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