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Ausländerstimmrecht in Bern und Basel?

Die Kampagne im Kanton Waadt für das Ausländerstimmrecht war erfolgreich. Keystone

In der Romandie können Ausländer auf Gemeinde- und teils auf Kantonsebene abstimmen und wählen. In der Deutschschweiz geht das nur mit Schweizer Pass. Am 26. September stimmen die Kantone Bern und Basel über die Einführung des Ausländerstimmrechts ab.

Dass ausser dem Wallis sämtliche Westschweizer Kantone das Stimm- und Wahlrecht für Ausländer eingeführt haben, hat verschiedene Gründe: Der Kanton Neuenburg und der Kanton Jura kennen das Recht seit ihrer Gründung im Jahre 1848, respektive 1978.

In diesen beiden Kantonen können die Ausländerinnen und Ausländer zudem nicht lediglich auf Gemeinde-, sondern auch auf Kantonsebene abstimmen und wählen.

Freiburg hat das Recht im Rahmen einer Verfassungsreform eingeführt. In Genf und Waadt waren Volksinitiativen an der Urne erfolgreich. In der Deutschschweiz können die Gemeinden von Appenzell Ausserrhoden und Graubünden das Ausländerstimmrecht fakultativ einführen. Getan hat das bisher lediglich eine Handvoll Gemeinden.

Den Unterschied zwischen Romandie und Deutschschweiz erklären Experten mit dem unterschiedlichen Staatsverständnis der beiden Sprachruppen. So sei in der Westschweiz das «französisch republikanische Modell vorherrschend», sagt der Ausländerdelegierte des Kantons Neuenburg, Thomas Facchinetti.

Dieses Modell geht davon aus, dass Bürger, die Pflichten haben, auch Rechte bekommen sollen: «In der deutschen Schweiz orientiert man sich an Deutschland, wo das Modell einer ethnischen Zugehörigkeit zu einer Nation überwiegt», so Facchinetti.

Gemeinden entscheiden autonom

In den Kantonen Basel Stadt und Bern stimmen die Stimmbürger am 26. September über kantonale Volksinitiativen ab. Die beiden Initiativen wurden unabhängig voneinander eingereicht.

Die bernische Initiative will den Gemeinden die Möglichkeit geben, das aktive Stimm- und Wahlrecht einzuführen. Das passive Wahlrecht hingegen würden Ausländerinnen und Ausländer auch nach der Annahme der Initiative nicht erhalten. Sie könnten sich also nicht in politische Ämter wählen lassen. Auch das Wahlrecht auf Kantonsebene schliesst die Initiative aus.

Das heisst: Gemeinden können im Fall einer Annahme autonom entscheiden, ob sie ihren Ausländern das Stimm- und Wahlrecht einräumen wollen oder nicht. In den Genuss des Stimmrechts kämen zudem lediglich Ausländer, die seit mindestens 10 Jahren in der Schweiz und davon seit mindestens 5 Jahren im Kanton Bern leben.

Angst vor den Städten

Dennoch ist der Widerstand gegen die Initiative im Kanton Bern breit: Alle bürgerlichen Parteien lehnen sie ab. Sie begründen ihre Haltung damit, dass das Stimmrecht an das Bürgerrecht gekoppelt sei.

«Wenn sich ein Ausländer einbürgern lässt, dann bekommt er das Stimm- und Wahlrecht. Eine Zwischenlösung, bei der in einigen Gemeinden das Ausländerstimmrecht gilt und in andern nicht, schafft eine unübersichtliche Situation», sagt Dieter Widmer, Fraktionschef der Bürgerlich Demokratischen Partei im Berner Kantonsparlament.

Andere bürgerliche Politiker argumentieren, Städte wir Bern oder Biel würden das Stimmrecht ziemlich schnell einführen und so die andern Gemeinden unter Druck setzen. Die Initianten verfolgten zudem eine Salamitaktik in dem Sinne, dass sie nach einem Ja zur Initiative umgehend das Stimm- und Wahlrecht auf ihre politische Agenda setzen würden.

Geschlossen hinter der Initiative steht das links-grüne Lager. Ausländer bezahlten Steuern, übernähmen Verantwortung und trügen dazu bei, dass sich unsere Wirtschaft entwickle, so die Argumente. Deshalb sollten sie auch mitentscheiden können, wenn in einem Dorf eine Turnhalle gebaut oder die Ortsplanung revidiert werden soll.

Deutsche haben kein Problem

In Basel setzen sich auch einzelne bürgerliche Politiker für das Ausländerstimmrecht ein. Da Basel ein Stadtkanton ist, würde das Stimmrecht hier bei einem Ja auch auf kantonaler Ebene eingeführt.

Die Initiative will das Stimmrecht Ausländern gewähren, die 5 Jahre in Basel gelebt haben. Der Gegenvorschlag von Regierung und Parlament setzt 10 Jahre in der Schweiz und davon 5 Jahre in Basel voraus.

Die Gegner argumentieren mit den mangelnden Sprachkenntnissen vieler Immigranten. «Nach fünf Jahren können die wenigsten Migranten richtig Deutsch, und auch nach zehn Jahren ist es noch schwierig», sagt Christoph Bürgenmeier, der Präsident der Liberal Demokratischen Partei.

Dem halten die Befürworter entgegen, dass mindestens die 3360 im Stadtkanton Basel lebenden Deutschen sehr wohl Deutsch verständen. Das Ausländerstimmrecht fördere zudem die Integration, so die Befürworter.

Gefahr: Parallelgesellschaften

Der katholische Theologe Xaver Pfister setzt sich für das Ausländerstimmrecht ein. Er versteht sich als Vertreter einer Religion, die lange Zeit vom Stimmrecht ausgeschlossen war, da die Katholiken in Basel das Stimmrecht erst 1848 erhalten haben:

«Die Verweigerung von grundlegenden demokratischen Rechten erzeugt Parallelgesellschaften, deren Mentalität sehr lange nachwirkt.»

Andreas Keiser, swissinfo.ch

190’000 Auslandschweizer können elektronisch abstimmen

An der eidgenössischen Abstimmung vom 28. November werden 190’000 Auslandschweizer ihre Stimme auf elektronischem Weg abgeben können. Der Bundesrat hat am Mittwoch die Gesuche von 12 Kantonen genehmigt, einen entsprechenden Versuch durchzuführen.

Es handelt sich um die Kantone Zürich, Luzern (neu), Freiburg, Solothurn, Basel-Stadt, Schaffhausen (neu), St. Gallen, Graubünden (neu), Aargau (neu), Thurgau (neu), Neuenburg und Genf, wie die Bundeskanzlei mitteilte.

Die 190’000 Auslandschweizer machen 4,1 Prozent der Schweizer Stimmberechtigten aus. Neuenburg führt den E-Voting-Versuch bereits
zum fünfzehnten Mal durch, Zürich zum zwölften und Genf zum neunten
Mal.

Abgestimmt wird am 28. November über die linke Steuergerechtigkeitsinitiative sowie über die SVP-Ausschaffungsinitiative mit Gegenvorschlag. Erstmals wird ein E-
Voting-Versuch zu einer Volksinitiative mit Gegenentwurf durchgeführt.

Innerhalb der EU legt der Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992 fest, dass EU-Bürger das Stimm- und Wahlrecht in Gemeinden und bei Europawahlen besitzen, wenn sie in einem EU-Land ausserhalb ihres Heimatlandes wohnen.

Die neue europäische Verfassung unterstreicht dieses Prinzip aus den Maastrichter-Verträgen.

Bürger aus Drittstaaten haben weiterhin kein Stimmrecht.

Die EU-Staaten behandeln das Stimm- und Wahlecht für Nicht-EU-Bürger in den nationalen Gesetzgebungen sehr unterschiedlich.

Einige Länder, beispielsweise Portugal, gewähren dieses Recht nur für solche Herkunftsländer, die es auch umgekehrt anerkennen.

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