Nein zum Plan, Auslandschweizern Altershilfe zu streichen
Ein einstimmiges Nein. Dies ist die Antwort des Auslandschweizerrates zu Plänen, die Ergänzungsleistungen für Schweizer Rückkehrer aus dem Ausland für zehn Jahre einzufrieren.
Der Vorschlag der Sozialkommission der grossen Kammer des Schweizer Parlamentes birgt Zündstoff: Wer aus einem Land ausserhalb der Europäischen Union (EU) in die Schweiz einwandert, soll während zehn Jahren keinen Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL) haben (siehe Box). Ob gewollt oder nicht: Diese Forderung beträfe vor allem Auslandschweizerinnen und -schweizer.
Die Reaktion in der Sitzung «Parlamentes» der Fünften Schweiz über dieses Ansinnen war: Konsternation. Einhellige Konsternation: Eine entsprechende Resolution, die der Vorstand präsentierte wurde von den 140 Schweizerinnen und Schweizer aus dem Ausland einstimmig angenommen.
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«Sozialkommission benachteiligt Auslandschweizer»
«Der Auslandschweizerrat lehnt mit Entschiedenheit den Antrag der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrats vom 23. Februar 2018 ab», heisst es darin. Und weiter: «Der Auslandschweizerrat (ASR) bittet die eidgenössischen Räte, diesen diskriminierenden Antrag abzulehnen.»
Die Zurückweisung gilt auch für den Vorschlag einer Minderheit der Kommission, die ebenfalls eine zehnjährige Beitragszahlung an die AHV und IV verlangte, dabei aber auch Unterbrüche toleriert hätte.
Ergänzungsleistungen (EL) sind immer an bereits bestehende Leistungen der AHV/IV gekoppelt. Anspruchsberechtigt sind Versicherte, die im Alter oder bei Invalidität ihren Existenzbedarf nicht aus eigenen Mitteln decken können.
Tim Guldimann brachte es in einem Satz auf den Punkt: «Alle Schweizer sind vor dem Gesetz gleich. Dieser Grundsatz ist hier verletzt.»
Hermes Murrat, der in Libanon lebt, sagte: «Wir bezahlen auch AHV und IV, wieso sollen wir dann in der Schweiz keinen Anspruch haben? Auch wir übernehmen eine Verantwortung gegenüber der Heimat und zahlen Steuern.»
«Kann das nicht ernst nehmen!»
Auch Erich Bloch konnte mit dem Vorschlag nichts anfangen: «Als ich das gelesen habe, ist mir buchstäblich der Griffel aus der Hand gefallen. Das kann ja nicht sein!», sagte Bloch, der in Israel lebt. «Sollte das durchkommen, müssten wir vor fremde Richter gehen, um Rechtsgleichheit durchzusetzen. Aber ich kann das wirklich nicht ganz ernst nehmen.»
Die Replik von Remo Gysin, Präsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO): «Das müssen wir aber.»
Auch François Baur von Economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft, wies das parlamentarische Ansinnen zurück. «Dies wäre eine weitere Diskriminierung der Schweizer im Ausland, das kann nicht im Interesse der Gesamtwirtschaft sein.»
Rückhalt im Parlament am bröckeln?
Tim Guldimann tönte an, dass der Vorschlag für einen Stimmungswandel im Parlament stehen könnte: «Bis vor einem Jahr hatten wir im Parlament grossen Rückhalt. Dieser könnte aber kippen, denn es sind mehrere Spitzen gegen die Fünfte Schweiz zu verzeichnen.»
Dazu zählte Guldimann die Forderung einzelner Ratskollegen aus dem rechten Lager, den Auslandschweizern sei das Stimmrecht wieder zu entziehen.
Und dazu zählte er auch die Aussage von Nationalrätin Petra Gössi von letztem Sommer, wonach Schweizer im Ausland wohl Renten bezögen, in der Schweiz aber keine Steuern zahlten und auch nichts konsumieren würden. Damit hatte die Präsidentin der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, der weit über die Fünfte Schweiz hinaus ging.
Der Vorschlag der Sozialkommission wird am Mittwoch im Nationalrat diskutiert. Es wird sich zeigen, ob das klare Zeichen aus dem Auslandschweizerrat unter der Bundeshauskuppel angekommen ist.
Danach wird die Kleine Kammer darüber beraten.
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