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Auslandschweizer wollen mehr politisches Gewicht

Die Auslandschweizer verlangen die Einführung von E-Voting bis 2011. swissinfo.ch

Die Auslandschweizer-Gemeinde und ihr politisches Gewicht werden immer grösser. Doch es bleibt schwierig, den Einfluss der Fünften Schweiz auf die Politik zu beziffern.

Um die Teilnahme der Auslandschweizer an Abstimmungen und Wahlen weiter anzukurbeln, muss aus Sicht der Auslandschweizer-Organisation (ASO) die elektronische Stimmabgabe rasch eingeführt werden.

Die Zahlen der für Wahlen und Abstimmungen in der Heimat registrierten Auslandschweizer sind beeindruckend: In 15 Jahren stieg die Zahl der Registrierten von 12’000 auf über 110’000 – und es gibt keine Anzeichen einer Verlangsamung.

«Die Bedeutung der Auslandschweizer nimmt stetig zu, und die politischen Parteien betrachten die Auslandschweizer als wichtigen Faktor im politischen Entscheidungsprozess», sagt ASO-Direktor Rudolf Wyder.

Das Emigrations-Muster hat sich laut Wyder in den letzten drei Jahrzehnten radikal verändert: Schweizer und Schweizerinnen sind mobiler geworden, sie gehen nicht nur für Reisen ins Ausland, sondern für ein Studium oder eine Arbeitstelle.

«Viele wollen ihre Verbindungen zur Schweiz bewahren und haben sich daher in die Stimmregister eingetragen», unterstreicht Wyder.

Informations-Netzwerk

Auslandschweizer-Vereine und –Gruppierungen verstärken Informations-Kampagnen, um ihre Mitglieder für eine aktive Teilnahme am politischen Leben in der Schweiz zu gewinnen.

Die ASO – die Plattform für die rund 650’000 Auslandschweizer – hat ihrerseits vor zweieinhalb Jahren ein Forum ins Leben gerufen für einen regelmässigen Kontakt mit Mitgliedern des Parlaments.

«Zu der Gruppe gehören mehr als 80 Abgeordnete. Das Forum ist ein sehr nützliches Informationsnetzwerk, das den Auslandschweizern, wenn auch etwas indirekt, den Zugang zum Bundesparlament ermöglicht», so Wyder.

Politischer Einfluss

Es ist jedoch nicht ganz so einfach, den politischen Einfluss der Auslandschweizer zu bemessen. Seit 1992 haben sie das Recht, brieflich an eidgenössischen Urnengängen teilzunehmen. Aus historischen Gründen werden ihre Stimmen auf lokaler Ebene erfasst, meist dort, wo sie zuletzt lebten. Die Stimmen werden jedoch nicht separat ausgewiesen.

Wenn man in Betracht zieht, dass einige der mehr als 2700 Schweizer Gemeinden nur sehr wenige Stimmbürger haben, wäre es ziemlich einfach, einzelne Abstimmungszettel zu identifizieren.

«Und das wäre ein Verstoss gegen das Recht der Bürger auf eine geheime Stimmabgabe», sagt Hans-Urs Wili von der Bundeskanzlei.

Doch in dem Bereich zeichnet sich Abhilfe ab: Das Parlament hat entschieden, dass die 26 Kantone die Stimmregister der Auslandschweizer in Zukunft zentral erfassen sollen.

Eine vor vier Jahren erfolgte Umfrage hatte einen Hinweis auf die politischen Präferenzen der Auslandschweizer ergeben: Sie tendieren zum Mitte-Links-Spektrum, sind grundsätzlich weltoffener und etwas liberaler als der Durchschnittsschweizer.

«An diesem Grundmuster hat sich seit 2003 wohl nicht wirklich viel geändert», sagt der Politologe Claude Longchamp. Seine Einschätzung wird durch einige kantonaler Statistiken gestützt.

Ob die Auslandschweizer beim Urnengängen wirklich das Zünglein an der Waage spielen können, bleibt ungewiss. Weit herum wird geglaubt, dass ihre Stimmen dazu beitrugen, dass vor ein paar Jahren eine Vorlage zur Verschärfung der Asyl-Politik abgelehnt wurde; allerdings gibt es dafür keine Beweise.

«Die Auslandschweizer stellen ein beachtliches Wählerpotential dar. Da ihre Stimmen aber auf die Kantone verteilt sind, versickert dieses Potential», sagt der Politologe Wolf Linder von der Universität Bern.

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Fünfte Schweiz

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Fünfte Schweiz bezeichnet die Gesamtheit der Schweizer Gemeinden im Ausland. Der Begriff Fünfte Schweiz nimmt Bezug auf die vier sprachregionalen Gemeinden der Schweiz (deutschsprachige, französischsprachige, italienischsprachige und romanischsprachige Schweiz). Etwa 700’000 Schweizerinnen und Schweizer leben im Ausland, der grösste Teil in Ländern der Europäischen Union. Ihre Interessen werden durch die Auslandschweizer-Organisation (ASO) vertreten.

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Sitze im Parlament?

Zur Zeit sitzen weder im Nationalrat noch im Ständerat Auslandschweizer. Erst letzthin hat die Sozialdemokratische Partei (SPS) – nach ähnlich gelagerten früheren Vorstössen anderer Parteien – eine bessere Vertretung der Auslandschweizer im Bundesparlament gefordert.

Der Partei schwebt ein besonderer Status, so etwas wie ein virtueller 27. Kanton vor, für den die Auslandschweizer ihre eigenen Abgeordneten wählen würden, ähnlich wie das in Italien, Frankreich und Portugal der Fall ist.

Wyder und Linder sind eher skeptisch. Die Idee an sich sei interessant, aber politisch wohl vorerst kaum praktikabel.

«Solche Vorstösse machen uns aber deutlich, dass wir noch mehr tun müssen, um den Auslandschweizern den Einfluss zu geben, den sie verdienen», sagt Wyder.

Er verweist auf die bisherigen Bemühungen, die Teilnahme der einzelnen Stimmberechtigten im Ausland an den Abstimmungen und Wahlen weiter zu steigern und sie zu animieren, ihre Interessen zu verteidigen und sich am politischen Prozess zu beteiligen.

Die Forderung nach E-Voting

Die ASO möchte, dass sich die politischen Parteien stärker um die Stimmberechtigten im Ausland bemühen und zum Beispiel spezielle Wählerlisten zusammenstellen, um damit Auslandschweizer zu gewinnen, sich als Kandidaten für die kommenden Wahlen aufstellen zu lassen.

Zuoberst auf der Agenda der Auslandschweizer-Gemeinde steht aber der Wunsch, möglichst rasch elektronisch abstimmen zu können.

Wyder zeigt sich empört, dass die Bundesbehörden es offensichtlich nicht als besonders dringlich erachteten, bei der Einführung von E-Voting einen höheren Gang einzulegen.

«Der Auslandschweizer-Rat fordert, dass die elektronische Stimmabgabe bis spätestens 2011 eingeführt wird», ruft Wyder eine Resolution des Rates vom April 2007 in Erinnerung.

swissinfo, Urs Geiser
(Übertragung aus dem Englischen: Rita Emch)

Die Mehrheit der Auslandschweizer (390’182) lebt in der Europäischen Union (EU). Die grösste Gemeinschaft befindet sich in Frankreich (171’732). Es folgen Deutschland (72’384) und Italien (47’012).

Ausserhalb Europas gibt es am meisten Schweizer in den USA (71’984), Kanada (36’374), Australien (21’291), Argentinien (15’061), Brasilien (13’956), Israel (12’011) und Südafrika (8821).

645’019 Schweizer und Schweizerinnen lebten Ende 2006 im Ausland. Das sind 1,7% mehr als 2005 und 11,1% mehr als 2000.
Seit 1992 können Schweizer und Schweizerinnen mit Wohnsitz im Ausland brieflich an eidgenössischen Abstimmungen und Wahlen teilnehmen.
111’249 der 494’802 über 18 Jahre alten Auslandschweizer – 22,5% – haben sich bisher in die Stimmregister eingetragen.
Im derzeitigen Parlament sitzt kein Auslandschweizer.

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