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«Bild vom menschlichen Klima-Einfluss komplettiert»

Kohlekraftwerke, hier im deutschen Brandenburg, gehören weltweit zu den grössten Schleudern von CO2, dem schlimmsten menschengemachten Treibhausgas. Keystone

Der grösste Teil der Klimaerwärmung ist menschengemacht. Zwei Schweizer Wissenschaftern ist es nun gelungen, diese Erkenntnis mit einer neuen Methode zu erhärten. Als Grundlage dazu verwendeten sie Veränderungen in der Energiebilanz der Erde.

An der Klimakonferenz von Durban würden die rund 15’000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hauptsächlich warme Luft produzieren. Klimaforscher Heinz Wanner ist nicht der einzige, der harsche Kritik an der Monsterveranstaltung übt, die gegenwärtig in Südafrika stattfindet.

Als Träger des Prix Vautrin Lud, so etwas wie der Nobelpreis für Geografen, ist Wanner aber einer der renommiertesten Kritiker.

Ungeachtet des Ausgangs der Konferenz wird sich das Klima auf der Erde weiter aufheizen. Folgt man der Prognose der Weltorganisation für Meteorologie der UNO (WMO), wird dies sogar noch drastischer der Fall sein als bisher angenommen.

Dass die sieben Milliarden Menschen auf der Erde und insbesondere die 15’000 Konferenzteilnehmer in Durban mehr als beunruhigt sein müssen, dafür sorgen auch Reto Knutti und Markus Huber vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich.

Unabhängige Bestätigung 

Den beiden Klima-Physikern ist es gelungen, den Beitrag der Menschen an der Klimaerwärmung aufgrund einer neuen Methode zu beziffern. Den Ansatz haben Professor Reto Knutti und Doktorand Markus Huber in der neuesten Ausgabe des renommierten Magazins Nature Geoscience vorgestellt.

Bisher hatte die Forschung einzelne so genannten Fingerabdrücke wie Kohlendioxid (CO2) oder Sonnenstrahlung in räumlichen Temperatur-Mustern dargestellt und diese dann miteinander verglichen.

«Beispielsweise erwärmt sich das Land schneller als die Ozeane, die untere Atmosphäre erwärmt sich, die obere Atmosphäre kühlt sich ab», beschreibt Reto Knutti gegenüber swissinfo.ch Erkenntisse, welche aufgrund der herkömmlichen Methode gewonnen wurden. Die solchermassen beobachteten Muster liessen die Forscher auf CO2 und somit den Menschen als Verursacher schliessen.

Globale Energieflussrechnung 

«Dabei wurde aber nicht wirklich erklärt, woher die Energie stammt und wohin sie fliesst. Die Welt ist ein System, dem einerseits Energie von aussen von der Sonne zugeführt wird. Andererseits wird von der Atmosphäre Energie in Form von langwelliger Abstrahlung abgegeben.» Genau auf diese Flüsse haben Knutti und Huber ihr forscherisches Augenmerk gelegt.

Zur Bestimmung des menschlichen Klimaeinflusses stellten sie eine globale Energiebilanz auf, in der sie auswiesen, welche Energie von der Sonne zufloss und welche Energie die Ozeane aufnahmen.

«Man könnte auch von einem Energie-Budget oder einer Energie-Buchhaltung sprechen. Aufgrund des Prinzips der Energieerhaltung muss diese Energierechnung des Systems Erde ausgeglichen sein und am Schluss aufgehen.»

Der 38-jährige Berner illustriert dies am Beispiel des Wasserkochens. Die Temperatur des Wassers in der Pfanne lasse sich entweder mit dem Thermometer messen oder rechnerisch ermitteln. Dazu müsse von der Energie, welche die Herdplatte produziert, jene abgezogen werden, welche die Pfanne wieder abgebe. «Unter dem Strich bleibt die Energiemenge, die zum Erwärmen des Wassers vorhanden ist. Damit kann ich die Temperatur des Wassers ausrechnen.»

Abfluss in die Meere 

Der Energieerhaltung ist es also geschuldet, dass über 90% der Klimaerwärmung in die Ozeane fliessen. Knuttis Erklärung: «Die Meere sind tief und Wasser weist eine grosse Wärmekapazität auf.»

Anders als das Beispiel am Herd aus der heimischen Küche bedarf es äusserst komplexer Modelle, anhand derer Knutti und Huber ihre globale Energieflussrechnung aufstellen. Tatsächlich gehört Knutti international bereits zu den grössten Spezialisten auf diesem Gebiet.

Die Werte, welche die beiden ETH-Klimaspezialisten unter dem Strich ausweisen, stimmen exakt mit den Ergebnissen der Fingerabdruck-Methode überein. Gemäss Gesamtenergierechnung hat die Temperatur seit 1950 um 0.56 °Celsius zugenommen. Ohne den kühlenden Effekt der Aerosole (Russpartikel) läge die Erwärmung bei 0.85°Celsius.

Gesteigerte Evidenz 

Der überwiegende Teil dieser Klimaerwärmung, nämlich mindestens 74%, geht auf den Menschen zurück. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Aussage korrekt ist, konnte mit Knuttis Bilanzrechnung auf 95% gesteigert werden. «Die Sicherheit, dass der menschliche Einfluss für die Klimaerwärmung dominant war, ist somit extrem hoch. Der Einfluss der Änderungen in der Sonnenaktivität , die immer wieder als Argument vorgebracht wurde, war klein», sagt Reto Knutti.

Die Resultate der globalen Energiebilanzrechnung wertet er als «grosses Puzzle-Teil, das sehr schön in die Lücke passt und das bisherige Bild vom menschlichen Einfluss auf das Klima komplettiert». Deshalb schätzt er die wissenschaftliche Relevanz seiner Berechnungen ziemlich hoch ein. «Die hohe Konsistenz des Bildes über die Energiemengen, welche von aussen zufliessen und jenen, welche die Ozeane aufnehmen, ist wissenschaftlich enorm wichtig.»

Datenresistente Kritiker 

Doch trotz des Erfolgs am Rechner bleibt der ETH-Professor Realist. Kritiker, die negieren, dass der Hauptteil des Treibhauseffekts auf den Menschen zurückgehe, würden sicher nicht verstummen. «Sie lassen sich nicht mit Daten überzeugen, ähnlich jenen, die behaupten, der Mensch sei nie auf dem Mond gewesen.»

Auch hält Knutti für kaum wahrscheinlich, dass die vorgestellte neue Berechnungsmethode in Durban oder in der mittel- oder langfristigen Klimadiskussion etwas bewirken werde.

«Der Prozess über ein Kyoto-Nachfolgeabkommen hat nur mehr beschränkt mit Wissenschaft zu tun», glaubt er. Vielmehr handle es sich um eine politische Diskussion, in der es darum gehe, wer welche Massnahmen umsetzen und wer das bezahlen solle.

Zwar sei die Klimaerwärmung und die Notwendigkeit von CO2-Reduktionszielen heute von allen Ländern anerkannt. «Wie aber das Problem gelöst werden soll, ist eine politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Frage», sagt der Wissenschafter. «Das Erkennen eines Problems bedeutet noch lange nicht, dass man einen Weg findet, es zu lösen.»

Der 38-jährige Berner zählt zu den grössten Spezialisten auf dem Feld komplexer Modellrechnungen über das globale Klima.

Knutti doktorierte an der Universität Bern und arbeitete danach als Postdoktorand am National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado (USA).

Seit 2007 ist er Professor für Klimaphysik am Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich.

Sein Forschungsgebiet sind Veränderungen im globalen Klimasystem, die durch den steigenden menschlichen Ausstoss von Treibhausgasen wie Kohlendioxid verursacht werden.

Die Berechnungen von Knutti und Markus Huber bestätigen die Resultate der bisherigen herkömmlichen Modellrechnungen aufgrund Temperaturmessungen.

Die Wahrscheinlichkeit für die menschgemachte Klimaerwärmung wird damit auf über 95% erhöht.

Reto Knutti war 2007 Mitautor des Klimaberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change der UNO (IPCC). Er wird auch am nächsten Bericht beteiligt sein, den das Panel 2013 vorlegen will.

15’000 Teilnehmer, Scheitern vorprogrammiert: Heinz Wanner, einer der bekanntesten Klimaforscher der Welt, hat die Klimakonferenz in Durban stark kritisiert.

«Diese Form von Konferenz ist ineffizient, kostet viel Geld und verursacht einen hohen CO2-Ausstoss», sagte der Berner Professor für Geologie gegenüber der NZZ am Sonntag.

An den Klimakonferenzen kämen immer auch Teilnehmer ohne Kompetenz im Klima-Dossier zu Wort, bemängelt Wanner. Ein solches Format müsse – auch aus organisatorischen Gründen – Schiffbruch erleiden.

Insbesondere ärgert sich Wanner darüber, «dass gewisse Delegationen während der Konferenzen ausgiebig feiern und sich an traumhaften Stränden verlustieren, statt Resultate zu liefern».

Deshalb fordert Wanner eine straffere Führung und wieder mehr einflussreiche Exekutivmitglieder, die direkt und in kleinen Gruppen mit anderen Ländern verhandeln.

«Die Regierungen der wirklich wichtigen Länder wie China, Indien und der USA sollten sich zusammensetzen und reden. Denn ohne diese Staaten ist weltweiter Klimaschutz eine Farce», sagte Wanner.

Der emeritierte Berner Geologie-Professor ist Mit-Autor des Klimaberichtes des Weltklimarats IPCC und Träger des Prix Vautrin Lud, der höchsten internationalen Auszeichnung für Geografen.

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