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Blocher will keine «Rückkehr zu realitätsfremder Politik»

Blocher: "Der Aufstieg der SVP ist eng mit der illusorischen Politik zwischen 1989 und 2003 verknüpft." Keystone

Laut Bundesrat Christoph Blocher besinnt sich die Schweiz wieder stärker auf bewährte Werte. Blocher sieht den Wandel in einem Zusammenhang mit seiner Wahl in die Landesregierung.

In einer Standortbestimmung zum Wahljahr 2007 plädierte Blocher für eine Fortsetzung der von ihm und der SVP geprägten liberal-konservativen Politik.

Die Wahlen 2007 würden entscheiden, ob die erfolgreiche liberal-konservative Politik auch fortgesetzt werde. Die Alternative dazu wäre eine Rückkehr zu «den realitätsfremden Konzepten der Neunzigerjahre», erklärte Blocher an einer Medienkonferenz auf dem Uetliberg oberhalb von Zürich.

Der Politiker der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) kritisierte die Sozialdemokarten und die Grünen als Parteien, die den Niedergang der Schweiz im vergangenen Jahrzehnt verkörperten.

Das Volk werde die Wahl haben zwischen gesunder Wirtschaft und wirtschaftlichem Abstieg, zwischen Entlastung der Bürger und mehr Steuern und Abgaben, Selbst- und Fremdbestimmung, internationaler Kooperation und Integration, friedlichem Zusammenleben und Ausländerkriminalität oder auch zwischen Wohlstand und Armut.

Im Hinblick auf die Eidgenössischen Wahlen 2007 mochte Blocher eine Kandidatur für den Nationalrat nicht definitiv ausschliessen. «Ich habe dies nicht im Sinn», sagte er. Er gab aber zu verstehen, dass eine Nationalratskandidatur denkbar sei, falls die anderen Bundesratsparteien die SVP aus der Regierung werfen wollten.

Seine Medienkonferenz wollte Blocher nicht als Wahlkampf für die SVP verstanden wissen, sondern als Standortbestimmung eines einfachen Bundesratsmitglieds. Er wolle auch im nächsten Jahr nicht als Wahlkämpfer auftreten. «Aber wenn ich angegriffen werde, werde ich mich wehren», erklärte Blocher, der im Dezember 2003 in den Bundesrat gewählt worden war.

Neue Prioritäten

Seit 2004 werde die Bundespolitik von neuen Prioritäten bestimmt, sagte Blocher. Es finde nun eine offene Diskussion über die realen Probleme statt, es gebe keine Tabus mehr gegenüber Missbräuchen im Asylwesen oder in der Invalidenversicherung. Ausserdem seien in der Bundesverwaltung die Kosten gesenkt worden.

Für Blocher sind die ersten Erfolge der neuen Politik bereits sichtbar: So sei die Staatsquote stabilisiert worden und der EU-Beitritt der Schweiz kein strategisches Ziel des Bundesrates mehr.

Blocher äusserte die Ansicht, dass schweizerische Grundwerte wie Neutralität und Unabhängigkeit wiederbelebt worden seien.

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Bundesrat

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Bundesrat ist die Schweizer Regierung (Exekutive). Sie besteht aus sieben Mitgliedern, die alle vier Jahre vom Parlament (Vereinigte Bundesversammlung) gewählt oder bestätigt werden. Ein Mitglied der Landesregierung wird «Bundesrat» oder «Bundesrätin» genannt. Jeder Bundesrat, jede Bundesrätin, steht einem Departement als Minister oder Ministerin vor. Aus ihrer Mitte wird jährlich abwechselnd nach Amtsdauer der Bundespräsident…

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Justizreform auf Kurs

Als Beispiel für seine erfolgreiche Politik nannte er die Massnahmen im Asylwesen, insbesondere den Sozialhilfestopp bei Nichteintretens-Entscheiden. Die Schweiz sei für unechte Flüchtlinge weniger attraktiv, und es gebe weniger unbegründete Gesuche.

Die Justizreform komme gut voran, erklärte Blocher weiter. So würden das vereinheitlichte Strafprozessrecht und Zivilprozessrecht nach 2010 in Kraft treten. Auch seien Massnahmen zur einheitlichen Aufsicht über die Bundesanwaltschaft eingeleitet worden.

Als weiteren Schwerpunkt bezeichnete Blocher die Sicherung und Förderung des Wirtschaftsstandortes Schweiz. Verschiedene Vorlagen seien auf gutem Weg, so die Modernisierung des Urheberrechts oder das Patentgesetz mit Schutz für biotechnologische Erfindungen.

«Emotionen, statt Fakten»

Vertreter anderer Parteien nehmen Blochers Auftritt gelassen auf. Sie sehen dahinter Wahltaktik, finden das aber mehrheitlich legitim. Am schärfsten kritisierten die Grünen den Justizminister.

«Bundesrat Blocher spielt unserer Partei den Schwarzen Peter zu», sagte die Parteipräsidentin der Grünen, Ruth Genner. Es sei für jemanden aus der Exekutive unhaltbar, nur mit Emotionen, anstatt mit Fakten zu argumentieren.

«Was die Sozialdemokraten betrifft, so treffen diese Aussagen nicht zu. Die Dinge, für die wir stehen, haben der Schweiz gut getan und nicht geschadet», sagte Parteipräsident Hansjürg Fehr.

«Etwas Neues»

Es sei zwar nicht verboten, Ende Jahr eine Einzelbilanz als Bundesrat abzugeben, sagte Gabi Huber, Vizepräsidentin der Freisinnigen Partei. Sie bezeichnet den Auftritt Blochers aber als «etwas Neues».

Dominique de Buman, Vizepräsident der Christlich demokratischen Partei, kritisierte die Veranstaltung Blochers. «Es steht ihm nicht zu, die Bilanz für den ganzen Bundesrat zu ziehen.»

Auch habe nicht der Justizminister allein während der Legislatur erfolgreich Politik betrieben: Gerade die CVP habe Mehrheitslösungen ermöglicht.


swissinfo und Agenturen

Die Eidgenössischen Wahlen finden am 21. Oktober 2007 statt.

Bei den letzten Wahlen am 19. Oktober 2003 wurde die rechtskonservative SVP zur stärksten Partei und forderte umgehend einen zweiten Sitz in der Landesregierung.

Am 10. Dezember 2003 wurde Christoph Blocher als zweiter SVP-Vertreter in die Landesregierung gewählt. Damit wurde die seit 1959 geltende parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates (Zauberformel) gesprengt.

Blocher ist seit dem 1. Januar 2004 Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements.

Blocher war von 1977 bis zu seiner Wahl in die Regierung Präsident der SVP des Kantons Zürich und von 1979 bis 2003 Mitglied des Nationalrates (Grosse Kammer).

1984 übernahm Blocher die Aktienmehrheit der Ems Chemie und wurde als Unternehmer zu einem der reichsten Schweizer.

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