Auslandschweizer: Es geht voran
Die Schweizer Auslandsgemeinde soll mehr Gehör in Bern erhalten. Dies ist die zentrale Forderung des 88. Auslandschweizer-Kongresses, der in St. Gallen stattgefunden hat. Unterstützung kam auch von Seiten der Aussenministerin Micheline Calmy-Rey.
Vor etwa 300 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern erklärte Calmy-Rey am Samstag auf dem Olma-Messegelände, sie erachte die Sorgen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer als sehr wichtig.
«Ihr engagiert Euch als exzellente Botschafter unseres Landes und seid eine wertvolle Informationsquelle», betonte sie.
Ein kürzlich erst vom Bundesrat beantwortetes Postulat des Tessiner Ständerats Filippo Lombardi zur Bedeutung der Fünften Schweiz im Inland könne mit folgender Frage abgeschlossen werden: «Ist es angesichts der ständigen Zunahme und des politischen Gewichts der Fünften Schweiz nicht an der Zeit, eine kohärente Politik gegenüber dieser Gruppe zu formulieren?»
Die Aussenministerin beantwortete die Frage gleich selber: Den Rahmen dieser Politik sollten «die Schaffung eines Gesetzes für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die Bündelung der Dienste im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) und die Stärkung des Auslandschweizer-Rats» bilden.
Das von ihr angesprochene Gesetz war am Freitag vom Auslandschweizer-Rat (ASR) in St. Gallen in einem ersten Entwurf verabschiedet worden und sieht eine bessere Regelung der Politik des Bundes gegenüber der Auslandsgemeinde und ebendiese Zusammenfassung der Aufgaben beim EDA vor.
Zu schwach in Bern
Filippo Lombardi, dessen Familie lange in Frankreich lebte und der der Präsident der Parlamentarischen Gruppe Auslandschweizer ist, hatte am Samstagmorgen das Hauptreferat zum zentralen Thema des Kongresses, der politischen Vertretung der Auslandschweizer, gehalten.
«Eine Reihe von Anliegen, die uns interessieren, finden kaum Gehör in der Politik», gab er zu bedenken. «Die parlamentarische Gruppe sollte aktiver werden», ergänzte er. Immerhin gehörten dieser Gruppe fast die Hälfte des Eidgenössischen Parlaments an.
Lombardi gab einige Beispiele von Vorstössen, die er im Interesse der Auslandsgemeinde im Parlament gemacht hat: Freiwillige Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) im Ausland, Vorstoss zur desolaten Lage der Schweizer in Argentinien, Arbeitslosen-Versicherung für Grenzgänger, Kampf um die Erhaltung von swissinfo.ch, Kampf um die Budgets der Schweizer Revue und der Schweizer Schulen im Ausland.
Seine Schlussfolgerung der langjährigen Arbeit für die Schweizer Diaspora: «Die Kraft der 700’000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer ist in Bern eher eine Schwäche.»
Zu viele Köche
Einen Grund ortet Lombardi unter anderem in der Tatsache, dass die Stimmen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer derzeit auf die Kantone aufgeteilt sind, in denen sie ihren letzten Wohnsitz hatten.
«Zudem sind sechs verschiedene Departemente der Bundesverwaltung mit Angelegenheiten der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer beschäftigt.»
Hier sieht Lombardi den tieferen Grund für die fehlende Kraft der Fünften Schweiz. Weil alle ihre Anliegen derart verstreut in der Bundesverwaltung behandelt würden, erhielten die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer nirgends wirklich eine Priorität. «Und gespart wird immer bei den nicht prioritären Themen.»
Konzentration im EDA
Daher plane die Auslandschweizer-Organisation (ASO) nun mit dem neuen Gesetz für Auslandschweizer, die Verantwortungen im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) zu konzentrieren. «Damit jemand die Priorisierung der Fünften Schweiz übernehmen und im Bundesrat vertreten könnte», so Lombardi.
Das Fazit seiner Arbeit der letzten paar Jahre in Bundesbern: «Die Politik hat gemerkt: Die Fünfte Schweiz ist da und hat Anspruch auf angemessene Betreuung. Ich bin sicher: In wenigen Jahren haben wir das Gesetz.»
«Eine gute Investition»
Jacques-Simon Eggly, Präsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO), erklärte zum Schluss des Kongresses: «Wir müssen die Schweizer im Inland davon überzeugen, dass die Investition in die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer eine gute Investition ist.»
Er habe aber in letzter Zeit auch feststellen dürfen, dass die Wahrnehmung der Fünften Schweiz in der Politik des Landes zunehme. Und er betonte, dass gerade in Zeiten eines bröckelnden Images des Landes nicht vergessen werden dürfe: «Die besten Freunde für die Schweiz sind die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer.»
Christian Raaflaub, St. Gallen, swissinfo.ch
Am Samstag hat die ASO das Online-Sozialnetzwerk SwissCommunity für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer offiziell lanciert.
Das Ziel ist, die Auslandsgemeinde besser zu vernetzen und beispielsweise Schweizer Klubs die Möglichkeit zu geben, auf einfache Art einen eigenen Auftritt im Netz zu realisieren.
Bis Samstag haben sich bereits 1030 Personen auf SwissCommunity als User angemeldet.
Die Auslandschweizer-Organisation ASO wurde 1916 gegründet. Sie vertritt in der Schweiz die Interessen der Fünften Schweiz und wird als Sprachrohr der Schweizer im Ausland verstanden.
Der Auslandschweizer-Rat auch «Parlament der Fünften Schweiz» genannt. Er tagt zwei Mal im Jahr, einmal im Frühling, zum zweiten Mal jeweils während des Auslandschweizer-Kongresses im Sommer.
Am Kongress der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer im Sommer kommen jeweils rund 500 Expats in der Schweiz zusammen.
Der Kongress widmet sich immer einem aktuellen Thema. Es wird diskutiert und informiert. Auch geselliges Zusammensein darf nicht fehlen.
Der diesjährige Kongress fand am 21. August in St. Gallen statt.
Der 89. Auslandschweizer-Kongress wird vom 26.-28. August 2011 in Locarno oder Lugano im Kanton Tessin stattfinden.
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