Bedenken über Schweizer Truppen in Kosovo
Die umfangreichste Schweizer Friedensmission aller Zeiten, der Swisscoy-Einsatz in Kosovo, ist für drei weitere Jahre verlängert worden. Doch die Mission steht immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik.
Bereits seit 12 Jahren leisten Schweizer Soldatinnen und Soldaten Einsätze in Kosovo.
Am Montag hat das Parlament die Möglichkeit gutgeheissen, die 220 Personen kurzfristig für bis zu 12 Monate um 80 Armeeangehörige aufzustocken.
Der Entscheid brachte einmal mehr Fragen aufs Tapet betreffend der Schweizer Neutralität, der Rechtfertigung des Einsatzes und wie am besten mit Kosovo umzugehen sei, dessen Unabhängigkeit die Schweiz 2008 als eines der ersten Länder anerkannt hatte.
Verteidigungsminister Ueli Maurer erklärte, die Präsenz von internationalen Friedenstruppen sei ein Schlüsselelement für die Stabilität in der Region. Doch seine Unterstützung für den Swisscoy-Einsatz steht in Widerspruch zu seiner Partei, der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volkspartei (SVP), die Auslandeinsätze ablehnt.
Aus militärischer Sicht hat die Schweiz sicher viel gewonnen, indem sie sich am Nato-Einsatz der KFOR Friedenstruppe beteiligt. Das Engagement hat sowohl die Erfahrung wie auch die Sichtbarkeit der Schweizer Armee erweitert.
Doch ist die Mission die jährlichen Kosten von 37,5 Mio. Franken wert? Zwei der fünf grossen Parteien der Schweiz – die Grünen auf der linken Seite und die SVP auf der rechten Seite des politischen Spektrums – sind der Meinung, dies sei nicht der Fall, auch, weil der Einsatz nicht im Einklang mit der Neutralität stehe.
«Der Swisscoy-Einsatz scheint zum ewigen Einsatz, aber auch zum ergebnislosen Einsatz zu werden. Er sollte per 31. Dezember 2011 abgebrochen werden», sagte SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer in der Debatte vom Montag.
«Die Behauptung, wir müssten dieses Engagement weiterführen, um die Zuwanderung zu stoppen, stimmt schon deshalb nicht, weil man ja nichts gegen diese Zuwanderung macht.»
«Unnötig»
Andere Kommentatoren sind der Meinung, die Mission mache keinen Sinn mehr. Militärexperte Albert Stahel von der Universität Zürich erklärte, der Einsatz der Schweizer Truppen sei problematisch, weil sie wenig mit dem Schutz der serbischen Minderheit zu tun hätten.
«Zu Beginn des Einsatzes 1999 war es für die Nato natürlich nützlich, Truppen in Kosovo stationiert zu haben, weil von Serbien her immer noch eine Bedrohung ausging. Doch die Situation hat sich geändert: Die Truppen werden nun hauptsächlich für die interne Sicherheit eingesetzt, besonders zum Schutz der serbischen Minderheit», so Stahel gegenüber swissinfo.ch.
Doch am Einsatzort des Swisscoy-Kontingents gebe es keine oder kaum Serben, sagt Stahel. Rund 140 Frauen und Männer sind im Camp Casablanca in der Nähe der Kleinstadt Suva Reka im Süden des Landes stationiert.
Laut Walter Frik, Kommunikationschef des Kompetenzzentrums «Friedensfördernde Einsätze im Ausland » der Schweizer Armee, Swissint, haben die Armeeangehörigen eine Vielzahl von Aufgaben zu erfüllen. Dazu gehören etwa zwei Verbindungsteams in der Nähe der Grenze zu Serbien im Norden des Landes.
«Die Grundidee ist die Unterstützung der KFOR, die für eine sichere Umgebung für die Zivilbevölkerung sorgen soll, und die Umsetzung von Aufträgen der KFOR. Das sind hauptsächlich logistische Aufgaben, doch es gibt auch vier Verbindungsteams (Liaison Monitoring Teams, LMT), die in den Gemeinden leben und als frühes Warnsystem funktionieren, falls es für die KFOR zu Problemen kommt», so Frik.
Unsichere Lage
Laut dem Experten ist die Situation im Norden unberechenbar. «Die Hauptsorge der KFOR ist, dass diese Region ruhig bleibt. Die Medien berichten nicht häufig darüber, weil man sich dort nicht so einfach frei bewegen kann.»
Zur Instabilität gesellt sich laut Stahel das Problem der organisierten Kriminalität, die bis weit hinauf in die kosovarischen Behörden Einfluss ausübt.
«Der (kürzlich bekannt gewordene) Nato-Geheimbericht zeigte klar, dass das organisierte Verbrechen in Kosovo tief verwurzelt ist. Es gibt eine starke Verbindung zwischen Leuten, die in der Schweiz kriminell aktiv sind, und führenden Persönlichkeiten in Kosovo.»
In diesem Zusammenhang argumentiert Stahel, dass der Swisscoy-Einsatz nicht im Interesse der Schweiz sei. «Statt Zivilisten zu schützen, unterstützen sie das organisierte Verbrechen», so der Militärexperte.
Frik beharrt darauf, die Aufrechterhaltung einer sicheren Umgebung für einen reibungslosen Alltag der Zivilbevölkerung liege im Interesse der Schweiz. Er betont, dass die 3000 Mann starke Rechtsstaatlichkeits-Mission der EU (Eulex) mit lokalen Behörden, Polizei und Justiz zusammenarbeite und das organisierte Verbrechen unter deren Zuständigkeit falle.
«Doch falls die Eulex Probleme hat, sich fortzubewegen, ist es die KFOR, die ihre Fahrzeuge beschützt, Strassen freimacht und so weiter.»
Nach 12 Jahren ist Frik stolz auf den Schweizer Beitrag zum Frieden in Kosovo: «Wir können sagen, wir waren dabei, wir haben nicht nur Geld geschickt und andere den Job machen lassen. Unsere Leute haben dort freiwillig mitgemacht.»
Nach dem Ende des Kosovo-Krieges bis 2008, als die Unabhängigkeit ausgerufen wurde, war Kosovo ein Protektorat der UNO.
Die Schweizer Armee beteiligt sich seit Oktober 1999 mit der Swisscoy (Swiss Company) an der internationalen friedensunterstützenden Mission Kosovo Force (Kfor) in Kosovo.
Bislang haben 4200 Schweizer Soldaten an der Mission teilgenommen. Die Swisscoy-Soldaten sind zum Selbstschutz mit Pistole und Sturmgewehr bewaffnet
Der Einsatz der Swisscoy geht auf den Bundesratsentscheid vom 23. Juni 1999 zurück, sich militärisch, basierend auf der UNO-Resolution 1244, an der Kfor zu beteiligen.
Die Swisscoy wird vorerst bis Ende 2014 im Kosovo bleiben.
Truppen der Schweizer Armee sind seit 1953 an Friedens-Missionen im Ausland beteiligt.
Zur Zeit sind insgesamt 273 Männer und Frauen an friedensfördernden Einsätzen in 15 Ländern auf drei Kontinenten im Einsatz.
Die meisten von ihnen sind Angehörige der Schweizer Armee.
Die Schweiz gehört zu den wichtigsten Geberländern des Kosovo.
Zwischen 1999 (Konflikt zwischen Serben und Kosovaren) und 2010 steuerten die Schweizer Behörden rund 200 Mio. Franken zur Entwicklung, politischen Stabilität und Wirtschaft bei.
Die Schweiz hat Kosovo bereits zehn Tage nach der Unabhängigkeits-Erklärung vom 17. Februar 2008 als neuen Staat anerkannt.
Auch hatte sie sich als eines der ersten Länder schon 2005 für die Unabhängigkeit des Landes ausgesprochen.
Rund 170’000 Kosovaren leben in der Schweiz, das sind etwa 10% der Bevölkerung Kosovos.
(Übertragen aus dem Englischen: Christian Raaflaub)
In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch