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Biometrische Pässe: Es könnte knapp werden

Der Vorsprung der Befürworter eines biometrischen Passes ist nicht sehr gross. Keystone

Zwar zeigt die erste Umfrage des Instituts gfs.bern im Auftrag der SRG SSR idée suisse eher ein Ja zu den biometrischen Pässen. Doch die Ausgangslage bleibt offen. Viel klarer steht es dagegen um die Komplementärmedizin: Zwei Drittel sagen Ja zu dieser Vorlage.

Wäre am Stichtag 1. April über die beiden Vorlagen befunden worden, hätte eine klare Mehrheit von 67% der Komplementärmedizin wieder einen Platz in der Grundversicherung zugebilligt.

Zur Einführung von biometrischen Pässen hätte immerhin eine relative Mehrheit von 47% Ja gesagt.

Allerdings wäre das Interesse an der Abstimmung mit lediglich 35% Stimmwilligen unterdurchschnittlich gewesen, wie Studienleiter Claude Longchamp gegenüber swissinfo erklärt.

«Es gibt leidenschaftliche Debatten über das Bankgeheimnis, über unser Verhältnis zu Deutschland, zum Ausland. Das sind die grossen Baustellen im Moment. Und da wirkt eine gleichzeitige Abstimmung fast ein bisschen nebensächlich.»

Ausgang noch offen

Trotz dem relativen Vorsprung der Befürworter einer Einführung biometrischer Daten im Schweizer Pass und in Reisedokumenten ausländischer Personen geht Longchamp von «keiner komfortablen Situation für die Ja-Seite» aus.

Die Vorlage kommt an die Urne, weil dagegen das Referendum ergriffen worden war.

«Im Moment stellen wir fest, dass Argumente zum Überwachungsstaat ausgesprochen populär sind, dass die Angst vor Eingriffen in die Privatsphäre durch den Staat in dieser Kampagne ausgesprochen wirksam ist», betont er.

Seine Analyse der ersten Umfrage: «Das sind Stimmungslagen, die aus der politischen Grosswetterlage kommen und sich jetzt auf diese Entscheidungen über die biometrischen Pässe zu Gunsten der Gegner ausgewirkt haben.»

Nun sei es an den Befürwortern, ihre wichtigsten Argumente auszuspielen, so etwa die Reisefreiheit und die Fälschungssicherheit der biometrischen Pässe, erklärt der Politologe.

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Frage des Einkommens

Für einmal sind die Verhältnisse betreffend Parteibindung der Befragten nicht klar. «Es geht nicht um Partei-Ideologien», so Longchamp. Einzig das Tessin scheint in einer sonst ausgeglichenen Stimmabsicht mit einer Zustimmungs-Rate von 56% einen Ausreisser nach oben zu machen.

«Die Kampagne hat im Tessin noch gar nicht richtig eingesetzt», erklärt Longchamp. «Deshalb haben wir hier auch eine klar bessere Ausgangslage als dort, wo die Kampagne schon stärker ist wie in der West- und der deutschsprachigen Schweiz.»

Die erstaunlichste Aussage macht die Umfrage betreffend Haushaltseinkommen: Je höher das Einkommen, desto höher auch die Zustimmung: Haushalte mit Einkommen unter 3000 Franken monatlich sind zu lediglich 27% dafür, während solche über 9000 Franken mit 65% zustimmen.

Longchamp vermutet hier ebenfalls einen Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise: «Besonders tiefere Bildungsschichten, tiefere Einkommensklassen, verstehen sich als Verlierer in diesem momentanen Prozess. Und sie sind der Politik ziemlich überdrüssig und im Moment eher geneigt, Nein zu sagen.»

Komplementärmedizin: Klare Sache

Während die Vorlage über die biometrischen Pässe also noch in der Schwebe hängt, scheint beim Verfassungsartikel «Zukunft mit Komplementärmedizin» mit einer Zweidrittels-Mehrheit von Zustimmenden alles klar.

Einzig die Schweizerische Volkspartei (SVP) hat sich gegen die Vorlage ausgesprochen. «Daneben findet eigentlich kein Abstimmungskampf statt», so Longchamp. «Keine einzige der untersuchten Gruppen (Partei, Sprachregion, Geschlecht) ist mehrheitlich gegen diese Vorlage.»

Nicht einmal bei der Wählerschaft der SVP ist eine Mehrheit dagegen: 18% Gegner stehen massiven 65% Zustimmenden gegenüber. «Gesundheitsfragen sind Fragen, die man aus der eigenen Erfahrung, aus dem eigenen Alltag beantwortet», analysiert Longchamp das deutliche Resultat. «Das hat nichts mit Parteibindungen zu tun.»

Trotzdem will Longchamp keine abschliessende Aussage zum Ausgang der Abstimmung über die Komplementärmedizin wagen. «Gelaufen ist nie irgendetwas, bis es zum Abstimmungstag gekommen ist. Aber die Voraussetzungen für ein Ja sind ausgesprochen gut in dieser Vorlage.»

swissinfo, Christian Raaflaub

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Biometrische Pässe:
47% Ja, davon 25% bestimmt Ja und 22% eher Ja

39% Nein, davon 22% bestimmt Nein und 17% eher Nein

14% Unschlüssig

Komplementärmedizin:
67% Ja, davon 46% bestimmt Ja und 21% eher Ja

15% Nein, davon 7% bestimmt Nein und 8% eher Nein

18% Unschlüssig

Stimmbeteiligung:
Lediglich 35% der Befragten wollen an die Urne gehen.

Für die erste Umfrage zu den Abstimmungen vom 17. Mai 2009 befragte das Institut gfs.bern 1211 Stimmberechtigte aus der ganzen Schweiz.

Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer wurden nicht befragt.

Die telefonischen, sprachregional gewichteten Befragungen fanden zwischen dem 30. März und dem 4. April 2009 statt (Stichtag 1. April).

Der Stichprobenfehler liegt bei +/- 2,9%.

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