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Aufstieg und Fall des rechten Zentrums

Zerknirscht nach den Wahlen: Parteichef Stähelin (rechts) und Fraktionschef Cina. Keystone

Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) scheint ein Musterbeispiel für eine Regierungspartei. Seit über hundert Jahren ist sie im Bundesrat vertreten.

Doch der Anteil der Wählerstimmen dieser einst grossen Partei ist in den letzten Jahren in sich zusammengefallen.

Heute scheint es paradox, doch die Vorläuferpartei der CVP war nach 1848 die erste grosse und ernstzunehmende Oppositionspartei des neuen Bundesstaates Schweiz. Die Katholiken waren damals gegen diese Gründung.

Doch als Verlierer des Sonderbundskrieges (1847) hatten sie damals gegen die freisinnigen Modernisierer nichts zu melden.

Die Freisinnigen oder Radikalen hielten die Katholiken fern von allen Ämtern. Zusätzlich verschärften sie die Massnahmen gegen ihre Kirche. Politisch waren die Katholiken damals zurückgebunden in die Kantone, in welchen sie eine Mehrheit stellten.

Die Wende von 1874

Doch die Katholiken liessen sich nicht in ein Ghetto sperren. Um sich Gehör zu verschaffen, setzten sie die neuen Instrumente der direkten Demokratie ein, das Referendum und die Initiative.

Die Totalrevision der Bundesverfassung von 1874 bewies eindrücklich, wie die Katholisch-Konservativen (KK) als starke Opposition die Funktion des Staates blockieren konnten. Die Freisinnigen (FDP) zogen es darauf vor, sich ihren Gegenspielern anzunähern – die Türen öffneten sich.

Ein erster Katholisch-Konservativer wurde 1879 an das Bundesgericht gewählt. 1887 präsidierte ein KK-Nationalrat die Grosse Kammer, und 1891 erhielten die KK mit dem Luzerner Joseph Zemp ihren ersten Bundesrat.

Die Zusammenarbeit intensivierte sich, als ein gemeinsamer Gegner aufstieg – der Sozialismus. Der Generalstreik von 1918 stärkte diese Allianz zusätzlich.

1920, nach Einführung des Proporz-Wahlsystems, traten die Freisinnigen erneut einen Sitz im Bundesrat an die Katholisch-Konservativen ab.

Kurve Richtung Zentrum

Verschiedentlich versuchten die KK, ihr Wählersegment zu öffnen, indem sie nicht mehr nur katholische Interessen vertraten.

Ein erster Versuch in diese Richtung kann in der Entwicklung der christlich-sozialen Bewegung gesehen werden. In Folge der Enzyklika Rerum novarum des Papstes Léon XIII (1891) entwickelten die Katholiken soziale Thesen. Sie wollten die Arbeiterklasse einbinden und sich gleichzeitig vom Sozialismus abgrenzen.

Ein weiterer Impuls kam aus dem zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965). In dessen Folge organisierte sich die Partei neu und gründete 1970 die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP).

Diese Namensänderung zeigte, dass sich die CVP ihrer christlichen Wurzeln besann, jedoch nicht mehr allein die Interessen der Katholiken vertrat. Doch es war mehr als nur eine Namensänderung: Auch der Kurs wurde geändert.

Die neue CVP positionierte sich im politischen Spektrum nahe der Mitte. Geht es um wirtschaftliche und finanzielle Fragen, ist sie einer liberalen Haltung verpflichtet, bei sozialen Fragen hat sie keine Berührungsängste mit den Sozialdemokraten (SP).

Doch die CVP blieb eine katholische Partei: 1972 waren nur 14% ihrer Wählerinnen und Wähler Protestanten.

Die Verwurzelung im katholischen Boden hatte aber auch ihre guten Seiten. Sowohl die KK wie auch ihre Nachfolgerin CVP konnten lange Zeit auf eine treue Wählerschaft bauen. Zwischen den 20er und den 80er-Jahren mobilisierte die Partei zwischen 20 und 23% der Wählenden.

In der gleichen Zeit konnte die Partei ihre Sitze unter der Bundeshauskuppel von 60 auf 66 erhöhen.

Der Fall in die Hölle

Doch der Fall ist brutal: 1987 fällt der Stimmenanteil erstmals unter 20%, heute liegt er um die 14%. Die Anzahl der Abgeordneten schmilzt ebenfalls weg wie Schnee: Von 61 im Jahr 1987 bis auf 43 heute.

Zwei Erklärungen sind möglich. Einerseits könnte die Säkularisierung der Gesellschaft dazu geführt haben, dass die katholische Stimme weniger Gewicht als früher besitzt.

Andererseits führt das Image der Partei als Zentrumspartei wohl dazu, dass viele Stimmende den Christdemokraten ein fehlendes Profil attestieren. Die Position der CVP wird im gleichen Masse schwieriger, als sich die wirtschaftliche Lage des Landes verschlimmert.

Was die Sorgen der Wählerschaft wie Arbeitslosigkeit, Gesundheitskosten, usw. betrifft, vertreten sowohl die Linke als auch die Schweizerische Volkspartei (SVP) eine klare Politik mit eigenen Lösungen. FDP und CVP bleibt daneben nichts anderes übrig, als ihre Politik zu verteidigen.

Das Fallbeil der letzten Wahlen vom 19. Oktober zeigt dies deutlich: Bei weitem überholt von SVP und SP, sind die beiden Parteien nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Den beiden alten Motoren der Bundespolitik bleibt nun die Frage, wie sie das Ruder wieder herumreissen könnten.

swissinfo, Olivier Pauchard
(Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub)

Die Erosion der CVP bei nationalen Wahlen:
1983: 60 Sitze, 20,2% der Stimmen
1987: 61 Sitze, 19,6% der Stimmen
1991: 51 Sitze, 18% der Stimmen
1995: 50 Sitze, 16,8% der Stimmen
1999: 46 Sitze, 15,9% der Stimmen
2003: 43 Sitze, 14,4% der Stimmen

Die Vorläuferpartei der CVP war nach der Gründung des Bundesstaates Schweiz 1848 die erste grosse Oppositionspartei. Die Katholiken machten den regierenden Freisinnigen oder Radikalen mit Referenden und Initiativen das Leben schwer.

Die Wende kam 1874, im Jahr der Totalrevision der Bundesverfassung. Die Freisinnigen öffneten die Türen für die Katholiken. 1879 wurde ein erster Katholisch-Konservativer (KK) ans Bundesgericht gewählt. 1887 präsidierte ein KK-Nationalrat die Grosse Kammer. 1891 wurde mit Joseph Zemp erstmals ein KK Bundesrat.

1970 organisierten sich die KK neu und gründeten die CVP, die Christlichdemokratische Volkspartei. Die neue Partei positionierte sich in der politischen Mitte. In der Folge konnte die Partei ihre Parlamentssitze von 60 auf 66 erhöhen.

1987 fiel der Stimmenanteil erstmals unter 20%. Dann ging es ziemlich rasch bergab mit der CVP. Die Anzahl der Abgeordneten sank von 61 im Jahr 1987 bis auf 43 heute.

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