Ausländer dürfen wählen, aber nur im Internet
www.auslaenderstimmrecht.ch machts möglich: Die 1,6 Mio. Ausländer in der Schweiz können an den Parlamentswahlen teilnehmen. Das Resultat aber bleibt virtuell.
Mit dem virtuellen Wahllokal wollen die Initianten den Anstoss für eine Volksinitiative geben, welche die Einführung des Stimm- und Wahlrechts für Ausländer in der Schweiz zum Ziel hat.
Das erste definitive Resultat, das am Tag der Eidgenössischen Wahlen am 21. Oktober vorliegen wird, ist das Verdikt der Ausländer in der Schweiz. Erstmals können die 1,6 Millionen Menschen, die keinen Schweizer Pass haben, aber im Land festen Wohnsitz haben, bei Parlamentswahlen einer Partei ihre Stimme geben.
Auf der Internetseite www.auslaenderstimmrecht.ch können sie sich registrieren, sich über die Parteien eine Meinung bilden, um dann ab 14. Oktober ihre Stimme abzugeben – per Mausklick.
Damit ist aber auch gesagt, dass die Abstimmung im virtuellen Wahllokal nicht für die Verteilung der 246 Sitze in National- und Ständerat zählt.
Nicht nur zahlen
«Wir Ausländer in der Schweiz haben sehr viele Pflichten, deshalb finden wir, dass wir auch mehr Rechte erhalten sollten, beispielsweise das Wahlrecht für die nationalen Abstimmungen und Wahlen», sagt der Belgier Hans Verbeke gegenüber swissinfo. Er ist einer der vier parteiunabhängigen Initianten der Aktion.
Ausländer würden sehr viel zur Gemeinschaft beitragen, etwa mit ihren Beiträgen in die Steuerkasse und Sozialversicherungen. Deshalb sollten sie auch mitreden können, so der selbständige Marketingfachmann, der seit über 20 Jahren in der Schweiz lebt. «Wir streben erst ein aktives Stimm- und Wahlrecht an, später auch ein Passives, damit wir auch politische Verantwortung übernehmen können.»
Verbeke versteht das virtuelle Abstimmungslokal auch als Beitrag zur politischen Transparenz im Land. «Die Schweizer erhalten einen Eindruck, wie wir wählen würden, wenn wir könnten.»
Ziel Stimm- und Wahlrecht für Ausländer
Das Projektteam, zu dem zwei Ausländer und zwei Schweizer gehören, will aber mehr. «Ziel ist, dass Schweizer Bürger eine Initiative lancieren, damit die Stimmbürger in vier bis fünf Jahren über das Stimm- und Wahlrecht von Ausländern abstimmen können.»
Verbeke glaubt an die Chancen eines solchen Vorhabens. Das Zünglein an der Waage könnten die Mitteparteien Freisinn (FDP) und Christlichdemokraten (CVP) spielen, während die Schweizerische Volkspartei (SVP) dagegen und Sozialdemokraten (SP) und Grüne dafür seien.
«Das Projekt hat eine Chance, zur Pioniertat zu werden. Die Schweiz, die im Ausland als nicht so ausländerfreundlich gilt, könnte zeigen ‹Wir sind ganz anders, als ihr meint!'», sagt der Belgier.
Es könnte aber auch sein, dass die Ausländer genauso wählen wie die Schweizer. Am 21. Oktober um 11.30 wissen wir mehr.
swissinfo, Renat Künzi
Von sämtlichen 26 Kantonen und Halbkantonen der Schweiz räumen neun Kantone der ausländischen Wohnbevölkerung politische Mitbestimmung ein.
Im Kanton Neuenburg haben Ausländer seit 1850 das Stimmrecht in kommunalen Angelegenheiten (aber kein Wahlrecht). Seit 2000 gilt das auch für den Kanton.
Im Kanton Jura gilt das Ausländerstimm- und Wahlrecht auf Gemeinde- und Kantonsebene seit der Kantonsgründung 1978.
In den Kantonen Waadt (seit 2002) und Freiburg (seit 2004) gilt das Stimm- und Wahlrecht auf kommunaler Ebene.
Im Kanton Genf können Ausländer seit 2005 in Gemeinde-Angelegenheiten stimmen. Sie können aber nicht gewählt werden.
Seit 1995 gibt es in den Kantonen Appenzell-Ausserrhoden, Graubünden, Basel-Stadt und Solothurn Bestrebungen, das Ausländerstimm- und Wahlrecht einzuführen.
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