Berufliche Vorsorge und Biodiversität: Es wird knapp für die nationalen Vorlagen
Das Urteil des Volkes über die Reform der zweiten Säule des Rentensystems und die Initiative zur Biodiversität wird am Sonntag fallen. Beide Vorlagen werden es laut jüngsten Umfragen jedoch schwer haben, den Test an der Urne zu bestehen.
Bei den eidgenössischen Volksabstimmungen am Sonntag stehen erneut die Renten im Mittelpunkt. Nachdem die Schweizer Stimmbürger:innen im März die Einführung einer 13. Rente der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV), der ersten Säule des Systems, angenommen haben, stimmen sie dieses Mal über eine Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) ab.
Es handelt sich um die zweite Säule des Rentensystems. Diese sieht vor, dass Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen während ihres Arbeitslebens bei einer Pensionskasse sparen, um ein Guthaben aufzubauen, das im Rentenalter in eine Rente umgewandelt wird.
Im Land gibt es über 1000 Pensionskassen, die oft ihre eigenen Vorschriften haben. Das Gesetz über die berufliche Vorsorge legt jedoch Mindestvorschriften fest. Einige dieser Parameter sollen durch die Reform geändert werden, die von Regierung und Parlament ausgearbeitet wurde und von den Rechts- und Zentrumsparteien unterstützt wird.
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BVG-Reform: Darum geht es bei der Abstimmung
Die Überalterung der Bevölkerung ist eine Herausforderung für die zweite Säule. Das zentrale Ziel der Vorlage ist es, ihre nachhaltige Finanzierung zu sichern.
Die Behörden möchten jedoch auch die Absicherung von Personen mit niedrigem Einkommen, hauptsächlich Frauen, verbessern. Der Entwurf sieht daher vor, die Schwelle des Jahreslohns für den Zugang zur beruflichen Vorsorge von 22’050 Franken pro Jahr auf 19’845 Franken zu senken.
Die Reform ist nicht nach dem Geschmack der Linken und der Gewerkschaften, die ein Referendum eingereicht haben, um eine Volksabstimmung zu erzwingen. Die Gegnerinnen und Gegner konzentrierten sich in ihrer Kampagne auf ein Hauptargument: Erwerbstätige müssen mehr einzahlen, um im Alter eine niedrigere Rente zu erhalten.
Die Befürworter:innen der Vorlage sind im Laufe der Wochen immer weiter geschrumpft. Laut der letzten SRG-Umfrage rechneten zwei Wochen vor der Abstimmung 51% der Wähler:innen damit, ein «Nein» in die Urne zu legen.
Auf dem Weg zum Scheitern der Biodiversitätsinitiative
Auch die Argumente der Befürworterinnen und Befürworter der Biodiversitätsinitiative scheinen die Stimmenden nicht überzeugt zu haben.
Laut der letzten SRG-Umfrage sprachen sich 51% der Befragten gegen die Initiative aus. Bei den Auslandschweizern erhielt sie mehr Unterstützung. 56% von ihnen waren dafür, aber das wird das Blatt nicht wenden.
Die Initiative, die im September 2020 von Natur- und Umweltschutzverbänden eingereicht wurde, fordert genügend Mittel und Flächen für die Natur. Zudem will sie einen besseren Schutz der Landschaft und des baulichen Erbes in der Verfassung verankern.
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Biodiversitätsinitiative: Wichtig für den Naturschutz oder zu extrem?
Die Linksparteien und die Grünliberale Partei (GLP) unterstützten die Vorlage. Sie sind der Ansicht, dass sich die Biodiversität in einem unbefriedigenden Zustand befindet und dass die bereits ergriffenen Massnahmen nicht ausreichen, um das Problem zu beheben. Laut dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) sind die Hälfte der natürlichen Lebensräume und ein Drittel der Arten bedroht.
Bekämpft wird die Initiative von einer breiten Allianz aus den wichtigsten rechten Parteien, der Mitte, landwirtschaftlichen Kreisen und Wirtschaftsorganisationen. Sie stellte sie als «zu extrem und ineffektiv» dar und ist der Ansicht, dass die bestehenden Gesetze ausreichen, um die biologische Vielfalt zu fördern.
Die Kampagne spaltete die ländlichen und städtischen Kreise. Der Text verärgerte einen Teil der Bäuerinnen und Bauern, die der Meinung waren, genug zu tun, um die Natur zu erhalten. Die Landwirtschaft befürchtete auch, dass die Initiative die Nahrungsmittelproduktion stark einschränken würde. Dagegen haben Umfragen gezeigt, dass die Bewohner:innen von Agglomerationen die Initiative befürworteten.
Die Spannungen waren jedoch nicht so gross wie während der Kampagne vor der Abstimmung über die Anti-Pestizid-Initiativen im Jahr 2021, die von Ausschreitungen geprägt war.
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Editiert von Samuel Jaberg. Übertragung aus dem Französischen: Janine Gloor
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