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Atomkraft: Auslaufmodell oder Notwendigkeit?

Das AKW Mühleberg, seit 1972 in Betrieb. Keystone

Am 13. Februar stimmt der Kanton Bern darüber ab, ob nach 2020 in Mühleberg ein neues Atomkraftwerk gebaut werden soll. Der Urnengang gilt als Stimmungstest für eine nationale AKW-Abstimmung und dürfte sich auf die Standortfrage für neue Kernkraftwerke auswirken.

Auch wenn die Abstimmung lediglich konsultativen Charakter hat, das Ergebnis also nicht bindend ist, dürfte sie trotzdem eine gewisse Signalwirkung haben. Denn im laufenden Jahr stehen auch in den Kantonen Waadt und Jura Volksentscheide zur Atomkraft an. Und voraussichtlich 2013 oder 2014 wird das Schweizer Stimmvolk Stellung dazu nehmen, ob neue Kernkraftwerke gebaut werden sollen.

Drei Standorte – zwei AKW

Ende 2010 haben sich die drei Stromkonzerne Axpo, Alpiq und BKW nach langem Ringen darauf geeinigt, gemeinsam zwei neue Kernkraftwerke zu bauen. Kostenpunkt: 20 Milliarden Franken. Im Rennen sind jedoch drei Standorte, nämlich Gösgen im Kanton Solothurn, Beznau im Kanton Aargau und eben Mühleberg im Kanton Bern.

An diesen drei Standorten stehen bereits Atomkraftwerke, die allesamt in die Jahre gekommen sind: Beznau I stammt aus dem Jahr 1969, Mühleberg wurde 1972 in Betrieb genommen.

Würden sich die Bernerinnen und Berner im Februar gegen ein neues Kernkraftwerk in ihrem Kanton aussprechen, dürfte der Standort Mühleberg aus dem Rennen sein. Die Berner Kantonsregierung hat jedenfalls signalisiert, dass sie den Volkszentscheid akzeptieren würde.

Bisher stimmte das Stimmvolk im vorwiegend bürgerlichen Kanton Bern stets atomfreundlich. Ganz anders die «rot-grün»-regierte Stadt Bern: Dort entschieden sich die Stimmberechtigten im November 2010 für einen Atomausstieg bis 2039.

Die üblichen Fronten

Die Fronten im Abstimmungskampf um ein Ersatz-AKW in Mühleberg verlaufen entlang der bekannten Linien. Für die Befürworter sind neue Atomkraftwerke unumgänglich, weil die Wirtschaft auf günstigen Strom und eine sichere Elektrizitätsversorgung angewiesen sei, sagt Christa Markwalder, freisinnige Nationalrätin aus dem Kanton Bern.

Sie sei eine grosse Anhängerin von erneuerbaren Energien und präsidiere die parlamentarische Gruppe für erneuerbare Energien. Man müsse aber realistisch bleiben: «Sonne und Wind produzieren nur gerade 0,1% der Stromversorgung in der Schweiz, währenddessen Kernenergie gegen 40% ausmacht.» Dieser Anteil sei durch erneuerbare Energien nicht zu ersetzen.

Umwelt und Abhängigkeit

«Wir wären zusätzlich von Stromimporten aus dem Ausland abhängig, und dieser Strom wird oft klimaschädigend produziert, das heisst, er stammt aus Kohle- oder Gaskraftwerken. Und das kann nicht in unserem umweltpolitischen Sinn liegen», so Markwalder, die sich im Komitee «Ja zu Mühleberg» engagiert.

Ganz anders sieht das die gegnerische Seite, welche die Atomkraft als Auslaufmodell bezeichnet: «Wir haben heute viel bessere und weniger gefährliche Alternativen», sagt Franziska Teuscher, Berner Nationalrätin der Grünen Partei und Mitglied des Komitees «Nein zu Mühleberg».

«Da ist zum einen die Energie-Effizienz, zum anderen sind das die erneuerbaren Energien wie Wind, Wasser oder Holz, die uns zuverlässig mit Energie versorgen und den Atomstrom ersetzen können.»

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Sogar ein Szenario des Bundesrates besage, dass man bis 2035 aus der Atomenergie aussteigen könne, so Teuscher. «Und eine Studie des Umweltberatungsbüros Infras hat ergeben, dass der Strombedarf ohne neue AKW gesichert werden und die Schweiz energieautark werden könnte.»

Risiken

Während die AKW-Gegner auf die vielen Risiken und Gefahren für Umwelt und Bevölkerung hinweisen, relativiert Markwalder: «Ich habe mich intensiv mit den Risiken aller Stromproduktionen auseinandergesetzt. Ich war letztes Jahr in Tschernobyl und habe auch die negativen Folgen eines Reaktorunfalls gesehen.»

Es gehe auch darum, dass man die Risiken selber unter Kontrolle habe und nicht darauf angewiesen sei, dass andere die Aufsicht über die Kernkraftwerke hätten, betont die FDP-Nationalrätin.

Atommüll

Gemäss Artikel 31 des Schweizer Kernenergie-Gesetzes sind die Betreiber eines AKW verpflichtet, «die aus der Anlage stammenden radioaktiven Abfälle auf eigene Kosten sicher zu entsorgen». Kein leichtes Unterfangen, dauert es doch 200’000 Jahre, bis hoch radioaktive Abfälle der Menschheit nicht mehr schaden können.

Die Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) sucht seit Jahrzehnten nach einem geeigneten Tiefenlager, um den Atommüll definitiv zu lagern.

Die Frage, wo die Atomabfälle aus den Schweizer AKW endgelagert werden sollen, ist nach wie vor offen. Heute wird der Atommüll im Zwischenlager Würenlingen aufbewahrt. Bis ein Tiefenlager in Betrieb genommen werden kann, dürfte es noch Jahrzehnte dauern.

Zwischenlager

Das Projekt Mühleberg II, über das jetzt abgestimmt wird, beinhaltet auch zwei grosse Zwischenlager. Dort soll neben schwach und mittelaktiven Abfällen auch hochradioaktiver Müll gelagert werden.

Pikantes Detail: Diese Information fehlt im Abstimmungsbüchlein, welche die Berner Stimmberechtigten erhalten haben. Diese Info-Lücke sorgte beim gegnerischen Komitee umgehend für Kritik.

Christa Markwalder von den Mühleberg-Befürwortern erklärt gegenüber swissinfo.ch, dass es ohnehin bei jedem Kernkraftwerk ein Zwischenlager gebe. Und zu Atommüll allgemein sagt sie: «Klar ist, dass wir unseren Müll selber entsorgen müssen und diesen nicht exportieren können.»

Die Anteile der Strom-Produktionsarten:

Wasserkraft: 55,8%

Kernkraft: 39,3%

Andere: 2,9%

Neue erneuerbare Energien

(aus Abfall, Biomasse und Biogas, Sonne, Wind): 2%

Quelle: Bundesamt für Energie

Beznau I

Inbetriebnahme: 1969

Beznau II

Inbetriebnahme: 1972

Mühleberg

Inbetriebnahme: 1972

Gösgen

Inbetriebnahme: 1978

Leibstadt

Inbetriebnahme: 1984

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