Prämien-Entlastungs-Initiative: Darum gehts
Die Prämien-Entlastungs-Initiative will jenen helfen, die Mühe haben, ihre Krankenversicherungsprämien zu bezahlen. Das Volk entscheidet am 9. Juni über die Idee der SP, die Krankenversicherungsprämien auf 10 % des Einkommens zu begrenzen.
Wie kam es zur Prämien-Entlastungs-Initiative?
Viele Schweizerinnen und Schweizer haben Schwierigkeiten, ihre Prämienrechnungen für die Gesundheitsversorgung zu bezahlen. Wie ein kürzlich veröffentlichter Bericht der WeltgesundheitsorganisationExterner Link zeigt, haben auch Millionen von Menschen in Europa mit diesen Schwierigkeiten zu kämpfen.
In Zukunft wird sich das Problem wahrscheinlich noch verschärfen, da die demografische Entwicklung und der medizinisch-technische Fortschritt die Gesundheitskosten unaufhaltsam in die Höhe treiben. Um dem entgegenzuwirken, kündigt der Bund jedes Jahr erhebliche Erhöhungen der Krankenversicherungsprämien an. Im Jahr 2024 betrug der Anstieg durchschnittlich 8,7%.
Diese immer höheren Kosten belasten das Budget der in der Schweiz lebenden Menschen besonders stark, da sie ein Viertel des Gesundheitssystems aus eigener Tasche finanzieren. Um ihnen zu helfen, will die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP, die am 9. Juni zur Abstimmung kommt, die Krankenversicherungsprämien auf 10% des Haushaltseinkommens beschränken.
Was will die Prämien-Entlastungs-Initiative?
Der Bund und die Kantone unterstützen bereits mehr als ein Viertel der Bevölkerung, die sich die Prämien für die obligatorische Krankenversicherung nicht leisten können. Sie gewähren diesen Personen eine Prämienverbilligung in Form von Zuschüssen. Es bestehen jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Landesteilen, da die Kantone den Kreis der Anspruchsberechtigten selbst festlegen können.
Die aktuellen Hilfen sind in den Augen der SP zudem nicht ausreichend. Ihre Initiative will allen Versicherten, deren Prämien 10% des verfügbaren Einkommens übersteigen, Zuschüsse gewähren. Der Initiativtext besagt, dass die zusätzlichen Hilfen zu mindestens zwei Dritteln vom Bund und der Rest von den Kantonen finanziert werden sollen. Damit würde laut SP das System harmonisiert.
Wer würde von der Prämien-Entlastungs-Initiative profitieren?
Wenn die Initiative an der Urne angenommen wird, wird der Anteil der Bevölkerung, der Anspruch auf Prämienverbilligungen hat, steigen. Die genaue Anzahl der betroffenen Personen wird durch die Umsetzung der Vorlage durch das Parlament bestimmt. Profitieren wird vor allem die Mittelschicht, da die ärmsten Haushalte bereits Zuschüsse erhalten.
Langfristig geht der Bundesrat sogar davon aus, dass fast alle Versicherten mehr als 10% ihres Einkommens für die Krankenversicherungsprämien ausgeben und somit Anspruch auf Zuschüsse haben werden, mit Ausnahme von Personen mit sehr hohen Einkommen.
Wie viel wird die Prämienentlastung kosten?
Die Prämien-Entlastungs-Initiative könnte den Bund und die Kantone nach Schätzungen des Bundesamtes für Gesundheit zwischen 3,5 und 5 Milliarden Franken pro Jahr zusätzlich kosten. Um diese Ausgaben zu decken, wären Steuererhöhungen oder Sparmassnahmen in anderen Bereichen erforderlich, warnte der Bundesrat.
Was schlägt der Gegenentwurf vor?
Bundesrat und Parlament sind gegen die Vorlage der Sozialdemokrat:innen und haben einen indirekten Gegenentwurf ausgearbeitet. Er tritt in Kraft, wenn die Prämien-Entlastungs-Initiative vom Volk abgelehnt wird, vorausgesetzt, es wird nicht das Referendum ergriffen.
Der Gegenentwurf würde die Kantone dazu verpflichten, einen Mindestbetrag für Zuschüsse an Personen auszugeben, die Schwierigkeiten haben, ihre Krankenversicherung zu bezahlen. Dieser Betrag würde zwischen 3,5% und 7,5% der Kosten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung betragen. Der Bund würde weiterhin einen festen Anteil an der Prämienverbilligung in Höhe von 7,5% der Kosten leisten.
Das Parlament und die Regierung sind der Ansicht, dass der Gegenentwurf die Kantone dazu veranlassen würde, den Anstieg der Gesundheitskosten zu bremsen, «beispielsweise durch eine effiziente Spitalplanung». Sie sind der Ansicht, dass dadurch die Prämien um mindestens 360 Millionen Franken zusätzlich gesenkt werden könnten.
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Was spricht für die Prämien-Entlastungs-Initiative?
Die Sozialdemokratische Partei will damit sicherstellen, dass alle Menschen Zugang zu Gesundheitsleistungen haben. In den letzten 20 Jahren haben sich die Krankenkassenprämien mehr als verdoppelt.
Die SP beobachtet, dass immer mehr Menschen die höchste Franchise wählen, um die Kosten zu senken. Wenn sie krank werden, verzichten sie dann auf eine Behandlung, weil sie sich diese nicht leisten können, beklagt die Partei.
Die Befürworterinnen und Befürworter wollen auch gleiche Bedingungen für alle schaffen, was die öffentlichen Hilfen betrifft. Derzeit haben die 26 Kantone ein unterschiedliches System zur Verteilung der Hilfen und einige haben sich nach und nach aus der Finanzierung der Prämienverbilligungen zurückgezogen.
Was spricht gegen die Prämien-Entlastungs-Initiative?
Die Gegner:innen kritisieren vor allem, dass sie das Problem nicht an der Wurzel packt, nämlich den unaufhaltsamen Anstieg der Gesundheitskosten. Ihrer Meinung nach sollte der Anstieg der Gesundheitskosten gebremst werden, anstatt die Prämienverbilligung zu erhöhen.
Um die Prämienverbilligungen zu finanzieren, müssten der Bund und die Kantone also erhebliche Mehrkosten tragen. Dies würde zu Steuererhöhungen oder zum Verzicht auf andere Ausgaben führen, warnt der Bundesrat.
Umstritten ist auch die Aufteilung der zusätzlichen Ausgaben zwischen Bund und Kantonen. Der Grossteil davon soll vom Bund getragen werden. Dies gefällt der Regierung nicht. Sie betont, dass die Gesundheitskosten stark von kantonalen Entscheidungen beeinflusst werden.
Eine Kostenbremse für das Gesundheitswesen: Hier finden Sie unseren Explainer zur zweiten Initiative, über die am 9. Juni abgestimmt wird:
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Braucht es im Schweizer Gesundheitswesen eine Kostenbremse?
Wer ist dafür, wer ist dagegen?
Die Prämien-Entlastungs-Initiative der SP hat es schwer, ausserhalb der Linken zu überzeugen. Von den wichtigsten politischen Gruppierungen unterstützen nur die Grünen die Initiative. Die Parteien der Rechten und der Mitte lehnen die Initiative ab.
Der Bundesrat und eine grosse Mehrheit des Parlaments empfehlen die Ablehnung der Prämien-Entlastungs-Initiative. Wenig überraschend sind auch die Wirtschaftskreise gegen die Vorlage, während die Gewerkschaften sie unterstützen.
Würden Auslandschweizer:innen und Grenzgänger:innen von der Prämienobergrenze profitieren?
Die Zahl der in der Schweiz versicherten Personen, die im Ausland wohnen, nimmt stetig zu, wie der Bundesrat in einer Pressemitteilung vom Juni 2023Externer Link feststellte. Im Jahr 2021 waren es fast 170’000 Personen. Bei der Mehrheit handelt es sich um Grenzgänger in Frankreich und Deutschland, welche die Möglichkeit haben, zwischen der Krankenversicherung ihres Arbeits- oder Wohnlandes zu wählen.
Unter den Auslandschweizer:innen können Personen, die in ein Land ausserhalb der Europäischen Union ausgewandert sind, nicht mehr in der Schweiz versichert bleiben und sind daher nicht von der Prämien-Entlastungs-Initiative betroffen. Innerhalb der Europäischen Union sind Personen, die in ihrem Wohnsitzland erwerbstätig sind, ebenfalls nicht von der Initiative betroffen. Sie müssen in dem Land, in dem sie arbeiten, eine Krankenversicherung abschliessen.
In der EU lebende Schweizer:innen im Ruhestand, aber auch Personen, die eine Invalidenrente oder eine Unfallversicherung beziehen, sind grundsätzlich verpflichtet, in der Schweiz krankenversichert zu bleiben. Ausnahmen gibt es jedoch in Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich oder Spanien. Dort ist es möglich, sich von der Pflicht, in der Eidgenossenschaft versichert zu sein, befreien zu lassen.
Von den in der Schweiz versicherten Personen, die im Ausland wohnen, erhalten bereits 630 eine Prämienverbilligung im Gesamtwert von rund 9 Millionen Franken. Es handelt sich dabei um eine Unterstützung, die der Bund Versicherten in bescheidenen Verhältnissen gewährt, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in Island oder Norwegen wohnen, schreibt der Bundesrat in seiner Botschaft zur Initiative.
Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) könnten auch in der Schweiz versicherte Personen, die im Ausland wohnen, von der in der Initiative vorgesehenen Prämienobergrenze profitieren, wenn diese angenommen wird. Die endgültige Entscheidung läge jedoch beim Parlament bei der Umsetzung der Prämien-Entlastungs-Initiative.
Editiert von Samuel Jaberg. Übertragung aus dem Französischen: Janine Gloor
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