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Büsingen – ein Kuriosum leidet unter starkem Franken

Vereint nebeneinander: Telefonkabinen der Swisscom und der Deutschen Telekom. swissinfo.ch

Steuern bezahlen in Euro, einkaufen mit Franken: Die deutsche Enklave Büsingen bei Schaffhausen leidet doppelt unter dem starken Franken. Betroffen sind Rentner, die mehr Steuern bezahlen müssen, und eine Minderheit, die ihren Lohn in Euro erhält.

Büsingen döst an diesem Spätsommer-Nachmittag vor sich hin. Der kleine Dorfladen hat heute Ruhetag, die Milchzentrale ist seit Jahren geschlossen. Das 1400-Seelendorf am Hochrhein, in der Nähe von Schaffhausen gehört zwar zu Deutschland, ist jedoch von schweizerischem Hoheitsgebiet umrahmt.

Hier und da erscheint ein Auto oder eine Gruppe Velofahrer. Im Freibad am Rhein sitzt eine Handvoll Ausflügler. Wurst, Brot und Bier kommen aus der Schweiz. Gesprochen wird Schweizerdeutsch, bezahlt wird in Franken.

Selbst die Bergbahnen in Davos-Klosters litten unter dem starken Franken, erzählt ein Rentner einem Kollegen: «Wenn das so weitergeht, können sich die Deutschen keine Ferien mehr leisten in der Schweiz.»

Näher als das Schicksal der Bergbahnen ist den beiden das eigene. Ihre Rente erhalten sie in Euro. Wegen der Euro-Krise haben sie an Kaufkraft verloren, denn neben dem Bedarf des täglichen Lebens fällt auch die Wohnungsmiete in Franken an. «Der Wertverlust des Euro macht uns zu schaffen», sagen die beiden und bestellen noch ein Bier.

Der Fiskus profitiert

Die meisten – rund 90% – Einwohnerinnen und Einwohner von Büsingen arbeiten in der Schweiz. Das heisst: Sie erhalten ihren Lohn und als Pensionierte auch die Leistungen der Sozialversicherungen in harten Franken. Dennoch macht auch ihnen der Höhenflug des Frankens zu schaffen, denn sie müssen ihre Steuern dem deutschen Fiskus in Euro abliefern. Und je mehr der Franken wert ist, desto höher fällt ihr Einkommen in Euro aus. Kommt dazu, dass die Steuerprogression in Deutschland besonders ausgeprägt ist.

Gunnar Lang zählt zusammen mit dem Pfarrer, den Lehrern, sowie den Bank- und Postangestellten zu den Ausnahmen: Als Bürgermeister von Büsingen erhält er seinen Lohn in Euro. «Meine Frau ist der private Finanzchef. Sie muss zum Einkaufen in Franken wechseln und hat jetzt keine Freude am hohen Frankenkurs», sagt Lang.

Schweizer Zollgebiet

«Die Währung ist im Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz nicht geregelt. Deshalb gilt deutsches Recht, und der Euro ist damit die offizielle Währung in Büsingen. De Facto klappt das allerdings überhaupt nicht, der Franken dominiert. Büsingen gehört zum schweizerischen Zollgebiet. Darum müssen die Geschäfte und Restaurants Schweizer Ware kaufen. Diese dann in Euro anzubieten, wäre völlig praxisfremd.»

Ob also die Büsinger ihr Geld in Franken oder – wie eine kleine Minderheit- in Euro verdienen, spielt keine Rolle: Der starke Schweizer Franken macht allen einen Strich durch die Rechnung, der Mehrheit bei den Steuern und der Minderheit bei den täglichen Ausgaben.

Gailingen lockt

Kommt dazu, dass die wenigen Läden im Dorf – genauso wie auch das schweizerische Grenzgebiet -zusehends mit dem Phänomen Einkaufstourismus konfrontiert werden. Der Euro ist so billig wie noch nie, und der Laden des deutschen Billig-Discounters im deutschen Nachbardorf ist es sowieso.

“Wir spüren im Dorf den starken Durchgangsverkehr der Leute, die zum Einkaufen nach Gailingen fahren. Am Sonntag ist es jeweils ruhig. Der Einkaufstourismus ist sehr intensiv, und er hat zugenommen“ sagt Lang.

Bauern im Glück

«Glück» haben laut Lang hingegen die Bauern: «Für die Landwirtschaft in Büsingen gilt weitgehend Schweizerrecht. Das ist so im Staatsvertrag geregelt. Unsere Bauern dürfen ihre Produkte in die Schweiz verkaufen und erhalten Direktzahlungen aus der Schweiz. Zwar sind es lediglich 80% im Vergleich zu den Berufskollegen in der Schweiz, aber es geht den Bauern hier eindeutig besser als in ‹Normaldeutschland›.»

Die «abnormale» Situation der Enklave findet ihren Ausdruck auch in diversen Kuriositäten. So hat Büsingen zwei Telefonnetze, ein deutsches und ein schweizerisches. Auf dem Dorfplatz stehen nebeneinander je eine Telefonkabine der schweizerischen Swisscom und der Deutschen Telekom. Wenn die Feuerwehr ausrücken muss, dann nehmen die Männer zwei Hydranten-Schlüssel mit. «Es gibt noch ein paar deutsche Hydranten, aber wenn wir neue installieren, dann sind es schweizerische», erzählt Lang.

Die fehlenden Rechte der Schweizer

Eher ein ernsthaftes Problem im öffentlichen Leben ist der Umstand, dass die in Büsingen lebenden Schweizerinnen und Schweizer von den kommunalen demokratischen Rechten ausgeschlossen sind.

«Wenn jemand aus irgend einem EU-Land hierher zieht, dann hat er diese Rechte. Schweizer, die seit Generationen hier wohnen, können weder wählen, noch können sie gewählt werden. Für die Gemeinderatswahlen ist es für uns als kleine Gemeinde vielfach nicht einfach, geeignete Kandidaten zu finden. Und wenn man jemanden findet, ist es ein Schweizer. Das Problem müssen wir mal bilateral lösen», sagt Lang.

Kuriosum auf ewig?

Wegziehen in die Schweiz und von den tieferen Steuern profitieren, wie es viele Deutsche aus Büsingen seit der Einführung der Personenfreizügigkeit getan haben, ist für Lang undenkbar. «Das kommt für mich nicht infrage», so der Bürgermeister, der sich auch nicht vorstellen kann, dass Büsingen als weltweit einzige deutsche Enklave dereinst zur Schweiz gehören wird. «Das brauchte in beiden Ländern eine Verfassungsänderung, und das ist nicht realistisch. «

Die Abgeordneten im Bundestag in Berlin seien zudem «mit der ganzen Welt beschäftigt», und da «bleibt keine Zeit und kein Raum mehr, um für so eine kleine Gemeinde etwas zu ändern».

Büsingen liegt vier Kilometer flussaufwärts von Schaffhausen entfernt am Rhein.

Die deutsche Enklave wird von Schweizer Hoheitsgebiet eingerahmt, gehört zum Bundesland Baden- Württemberg und liegt im Landkreis Konstanz.

Wirtschaftlich und kulturell ist Büsingen auf die Schweiz ausgerichtet, insbesondere auf die Stadt Schaffhausen.

Die Gemeinde zählt 1400 Einwohner und gehört zum schweizerischen Zollgebiet.

Die komplizierten staatlichen Beziehungen (Polizei, Justiz, Schule, Steuern Zoll) zwischen der Gemeinde, dem deutschen Staat sind seit 1967 in einem Staatsvertrag geregelt.

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