Steuern, Sparen oder Schulden: Was hilft den Bundesfinanzen am besten?
Die Schweiz steht vor Finanzproblemen. In den nächsten Jahren fehlen Milliarden für die Armee und die 13. AHV-Rente. Woher soll das Geld kommen?
Über den Stand und die Zukunft der Schweizer Bundesfinanzen diskutieren in Let’s Talk Nathalie Christen, Bundeshauskorrespondentin von SRF, und Marius Brülhart, Ökonom mit dem Spezialgebiet öffentliche Finanzen; er lehrt an der Uni Lausanne.
Brühlhart ordnet gleich zu Beginn des Gesprächs ein: 2028 erwartet die Schweiz ein Bundesdefizit in der Höhe von zwei Milliarden Franken. «Das ist nicht vernachlässigbar, aber auch nicht so ein Riesenproblem, wie es andere Länder haben.»
«Budgetprozesse werden schwieriger»
Doch laut Christen hat bereits der Budgetprozess im letzten Jahr gezeigt: «Es wird immer schwieriger, ein Budget hinzukriegen, hinter dem eine Mehrheit stehen kann.»
Auslandschweizer Hanspeter Hartmann, der aus Nürnberg zugeschaltet mitdiskutiert, stellt die finanziellen Herausforderungen der Schweiz jenen Deutschlands gegenüber.
Er sagt: «Es beruhigt einem, wenn man sieht, dass die Probleme in der Schweiz nicht so drastisch sind.»
Das Sparpaket, eine «nützliche Auslegeordnung»
Dennoch wälzt der Bundesrat ein Sparprogramm, das 59 einzelne PostenExterner Link enthält. Es wurde bekannt als Sparplan Gaillard und heisst nun – nach einer Überarbeitung des Bundesrats – Entlastungspaket 27.
Brülhart bezeichnet es als «interessante und nützliche Auslegeordnung». Alle Überlegungen seien gut nachvollziehbar. «Doch es ist letztlich eine politische Frage, wo man das Skalpell dann ansetzen will.»
Das sind die Argumente und Ideen von Finanzpolitiker:innen des bürgerlichen Lagers:
Im Video sprechen die Nationalratsmitglieder Reto Nause von der Mitte, Nina Fehr-Düsel von der SVP, Andri Silberschmidt von der FDP sowie Corina Gredig von den Grünliberalen.
Nathalie Christen schätzt, dass sich der Bundesrat mit seinen Sparplänen «in dieser Form» eher nicht durchsetzen kann.
Nebst den Partikularinteressen der politischen Parteien gebe es auch viel Druck von aussen, etwa von den Kantonen und Städten, die sich dagegen wehren, dass der Bund Lasten zu ihnen verschieben wolle.
Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer betroffen
«Die Kunst wird sein, ein Paket zu finden, das den Schmerz möglichst breit verteilt», sagt Brülhart zum Sparpaket, während Christen auf die geplanten Kürzungen hinweist, welche die Auslandschweizer:innen betreffen.
Konkret geplant sind 19 Millionen Franken weniger beim Auslandauftrag der SRGExterner Link, was auch SWI swissinfo.ch betrifft. Dazu 7,9 Millionen Franken beim Budget der Schweizerschulen im Ausland sowie Einsparungen bei der Auslandschweizer-Organisation ASOExterner Link.
Das sind die Argumente und Finanzideen des links-grünen Lagers:
Im Video äussern sich zwei Parlamenstmitglieder von links-grün, die SP-Finanzpolitikerin Sarah Wyss sowie der Grüne Nationalrat Gerhard Andrey.
Zur Schuldenbremse nimmt Marius Brülhart eine Differenzierung vor. Zum einen gebe es den Verfassungsartikel, zu dem das Stimmvolk 2001 mit 85% Mehrheit Ja sagte. Dieser besage, dass die Schulden beim damaligen Stand eingefroren werden müssen.
Weltweit einzigartige Schuldenbremse
Zum andern sei aber in der parlamentarischen Gesetzgebung «eine zusätzliche Schicht Strenge» dazugekommen, nämlich, dass Überschüsse zum Schuldenabbau eingesetzt werden.
«Sowas gibt es anderswo auf der Welt nirgends und ist ökonomisch schwer zu rechtfertigen», sagt Brülhart. Es bestehe also die Möglichkeit zu einer rationaleren Umsetzung des Verfassungsauftrags, wie er sagt.
Der Ökonom erklärt auch, warum er aufgeschobene Investitionen als Schulden bezeichnet – und er räumt mit einer Schweizer Erzählung auf: Oftmals höre man, die Schweiz habe ihre Corona-Ausgaben nur tätigen können, weil sie so tiefe Schulden habe. «Alle Länder haben ähnliche Beträge in die Hand genommen», sagt er.

Die Schweiz hat die niedrigste Schuldenquote Europa – und auch die niedrigste der Welt.
Brülhart sieht die Schweiz entsprechend in einer sehr privilegierten Situation, dank einer starken Wirtschaft und einer Kultur der finanziellen Vernunft.
Dazu komme: «Wir können mit unserer Steuerpolitik viel Gewinnverschiebungen in die Schweiz möglich machen, die unsere Steuereinnahmen sprudeln lassen.» Die Schweiz sei für Europa, was der Kanton Zug für die Schweiz sei.
Starre Schuldenbremse verleitet zur Umgehung
Zu allfällig kommenden Steuererhöhungen erklärt Bundeshauskorrespondentin Nathalie Christen: «Es ist klar dass es eine Mehrwertsteuer-Erhöhung geben wird wegen der 13. AHV-Rente.»
Sie hört aber auch immer mehr bürgerliche Stimmen, die für Steuererhöhungen zugunsten der Verteidigung zu haben sind.
Auch die Schuldenbremse könnte geritzt werden, so die Einschätzung der erfahrenen Politjournalistin. Sie vermutet, dass es auf einen Mix aus Sparen, Steuern und Schulden hinausläuft.
Je stärker die Schuldenbremse als Gerüst dasteht, desto stärker ist die Versuchung, an ihr vorbei Lösungen zu finden mit Ausserordentlichkeitserklärungen.
Auch das spreche für eine Ausgestaltung der Schuldenbremse gemäss dem Verfassungsartikel – also einer gewissen Lockerung gegenüber dem bestehenden Gesetz.
Was ist Ihre Meinung? Debattieren Sie mit:
Editiert von Samuel Jaberg

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch