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Auslandschweizer sollen ihre Meinung kundtun

Auslandschweizer-Fans von Roger Federer. Doch die "Expats" haben auch Sorgen. Keystone

Auslandschweizer haben sich in der Botschaft in London getroffen. An einer ersten Diskussion formulierten sie folgende Anliegen: Biometrischer Pass, Einsparungen bei der Finanzhilfe und Stimm-/Wahlverfahren.

In den vergangenen Monaten sind die in Grossbritannien lebenden Auslandschweizer aufgerufen worden, ihre Meinungen an einem Forum kundzutun. Das Thema lautete: «Was tut die Schweiz für ihre Bürger im Ausland – könnte sie mehr tun?»

Mitte März haben sich dann die Federation of Swiss Societies in the United Kingdom (FOSSUK) und die New Helvetic Society in London zu einem Forum getroffen: Drei Themen brennen den Auslandschweizern in Grossbritannien am meisten unter den Nägeln: Die Einführung des biometrischen Passes, die Folgen der Einsparungen bei der Finanzhilfe des Bundes und Wählen/Stimmen im Ausland.

Seit März ist der biometrische Pass eingeführt. Doch die Art, wie die dafür benötigten persönlichen Daten erhoben werden, ist am Londoner Forum als wenig effizient und kompliziert erachtet worden.

Es fange schon damit an, dass man für so einen Pass bis zu einer Schweizer Vertretung reisen müsse, die mit einem digitalen Foto- und Fingerabdruck-Apparat ausgerüstet sei.

Laut Yves Guisan, ehemaliger Waadtländer Nationalrat und Honorarkonsul für die Schweiz in Gibraltar, bedeutet diese Neuerung für viele Leute eine längere Reise:

«Die Leute haben mich gefragt, weshalb sie wegen einer Passverlängerung nach London reisen müssten. Sie empfinden dies als teuer und mühsam, besonders, da sie den Pass nicht einmal sofort ausgehändigt erhalten.»

Auch hätten in Malta lebende Schweizer ins ferne Rom reisen müssen, nur um sich die Fingerabdrücke nehmen zu lassen.

Pass ist mehr als ein Reise-Dokument

Auch wenn es zur Zeit noch nicht eile, sich einen neuen Pass ausstellen zu lassen, da der alte noch bis zum Enddatum gültig bleibt, begännen sich besonders ältere und behinderte Menschen, wegen all diesen Prozeduren etwas entfremdet zu fühlen.

Auch aus finanziellen oder gesundheitlichen Gründen seien zahlreiche Leute solchen langen Reisen gegenüber skeptisch. Und vielen Schweizern im Ausland bedeute der Pass mehr als nur ein Reisedokument. Besonders für die ältere Generation sei der Pass ihr einziges Identitäts-Dokument.

Am Forum fiel deshalb auch der Vorschlag, mobile Einheiten zu organisieren, um die Pässe jeweils an Ort zu erstellen.

Rudolf Wyder, Direktor der Auslandschweizer-Organisationen (ASO), wies in London darauf hin, dass die Schweiz vermehrt mit anderen Ländern zusammen arbeiten könnte, vor allem mit den Schengenländern:

«Die Auslandschweizer sollten sich auch an ein Konsulat wenden können, wenn dieses näher liegt als die Botschaft, um mit dem Personal direkt in Kontakt zu treten. Dieses könnte ihre Daten für die biometrischen Pässe dann in die Schweiz übermitteln.»

Stimmen und Wählen im Ausland

Die jüngsten Statistiken im Aussenministerium schätzt die Anzahl Auslandschweizer auf rund 700’000. Davon könnten theoretisch eine halbe Million abstimmen, doch ist in Wirklichkeit nur jeder Vierte in einer Schweizer Gemeinde registriert.

Sorgen bereitete am Forum auch die vergleichsweise tiefe Teilnahmequote bei Wahlen. Vermutlich habe das damit zu tun, dass viele der möglichen Wähler über zu wenig Informationen verfügten, vor allem seitens der politischen Parteien in der Schweiz.

Eine Lösung bestünde im Anbieten einer Website, in die alle beteiligten politischen Parteien ihre Programme und Entscheide integrieren. Damit könnten sich Wählende im Ausland ein klareres Urteil bilden. Dies würde vermutlich auch den Prozentsatz der wählenden Auslandschweizer erhöhen.

Die empfundene Informationsknappheit bei jeweils bevorstehenden Abstimmungen und Wahlen führte zur Frage, ob die Schweizer Regierung, der Bundesrat, das Gewicht der Auslandschweizer noch zu schätzen wisse.

Grosse Rolle des Bundesgeldes

Ganz allgemein seien die Auslandschweizer das ungute Gefühl nicht losgeworden, dass sie von ihrer Regierung nicht genügend ernst genommen werden. Und dass vor allem im Fall der Sparzwänge bei der Finanzhilfe der Bundesrat vergesse, dass das Land sowohl ein Interesse als auch einen Verfassungsauftrag habe, den Kontakt mit den Auslandschweizern nicht zu vernachlässigen.

Guisan kritisierte die Sparübungen besonders rund um jene Informations- und Medienprodukte, die für die Auslandschweiz bestimmt seien.

«Es ist nicht akzeptabel, dass die Schweizer Revue von sechs auf vier Ausgaben pro Jahr gestutzt worden ist, und dass bei swissinfo.ch von grossen Budgetkürzungen die Rede ist.»

Guisan sagte auch, dass die jüngsten Sparübungen den Auslandschweizern nicht nur aus Eigeninteresse und Informations-Bedürfnis Sorgen bereiteten. «Wir befürchten, dass die Schweiz sich von der internationalen Bühne abmeldet, falls sie nicht mehr mit der Welt kommuniziert. Es scheint, als ob sich die Schweiz noch mehr isolieren möchte.»

Die Schweiz verteidigen

Allgemein stellte sich in London der Eindruck ein, dass das Gewicht der Auslandschweiz schwinden könnte. Dies hätte wirtschaftliche und kulturelle Folgen auf den gesamten Wohlstand des Landes.

Wyder stimmte mit den Auslandschweizern in Grossbritannien überein, dass sie weder für den Bundesrat noch für die Räte eine Priorität darstellten. Doch wäre es falsch zu sagen, die Regierung wünsche weniger Einfluss der Auslandschweizer auf die Politik.

«Überall werden Budgets gekürzt. Die Auslandschweizer sind nicht die einzigen, die darunter leiden», so der ASO-Direktor. «Wir müssen nicht denken, nur bei uns gebe es Einsparungen und Einschnitte.»

Er rief die Forums-Teilnehmenden dazu auf, die vier Delegierten des Auslandschweizer-Rats vermehrt zu nutzen. Dieser Rat spielt die Rolle eines Parlaments der Fünften Schweiz und dient als Lobby-Plattform, um Parlamentarier in Bern zu kontaktieren.

«Es geht darum, die Präsenz der Schweiz in der Welt zu verteidigen. Wir müssen dies aktiver kommunizieren, und unsere Existenz den Parlamentariern näher bringen.»

Andrew Littlejohn in London, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Alexander Künzle)

Ende Dezember 2009 lebten 684’974 Schweizer im Ausland.

Letztes Jahr nahm ihre Anzahl um 8798 Personen zu, das entspricht 1,3%.

Seit 2000 ist die Fünfte Schweiz um 15% gewachsen.

Sechs von zehn Auslandschweizern, insgesamt 409’849 Personen, leben in der Europäischen Union (EU).

124’399 volljährige Expats haben sich zum Stimmen/Wählen registriert, 4,2% mehr als im Vorjahr.

Seit 1992 dürfen Auslandschweizer per Post aus dem Ausland mitstimmen oder -wählen.

Für die letzten Parlamentswahlen (2007) kandidierten auch 40 Personen aus dem Ausland.

Zur Zeit ist keiner der Räte Auslandschweizer.

Der Auslandschweizer-Rat (ASR) ist das oberste Organ der Auslandschweizer-Organisation (ASO). Er wurde 1916 gegründet und gilt als «Parlament der Fünften Schweiz».

Der Rat setzt sich aus rund 170 Delegierten aus der Schweiz und der ganzen Welt zusammen. Er wurde am 1. September 2005 für vier Jahre neu konstituiert.

Er ist auch Ansprechpartner für den Bund, der die Schweizer Revue finanziert, die seit 30 Jahren erscheint.

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