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Aussen- und entwicklungspolitischer Zündstoff

Kommt es zu einer Aufstockung der Schweizer Entwicklungshilfe? CAPLAB/DEZA

Personenfreizügigkeit und Entwicklungshilfe: Das sind zwei schwergewichtige Themen der Sommersession, zu der die eidgenössischen Räte in Bern - eine Woche zu früh - angetreten sind. Wegen der Euro 08 wurde die Junisession vorverlegt.

Wenn etwas wirklich wichtig ist, wie im Juni die Fussball-Europameisterschaft, zeigt sich der Parlamentsbetrieb im Berner Bundeshaus äusserst flexibel. Damit National- und Ständeräte in ihrer Fussballbegeisterung möglichst nicht beeinträchtigt werden, begann die Sommersession eine Woche früher als üblich.

Damit fällt nur noch die dritte und letzte Woche in den Fussballtrubel. Der Sitzungsplan ist im Übrigen so angelegt, dass die Fans unter den Abgeordneten kein Spiel verpassen.

Gegen Paket beim freien Personenverkehr

Im Nationalrat, der grossen Kammer, steht die unbefristete Fortführung des Freizügigkeits-Abkommens mit der Europäischen Union (EU) sowie dessen Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien auf dem Spiel. Im Zentrum steht die Frage, ob die beiden Vorlagen getrennt oder in ein und demselben Erlass beschlossen werden sollen.

Mit dem Bundesrat, der Schweizer Regierung, aber gegen den Ständerat, der kleinen Kammer, beantragt die Aussenpolitische Kommission (AKP) des Nationalrats zwei separate Beschlüsse.

Der Bundesrat habe versprochen, dass über die Fortführung des Freizügigkeits-Abkommens mit der EU 2009 abgestimmt werden könne, sagt AKP-Präsident und Nationlarat Geri Müller von den Grünen. Es sei ein Zufall, dass die Ausdehnung auf Bulgarien und Rumänien jetzt spruchreif werde. Es sei besser, die Vorlagen zu trennen. Das Volk liebe Paketlösungen nicht.

Alles oder nichts?

Entscheidet der Nationalrat und dann auch der Ständerat im Sinne des Bundesrates und der APK, wird die Schweizerische Volkspartei (SVP) nur gegen die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Bulgarien und Rumänien das Referendum ergreifen. Kommt es anders, bekämpft sie das ganze Paket.

Wird die Weiterführung des Freizügigkeits-Abkommens mit der EU vom Volk abgelehnt, fallen wegen der Guillotine-Klausel auch alle andern bilateralen Abkommen der ersten Serie hinweg: jene über Land- und Luftverkehr, Landwirtschaft, Submissionswesen, technische Handelshemmnisse und Forschung.

Die gleiche Wirkung hätte wohl auch ein Nein zur Ausdehnung allein, denn die EU könnte die Diskriminierung zweier Mitglieder schwerlich hinnehmen, sagt Nationalrätin Christa Markwalder von der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP). Die Schweiz könne nicht nur mit der EU der 25 verhandeln, sondern müsse sich mit der EU der 27 einigen.

Mehr Geld für die Entwicklungshilfe

Zu reden gibt in der Sommersession auch die Weiterführung der Entwicklungshilfe. Vor der ersten Hürde stehen die neuen Vierjahres-Rahmenkredite zugunsten der Dritten Welt.

Die AKP des Nationalrates möchte, dass die Gelder für die Entwicklungsländer aufgestockt werden. Bis 2015 sollen 0,7% des Bruttoinlandprodukts (BIP) in die Entwicklungszusammenarbeit fliessen.

Der Bundesrat hat für die Entwicklungshilfe in den Jahren 2009 bis 2012 Rahmenkredite von insgesamt 5,3 Mrd. Franken beantragt: 4,5 Milliarden zugunsten der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) und 800 Millionen zugunsten des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco).

Bundesrat für 0,4 Prozent

Damit würden laut Bundesrat wie bisher rund 0,4% des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit ausgegeben. Die Kommission hat die Rahmenkredite genehmigt, darüber hinaus aber Anträge angenommen, die eine schrittweise Erhöhung der Finanzmittel verlangen.

Ab 2010 sollen 0,5% des BIP in die öffentliche Entwicklungshilfe fliessen, ab 2012 0,6% und ab 2015 0,7%. Ein Anteil von 0,7% würde den Forderungen der Hilfswerke und den UNO-Millenniumszielen entsprechen.

Knapper Entscheid

Im Nationalrat dürften Zusatzkredite allerdings einen schweren Stand haben. Die Entscheide fielen in der Kommission äusserst knapp aus.

Die Kommission hat auch einen Antrag angenommen, die den Bundesrat beauftragt, dem Parlament zusätzliche Rahmenkredite zu unterbreiten, damit die Zielvorgabe von 0,4% eingehalten werden kann. Diesem Antrag liegt die Befürchtung zu Grunde, dass die Schweiz mit dem vom Bundesrat vorgeschlagenen Kreditrahmen unter die 0,4%-Marke fallen könnte.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Die EU droht ihre selbstgesteckten Entwicklungshilfe-Ziele für das Jahr 2010 um 75 Mrd. Euro zu verfehlen. Das geht aus einem Bericht mehrerer Entwicklungshilfe-Organisationen (Concord) hervor, der sich auf Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für 2007 bezieht.

Die OECD hatte bei der Vorstellung ihres Jahresberichts 2007 im April kritisiert, dass die Entwicklungshilfe-Zahlungen der EU-Staaten insgesamt rückläufig seien. Concord warnt nun, bei einer Fortschreibung dieses Trends werde die EU bis 2010 rund 75 Mrd. Euro weniger Entwicklungshilfe leisten als versprochen.

Die Schweiz soll mehr Geld für die Entwicklungshilfe bereitstellen. Das fordert eine Petition, die am Montag mit 201’679 Unterschriften in Bern eingereicht wurde.

Lanciert wurde die Petition vom Bündnis «0,7 Prozent – Gemeinsam gegen Armut», dem über 60 Hilfswerke, Kirchen und Verbände angehören.

Sie verlangt, die Entwicklungshilfe von knapp 0,4 auf 0,7% des Bruttoinlandprodukts zu erhöhen. Dies soll dazu beitragen, die UNO-Millenniumsziele zu erfüllen.

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